Kann ich mich von einem Prozessvergleich wieder lösen?


Wenn zwei Parteien vor Gericht um eine zivilrechtliche Frage streiten, dann kann anstatt eines Urteils auch ein Vergleich stattfinden. Dabei einigen sich die Parteien im Wege des gegenseitigen Nachgebens auf das Bestehen einer Rechtslage, die für die Zukunft bindend sein soll. Diese Einigung findet in der Regel in der Güteverhandlung vor dem Zivilgericht statt, die vor jeder streitigen Verhandlung ausgetragen werden soll. Ein Prozessvergleich ist ein Vertrag im zivilrechtlichen Sinne. Das heißt, dass er für beide Parteien bindend ist und von ihm nur abgewichen werden kann, wenn man sich vom Vertrag lösen darf. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Vertrag wirksam angefochten werden kann.

Anfechtbarkeit eines Prozessvergleichs

Eine Anfechtung des Prozessvergleiches kommt zum einen in Betracht, wenn man als Vertragspartei über den Inhalt der Erklärung irrt. Das kann zum Beispiel sein, wenn von falschen Tatsachen ausgegangen wird, weil eine falsche Tatsachenaufklärung durch den Richter stattfindet oder eine Partei etwas sagt, was sie anders meint, als sie es gesagt hat. Das ist in der Regel selten der Fall, da der Richter in der Güteverhandlung dafür zuständig ist, den Vergleich so zu Protokoll festzuhalten, dass er eindeutig, widerspruchsfrei und ohne Zweideutigkeit geschlossen wird.

Relevanter ist der Fall, indem eine Partei durch den Richter oder eine andere Person zum Abschluss des Vergleichs gedrängt wird. In der Regel sind beide Parteien im Zuge der Privatautonomie frei, den Vergleich so zu schließen, wie sie möchten oder ihn auch gar nicht zu schließen. Wenn eine Vertragspartei aber das Gefühl hat, sie wird unter Druck gesetzt, um einen Vergleich abzuschließen, liegt keine freie Willensbildung mehr vor, sodass hier ein Anfechtungsgrund bestehen könnte. Beispielhaft könnte das der Fall sein, wenn der Richter einer Partei mit Komplikationen oder sogar Prügel droht, einer Partei der Eindruck vermittelt wird, sie müsse sich vergleichen, weil sonst das Urteil nur zu ihren Lasten ausgehen könne oder eine Partei über Tatsachen getäuscht wird, die der Grund für den Vergleichsschluss sind. Um diese Erklärung aber anfechten zu können, muss der Vertragspartner den Grund der Anfechtung kennen. Der Richter, der Dritter im Rechtsverhältnis ist, führt mit seiner Täuschung also nur zu einer Anfechtbarkeit, wenn der Vertragspartner dies mitbekommen hat oder dies bei pflichtgemäßem Ermessen hätte mitbekommen müssen.

Erklärung der Anfechtung

Liegt ein Anfechtungsgrund vor, dann muss die anfechtende Person die Anfechtung erklären. Dazu muss sie ausdrücken, dass sie sich vom Vertrag lösen möchte, das Wort „Anfechtung“ muss nicht explizit auftauchen, es reicht die Intention, die nach außen erkennbar sein muss, nicht am Vertrag festhalten zu wollen. Dazu muss die Anfechtungsfrist eingehalten werden. Wenn der Anfechtende von dem Anfechtungsgrund erfährt, wenn er sich geirrt hat, dann muss er unverzüglich die Anfechtung erklären. Wenn eine Anfechtung wegen Drohung oder Täuschung stattfindet, dann kann der Anfechtende die Anfechtung innerhalb von einem Jahr ab Kenntnis von dem Anfechtungsgrund erklären. Der Täuschende soll nicht geschützt werden, deshalb besteht die längere Anfechtungsfrist.

Folgen der wirksamen Anfechtung

Wurde die Anfechtung wirksam erklärt, dann ist der Vergleich von vornhinein unwirksam. Das heißt, dass das Rechtsverhältnis, über das sich im Vergleich geeinigt wurde, so nicht besteht. Es wird an den Anfangszeitpunkt vor der Güteverhandlung zurückversetzt. Dann kann eine erneute Güteverhandlung stattfinden oder aber es wird eine Entscheidung durch den Richter durch ein Urteil gefällt.

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