Eltern haften für ihre Kinder – Stimmt das?


Wer kennt nicht die Warnschilder “Eltern haften für ihre Kinder”, die gerne von älteren Nachbarn oder Vermietern in Garagenhöfen auf gehangen werden. Im Zusammenhang mit der privaten Haftpflichtversicherung soll hier einmal näher beleuchtet werden, unter welchen Voraussetzungen die Haftung der Eltern für Schäden, die ihre Kinder verursachen, besteht. Denn nur wer weiß, wann die Haftpflicht besteht, kann auch gezielt darauf achten, “Haftungsfallen” durch eine private Haftpflichtversicherung abzudecken.

Die erste wichtige Unterscheidung ist zwischen der Haftung der Kinder selber und der Haftung der Eltern vorzunehmen. Kinder sind selbst bis zur Vollendung ihres siebten Lebensjahres nicht haftbar. Die Phasen, in denen jemand nicht haftbar ist, nennt man Deliktsunfähigkeitt. Bis zur Vollendung des sieben Lebensjahres besteht also keinerlei Haftung des Kindes für die Schäden, die es verursacht und sie können mithin nicht auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Der Grund dafür ist, dass Kinder unter sieben Jahren ihrem Entwicklungsstand nach nicht in der Lage sind einzusehen, welche Tragweite ihre Handlung hat und damit die Konsequenz eines Schadenseintritts nicht absehen können.

Zwischen dem siebten und dem achtzehnten Lebensjahr sind Kinder beschränkt deliktsfähig. Ob sie deliktsfähig sind oder nicht, richtet sich nach ihrer individuellen Einsichtsfähigkeit des Kindes. Dabei ist die Einsichtsfähigkeit jedoch streng von dem Verschulden des Kindes zu unterscheiden. Die Einsichtsfähigkeit ist die Fähigkeit des Kindes zu erkennen, dass seine Handlung nicht rechtens ist. Das Kind oder der Jugendliche muss die intellektuelle Fähigkeit aufweisen, die Tragweite und Gefährlichkeit seines Handelns einschätzen zu können. Diese richtet sich nach den individuellen Fähigkeiten des Kindes und muss von Fall zu Fall geprüft werden. Lag die Einsichtsfähigkeit nicht vor, besteht eine Haftung nicht. Das Gesetz vermutet jedoch die Einsichtsfähigkeit in diesem Alter. Die Vermutung kann allerdings durch das Kind, in der Praxis wohl häufig zusammen mit den Eltern, entkräftet werden, indem der Beweis geführt wird, dass die Einsichtsfähigkeit zum Beispiel auf Grund mangelnder intellektueller Einwicklung des Kindes im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses nicht vorlag. Gelingt die Entkräftung der Vermutung, besteht die Haftung nicht. Äußern sich jedoch weder das Kind noch die Eltern zum Einsichtsfähigkeit, wird diese vermutet und eine Haftung des Kindes besteht.

Von diesem Grundsatz besteht eine Ausnahme für Kinder im Alter zwischen sieben und zehn Jahren, die einen Schaden im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr verursachen. Für diese Schäden sind Kinder bis zur Vollendung ihres zehnten Lebensjahres deliktsunfähig. Der Grund dafür ist, dass Kinder unter zehn Jahren nach entwicklungspsychologischen Erkenntnissen nicht in der Lage sind, die besonderen Gefahren die im Straßenverkehr bestehen und entstehen können, zu überblicken. Hat das Kind den Schaden allerdings vorsätzlich, also mit Wissen und Wollen, verursacht, gilt es als deliktsfähig und haftet. Für Schäden, die ein Kind unter zehn Jahren im Straßenverkehr verursacht, ist auf den Vorsatz des Kindes abzustellen um die Haftung feststellen zu können. Hat es unvorsätzlich gehandelt, weil es zum Beispiel nur spielen wollte, besteht keine Haftung des Kindes.

Nun stellt sich die Frage, wann ein Elternteil für einen Schaden, den sein Kind verursacht hat, haftbar ist. Grundsätzlich haften Eltern für Schäden, die ihre minderjährigen Kinder verursachen nur, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben oder wenn der Schaden auch unabhängig von der Aufsichtspflichtverletzung eingetreten wäre. Die Haftung des Zivilrechts bezieht sich jedoch nicht nur auf Eltern minderjähriger Kinder sonder auf alle Aufsichtspflichtigen. Gesetzlich sind zur Aufsicht die Inhaber der elterlichen Gewalt, der Vormund, der Ausbilder gegenüber dem Auszubildenden, Lehrer sowie Pfleger verpflichtet. Neben den gesetzlichen Pflichten kann sich jemand durch Vertrag zur Aufsicht verpflichten, wie zum Beispiel der Leiter eines Kinderheimes oder ein Kindermädchen.

