Die „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ des Versicherungsrechts: Allgemeine Versicherungsbedingungen und deren Einbeziehung in den Vertrag


Der Versicherer bedient sich bei dem Abschluss von Versicherungsverträgen häufig Allgemeiner Versicherungsbedingungen (AVB). Bei den Allgemeinen Versicherungsbedingungen handelt es sich rechtstechnisch um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Es handelt sich somit um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die vom Verwender, also von dem Versicherer, einseitig gestellt werden. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen können mithin nicht von den Parteien ausgehandelt, da sie ansonsten nicht einseitig gestellt werden.

Um wirksamer Bestandteil des Versicherungsvertrages zu werden, muss der Versicherungsgeber bei Abschluss des Vertrages ausdrücklich oder konkludent, also durch schlüssiges Verhalten, auf die Allgemeinen Versicherungsbedingungen hinweisen. Die für die Allgemeine Geschäftsbedingungen im allgemeinen Zivilrecht vorgeschriebene Voraussetzung, dass die Möglichkeit der zumutbaren Kenntnisverschaffung von den Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestehen muss, wird durch eine spezialgesetzliche Regelung im Versicherungsvertragsgesetz dadurch ersetzt, dass der Versicherungsgeber die Allgemeinen Versicherungsbedingungen dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung aushändigen muss. Unterlässt er dies und sendet die Allgemeinen Versicherungsbedingungen erst mit dem Versicherungsschein zusammen dem Versicherungsnehmer zu, steht dem Versicherungsnehmer ein Widerspruchsrecht zu, dass er innerhalb einer vierzehntägigen Frist ausüben kann. Diese Frist beginnt jedoch nur, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer darüber belehren, dass ihm ein Widerspruchsrecht zusteht. Ist die Belehrung unterblieben, verlängert sich die Widerspruchsfrist auf ein Jahr. Der Versicherungsnehmer kann dann ein Jahr ab Zahlung der ersten Prämie widersprechen. Die rechtliche Folge eines wirksamen Widerspruchs ist, dass der Versicherungsvertrag unwirksam ist.

Da die Allgemeinen Versicherungsbedingungen Bestandteil des Versicherungsvertrages werden, muss zwischen den Parteien über deren Inhalt Einigkeit bestehen, wie für alle anderen Vertragsbestandteile auch. Der Versicherungsnehmer muss also mit der Geltung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen einverstanden sein. Treffen die Vertragsparteien von den Allgemeinen Versicherungsbedingungen abweichende Vereinbarungen, gelten diese vorrangig und verdrängen die allgemeinen Versicherungsbedingungen. Darüber hinaus ist gefordert, dass der Versicherungsnehmer auch mit der Bedingung rechnen können musste. Ist eine Bedingung überraschend, also derart ungewöhnlich, dass der Versicherungsnehmer auf Grund der Umstände, insbesondere auf Grund des äußeren Erscheinungsbildes des Vertrages, nicht mit ihr rechnen musste, ist sie unwirksam. Werden die Allgemeinen Versicherungsbedingungen nach Vertragsschluss durch den Versicherer geändert, gelten trotzdem die Bedingungen, die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses wirksam in den Vertrag einbezogen wurden. Welche Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Versicherer also nach dem individuellen Vertragsschluss mit dem Versicherungsnehmer verwendet, ist für den geschlossenen Versicherungsvertrag bedeutungslos.

Ist der Inhalt einer Bedingung unklar, kann sie ausgelegt werden. Auslegen bedeutet in diesem Zusammenhang, die Bedingung danach zu interpretieren, wie der durchschnittliche Vertragspartner die Bedingung verstehen würde. Es kommt dabei jedoch nicht auf den konkreten Vertragspartner an. Hat der konkrete Vertragspartner besondere Kenntnisse im Versicherungswesen, nimmt dies also keinen Einfluss auf die Auslegung der Bedingung. Bestehen nach der Auslegung noch immer Unklarheiten, da die Bedingung zum Beispiel noch immer mehrdeutig ist, gehen diese zu Lasten des Verwenders, also des Versicherers. Die für den Versicherungsnehmer vorteilhaftere Bedeutung der Klausel gilt zwischen den Parteien.

Darüber hinaus unterliegen Allgemeine Versicherungsbedingungen der sogenannten Inhaltskontrolle, die für alle Allgemeinen Geschäftsbedingungen greift. Die Bedingung darf mithin nicht gegen den im Bürgerlichen Gesetzbuch aufgeführten Verbotskatalog von Klauseln oder gegen das Gebot von Treu und Glauben verstoßen. Liegt ein solcher Verstoß vor ist die Bedingung unwirksam. Sind einzelne Bedingungen oder gar die gesamten Allgemeinen Versicherungsbedingungen unwirksam, gilt der Vertrag als ohne sie geschlossen. Grundsätzlich werden in diesem Fall die gesetzlichen Regelungen für das Vertragsverhältnis heran gezogen. Im Versicherungsrecht gibt es jedoch nicht wie zum Beispiel im Kauf- oder Werkvertragsrecht umfassende gesetzliche Regelungen. Deshalb wird bei Versicherungsverträgen auf die ergänzende Vertragsauslegung zurück gegriffen. Die Lücke, die durch die unzureichende gesetzliche Regelung besteht, wird dadurch geschlossen, dass der Vertrag dahingehend ausgelegt wird, was die Parteien, bei sachgerechter Abwägung ihrer Interessen und unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben, vereinbart hätten.

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