Europäische Gemeinschaft: Ablauf des besonderen Gesetzgebungsverfahrens


In den in Art. 289 Abs. 2 AEUV vorgesehenen Fälle ist das besondere Gesetzgebungsverfahren einschlägig. Danach erfolgt die Annahme einer Verordnung, einer Richtlinie oder eines Beschlusses durch das Europäische Parlament mit Beteiligung des Rates oder durch den Rat mit Beteiligung des Europäischen Parlaments. Im Gegensatz zum ordentlichen Gesetzgebungsverfahren gibt es für das besondere Gesetzgebungsverfahren keine zentrale Vorschrift, die den Ablauf im Einzelnen regelt. Jede Norm die ein besonderes Gesetzgebungsverfahren vorsieht, trifft dafür eigene Verfahrensregelungen.

Die jeweilige Form der Mitwirkung der Organe in einem besonderen Gesetzgebungsverfahren ergibt sich dabei aus den Bestimmungen zu den einzelnen Politikbereichen der Verträge. Darin kann teilweise die Anhörung, teilweise die Zustimmung vorgesehen sein, weshalb wie bisher zwischen Anhörungs- und Zustimmungsverfahren unterschieden werden kann. Anhörungs- oder Zustimmungsverfahren sind allerdings nur dann besondere Gesetzgebungsverfahren, wenn dies in der jeweiligen Ermächtigungsgrundlage ausdrücklich bestimmt ist.

Das Anhörungsverfahren

Der Rat beschließt im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach Anhörung des Parlaments entweder einstimmig oder mit qualifizierter Mehrheit über den zu erlassenden Rechtsakt. In manchen Fällen muss zum Erlass des Rechtsakts der Vorschlag durch die Kommission erfolgen. Zusätzlich kann der Vertrag die Anhörung weiterer Organe, wie zum Beispiel der Europäische Zentralbank oder des Wirtschafts- und Sozialausschusses vorsehen. Die Nichtbeachtung einer vorgeschriebenen Anhörung führt als Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift zur Nichtigkeit des Rechtsakts. Findet nach der Anhörung eine Änderung des Gesetzesvorschlags statt, bedarf es einer erneuten Anhörung. Von ihr kann nur abgesehen werden, falls die Änderung wesentliche Punkte des Entwurfs nicht berührt. Die Beschlussfassung im Rat erfolgt nach der jeweils in der Ermächtigungsgrundlage vorgesehenen Mehrheit.

Für Rechtsakte von allgemeiner Bedeutung, die ins Gewicht fallende finanzielle Ausgaben vorsehen und deren Erlass nicht schon aufgrund früherer Rechtsakte geboten ist, ist ein sogenanntes Konzertierungsverfahren vorgesehen. Weicht der Rat von einem Vorschlag der Kommission oder der Stellungnahme des Parlaments ab, wird ein Konzertierungsausschuss aus Vertretern des Rates und des Parlaments unter Teilnahme der Kommission gebildet, der versuchen soll, die gegenseitigen Standpunkte anzunähern. Dies stärkt die Stellung des Europäischen Parlaments im Verfahren der Anhörung.

Das Zustimmungsverfahren

Im Zustimmungsverfahren sind grundsätzlich zwei verschiedene Konstellationen möglich. Einerseits kann der Rat mit Zustimmung des Europäischen Parlaments Gesetzgebungsakte erlassen, andererseits kann das Europäische Parlament mit Zustimmung des Rates gesetzgeberisch tätig werden. Im Unterschied zum ordentlichen Gesetzgebungsverfahren steht dem mit einem Zustimmungsrecht ausgestatteten Organ kein Recht auf inhaltliche Ausgestaltung des Gesetzgebungsaktes zu.

Der Erlass von delegierten Rechtsakten und Durchführungsakten

Der Vertrag von Lissabon nimmt eine Unterscheidung zwischen delegierten Rechtsakten und Durchführungsakten vor. Diese Unterscheidung wurde aus dem EU-Verfassungsvertrag übernommen. Die Unterscheidung ergibt sich aus den jeweiligen Titeln der Rechtsakte. Beide Formen unterliegen dabei nicht dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren. Deshalb unterfällt der Erlass von delegierten Rechtsakten und von Durchführungsakten den sonstigen Rechtsetzungsverfahren.

Delegierte Rechtsakte

Der Kommission kann durch bestimmte Gesetzgebungsakte die Kompetenz übertragen werden delegierte Rechtsakte zu erlassen. Das sind Rechtsakte, in denen bestimmte Teile eines Gesetzgebungsaktes im Rahmen einer vom Gesetzgeber festgelegten Ermächtigung näher ausgeführt oder geändert werden. Der Gesetzgeber ist in den einschlägigen Fällen der Ansicht, dass die von ihm festgelegten wesentlichen Teile eines Bereichs die Annahme weiterer Rechtsakte erfordern, die er jedoch delegieren kann. Grenzen für die Delegierungsbefugnis sowie Kontrollmechanismen und Kontrollregelungen sind dabei im Gesetzgebungsakt selbst festzulegen. Sinn und Zweck von delegierten Rechtsakten ist es, die Gesetzgebungsorgane der Europäischen Union zu entlasten. Die Ermächtigung muss Ziele, Inhalt, Geltungsbereich und Dauer der Befungisübertragung ausdrücklich festlegen, sowie wesentliche Bestimmungen dem Gesetzgebungsakt selbst vorbehalten sein. Die wesentlichen Fragen müssen von den zuständigen Stellen selbst geregelt werden. Die Bedingungen, unter welchen eine Ermächtigung erlassen wird, werden außerdem vom Europäischen Parlament sowie vom Rat kontrolliert. Diese können gegebenenfalls sogar die Ermächtigung widerrufen oder bestimmen, dass der delegierte Rechtsakt nur in Kraft tritt, wenn weder Rat noch Parlament in einer gewissen Frist widersprochen haben.

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