Dem Deliktsrecht zur Haftung Aufsichtspflichtiger sind, ähnlich wie bei der Einsichtsfähigkeit von Kindern von sieben bis achtzehn Jahren, gesetzliche Vermutungen zu entnehmen. Zum einen vermutet das Gesetz, dass der verursachte Schaden in Zusammenhang mit der Aufsichtspflichtverletzung steht. Zum anderen vermutet es, dass der Schaden nicht entstanden wäre, wenn der Aufsichtspflichtige seine Aufsichtspflicht nicht verletzt hätte. Beide Vermutungen kann der Aufsichtspflichtige jedoch dadurch entkräften, dass er nachweist seiner Aufsichtspflicht nachgekommen zu sein oder dass der Schaden auch entstanden wäre, wenn er seine Aufsichtspflicht ordnungsgemäß ausgeübt hätte.

Nun schließt sich natürlich die Frage an, wie die Aufsichtspflicht konkret ausgestaltet ist um beantworten zu können, wann ein Aufsichtspflichtiger sie verletzt mit der Folge der Haftung. Die Aufsichtspflicht ist weder gesetzlich noch durch die Rechtsprechung konkret bestimmt worden. Sie richtet sich vielmehr nach Charakter, Alter und Eigenart des Kindes sowie nach dem, was vernünftige Eltern in der konkreten Situation tun würden, um zu vermeiden, dass ein Schaden entsteht. Die Anforderungen an die Aufsichtspflicht können also auch bei Kindern im gleichen Alter sehr unterschiedlich sein. Das Ziel der Erziehung sollte grundsätzlich die Selbstständigkeit und das Verantwortungsbewusstsein des Kindes sein. Kinder können jedoch nur zur Selbstständigkeit und zum Verantwortungsbewusstsein erzogen werden, wenn sie nicht permanent kontrolliert werden. Darüber hinaus würde die Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit des Kindes durch ständige Kontrollen gehemmt. Die Aufsichtspflicht darf aber nicht dem Erziehungszweck zuwider laufen. Je weiter die persönliche Entwicklung des Kindes voran schreitet, umso weniger Bedarf zur Aufsicht besteht mithin. Bei einem normal entwickelten Kind wird regelmäßig eine allgemeine Aufsicht mit gelegentlichen Kontrollen einen adäquaten Weg darstellen.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass sich die Haftung Aufsichtspflichtiger danach richtet, ob die Aufsichtspflicht verletzt wurde. Die Aussage “Eltern haften für ihre Kinder” ist somit nicht richtig ist. Die Eltern haften für ihre Kinder nämlich nur, wenn sie nicht nachweisen können, dass sie entweder ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen sind oder der Schaden ohnehin eingetreten wäre, auch wenn sie der Aufsichtspflicht nachgekommen wären.

In diesem Zusammenhang wird deutlich, worauf Versicherte bei Abschluss des Versicherungsvertrages besonders achten sollten, wenn sie Kinder haben. Zunächst sollten die Kinder selbst vom Versicherungsschutz umfasste werden, also selbst im Versicherungsvertrag als versicherte Person benannt werden. Darüber hinaus sollte mit der Haftpflichtversicherung geklärt werden, ob im Falle der Verletzung einer Aufsichtspflicht ebenfalls Versicherungsschutz durch die Haftpflichtversicherung gewährt werden kann. Aus einem sozialen Gedanken heraus sollte in die Überlegung mit einbezogen werden, ob die Versicherung auch für Schäden eintreten soll, die das Kind während es Deliktsunfähigkeit ist, verursacht. Denn auch wenn die Eltern die Aufsichtspflicht nicht verletzt haben und das Kind selbst nicht haftbar ist, da es bei der Schadensverursachung deliktsunfähig war, sollte bedacht werden, dass der geschädigte Dritte dann unter Umständen auf seinem Schaden sitzen bleibt, obwohl er selbst zu der Verursachung des Schadens nicht beigetragen hat.

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