MT Werden Behandlungen und Leistungen der Kieferorthopädie von der Krankenkasse gedeckt?


In den letzten Jahrzehnten hat sich die Nachfrage der Patienten nach kieferorthopädischer Behandlungen rasant entwickelt. Wurden früher vorwiegend nur überwiegend schwere Fälle behandelt, werden heute knapp 70 Prozent eines Jahrganges kieferorthopädisch behandelt. Der Wunsch nach einem Hollywoodlächeln ist heute vielerorts zu spüren und lässt diesen Zweig der Zahnmedizin unaufhaltsam wachsen. Bis 1992 wurden alle Patienten behandelt, die sich bei einem Kieferorthopäden vorstellten, egal ob erwachsen oder jugendlich und in welchem Schweregrad die Zahn- oder Kieferfehlstellung bestand. Da man 1992 aber eine Welle von Erwachsenen, gerade auch aus dem Beitrittsgebiet der neuen Bundesländer fürchtete wurde das Leistungsspektrum eingegrenzt. Fortan sollte eine Behandlung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zumindest begonnen worden sein, um von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden zu können.

Erwachsene Patienten haben seitdem nur die Möglichkeit als Selbstzahler oder mit einer privaten Versicherung kieferorthopädische Leistungen zu bekommen. Eine Ausnahme existiert natürlich für Kieferfehlstellungen, welche eine kombinierte kieferorthopädisch-kieferchirurgische Behandlung notwendig machen. Dabei ist zu beachten, dass die operative Entfernung von Weisheitszähnen, auch wenn diese im Erwachsenenalter zu Zahnfehlstellungen geführt haben keine solche kieferchirurgische Operation ist, sondern damit eine Kieferumstellungsoperation gemeint ist. Spätestens mit Beginn des 21. Jahrhunderts hat sich einiges geändert. Durch die hohen Fallzahlen hat die Industrie viele Alternative Behandlungsmöglichkeiten und technische Neuerungen auf den Markt gebracht.

Die gesetzlichen Krankenkassen jedoch beschränken sich auf das medizinisch Ausreichende. Einige Kieferorthopäden sind jedoch der Ansicht, diese Behandlung sei heute nicht mehr zeitgemäß, da unzureichend. Die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen herausnehmbare und festsitzende Zahnspangen. Letztere bestehen überwiegend aus den Metallstandardbrackets, das sind die kleinen Metallschlösschen, die auf die Zähne geklebt werden. Neuere Bracketwerkstoffe, wie Keramik oder Kunststoff werden nicht übernommen. Das gleiche gilt für Brackets die auf der Rückseite der Zähne, sogenannte Lingualbrackets, angebracht werden und für Brackets die selbstlegierend sind also einen eigenen Schließmechanismus haben um den Draht zu halten und auf elastische Haltelemente wie Gummiringe nicht mehr angewiesen sind. Möchte man als Eltern oder als Patient diese moderneren Alternativen wählen, muss man entweder selbstzahlen oder privatversichert sein. Auch mögliche Alternativen für die doch noch relativ häufig verwendete ungeliebte Außenzahnspange, in der Fachsprache Headgear genannt, werden von der gesetzlichen Krankenkasse nicht übernommen.

Das gilt insbesondere für die neu aufgekommenen kieferorthopädischen Implantate, bei denen Hilfsanker in den Kieferknochen gebohrt werden um eine bestimmte Zahnbewegung durchführen oder verhindern zu können. Ebenso wird die Scharniertechnik, die teilweise sogar Operationen verhindern kann von den Kassen abgelehnt. Kritikern zufolge übersteigen die Operationskosten die Kosten der Scharnierbehandlung jedoch bei weitem. Ein besonderer Meinungsstreit jedoch ist um die Nachbehandlung entbrannt. Während die Krankenkasse der Ansicht ist, dass eine kurze Nachbehandlungszeit mit herausnehmbaren Haltezahnspangen ausreichend ist, meinen die Kieferorthopäden, dass eine festsitzende Variante erforderlich ist. Dazu werden kleine Drähte hinter die Zähne geklebt, die Retainer genannt werden. Diese verbleiben viele Jahre im Mund des Patienten, in nicht wenigen Fällen ist es ratsam diese für immer zu behalten.

Doch eine Kostenübernahme dieser sicheren Haltemethode kommt für die gesetzlichen Krankenkassen nicht in Frage. Immerhin kostet so ein von Eckzahn zu Eckzahn befestigter Retainer von 120 bis 300 Euro je Kiefer. Private Kassen jedoch zahlen diese Möglichkeit ohne zu zögern, wissen sie doch, dass sie damit das Risiko minimieren, dass sich die Zähne wieder verschieben und einer erneute kieferorthopädische Behandlung, die private Krankenkassen ja auch für Erwachsene zahlen, notwendig wird. Von vielen Eltern wird berichtet, dass Kieferorthopäden in diesem Punkt auch Druck auf sie ausüben, liegt diesen doch ein stabiles Langzeitergebnis am Herzen. Nach überwiegender Ansicht der Zahnärzteschaft ist ein solcher Retainer, zumindest für den Unterkiefer, eine sinnvolle Investition. Insgesamt ist eine solche Behandlung sehr kostenintensiv, die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen zunächst 80 Prozent, bei zwei und mehr Kindern gleichzeitig in Behandlung sogar 90 Prozent. Die restlichen 20 bzw. 10 Prozent muss man zunächst selbst bezahlen. Diesen Eigenanteil bekommt man dann von der Kasse erstattet, wenn die Behandlung erfolgreich abgeschlossen wurde. Das ist ca. nach einem Jahr Nachbehandlung der Fall.

Das bedeutet aber auch, dass herausnehmbare Haltespangen, sollten sie verloren gehen oder kaputt gehen, nach Ablauf dieser Zeit nicht mehr aus Kassenkosten repariert oder erneut hergestellt werden können. Spätestens dann stellt sich die Frage, ob man das Risiko erneuter unerwünschter Zahnbewegungen in Kauf nehmen möchte, was insbesondere bei Frauen während einer Schwangerschaft auftreten kann, oder ob man neue Spangen oder einen Haltedraht haben möchte.

Diese Kosten sind dann selbst zu tragen. Seit Jahresbeginn 2002 ist jedoch nicht mehr jede kieferorthopädische Behandlung von der Kasse gedeckt. Denn es wurden die sogenannten Kieferorthopädischen Indikationsgruppen erlassen. Mit diesen beschäftigt sich ein eigener Artikel. Jedoch übernimmt die gesetzliche Krankenkasse nur bei Vorliegen einer Fehlstellung einer höheren Gruppe die Kosten. Sind die Zähne quasi nicht schief genug, sieht die Kasse dies als nicht behandlungsbedürftig an und verweigert die Übernahme der Kosten. Dann muss man sich entweder damit begnügen, kann den Klageweg einschlagen über deren Erfolg jeweils individuell befunden werden muss oder man muss die Kosten selbst tragen. Viele Versicherungsunternehmen der Privatwirtschaft bieten heute schon Zusatzversicherungen für Kieferorthopädische Leistungen an, die man bereits im Kleinkindalter abschließen kann.

Im europäischen und internationalen Vergleich steht die deutsche Vorgehensweise der Krankenkassen gut dar, in Österreich beispielsweise wird wesentlich weniger erstattet, weswegen dort viele Menschen ihre Behandlung erst in ihren Zwanzigern berufsbegleitend absolvieren. Auch in den Vereinigten Staaten von Amerika, dem Mutterland des Zahnpastalächelns ist eine solche Behandlung durchgehend Privatsache und daher auch eine Investition in die Zahngesundheit. Erster Ansprechpartner für eine kieferorthopädische Behandlung ist der Hauszahnarzt, dieser wird seine erste Empfehlung abgeben.

Der Kieferorthopäde ist dann der Experte für die Feindiagnostik und die eigentliche Behandlung. Die Krankenkasse sollte dabei beratend zur Seite stehen. Sonderleistungen, neben Materialien auch Dienstleistungen wie Zahnreinigung, Fluoridierung, Bracketumfeldversiegelung aber auch das indirekte Kleben müssen dann gesondert bezahlt werden. Dafür ist es inzwischen üblich geworden eine Kostenübernahmeerklärung unterschreiben zu müssen.

Durchsuchen Sie Rechtssartikel