Wie läuft das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof ab?


Die Verträge regeln den Ablauf des Verfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union oder dem Gerichts der Europäischen Union nur teilweise. Die restlichen Regelungen finden sich im Protokoll über die Satzung des Gerichtshof der Europäischen Union, in der Verfahrensordnung des Gerichtshof der Europäischen Union und schließlich auch in der Verfahrensordnung des Gerichts der Europäischen Union. Dabei sind die Verfahrensregeln für beide Gerichte weitgehend dieselben. Im Laufe des Jahres 2010 wurden die Verfahrensordnungen neu gefasst. Die Mitgliedstaaten sowie die Organe der Europäischen Union werden vor dem Gerichtshof der Europäischen Union durch einen Bevollma?chtigten vertreten, der fu?r jede Sache bestellt wird. Dabei kann sich der Bevollma?chtigte der Hilfe eines Beistands oder eines Anwalts bedienen. Die Vertragsstaaten des Abkommens u?ber den Europa?ischen Wirtschaftsraum, die nicht Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind, und die im Abkommen genannte U?berwachungsbeho?rde der Europäischen Freihandelsassoziation werden in der gleichen Weise vertreten. Alle anderen Parteien mu?ssen durch einen Anwalt vertreten werden.

Es können nur Anwälte, die berechtigt sind, vor einem Gericht eines Mitgliedstaats oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens u?ber den Europa?ischen Wirtschaftsraum aufzutreten, vor dem Gerichtshof der Europäischen Union als Vertreter oder Beistand einer Partei auftreten. Die vor dem Gerichtshof der Europäischen Union auftretenden Bevollma?chtigten, Beista?nde und Anwa?lte genießen nach Maßgabe der Verfahrensordnung die zur unabha?ngigen Ausu?bung ihrer Aufgaben erforderlichen Rechte und Sicherheiten. Zudem hat der Gerichtshof der Europäischen Union nach Maßgabe der Verfahrensordnung gegenu?ber den vor ihm auftretenden Beista?nden und Anwa?lten die den Gerichten u?blicherweise zuerkannten Befugnisse. Es können allerdings auch Hochschullehrer, die Angeho?rige von Mitgliedstaaten sind und deren Rechtsordnung ihnen gestattet, vor Gericht als Vertreter einer Partei aufzutreten, vor dem Gerichtshof der Europäischen Union auftreten.

Die Verfahrenssprache kann jede Vertragssprache sein. Zur Zeit ist dies also in bulgarischer, dänischer, deutscher, englischer, estnischer, finnischer, französischer, griechischer, irischer, italienischer, lettischer, litauischer, maltesischer, niederländischer, polnischer, portugiesischer, rumänischer, schwedischer, slowakischer, slowenischer, spanischer, tschechischer und ungarischer Sprache möglich. Die Verfahrensordnung des Gerichtshof der Europäischen Union legt dabei fest, welche der Sprachen gesprochen wird. Bei Klagen gegen Organe der Europäischen Union beziehungsweise gegen die Europäischen Union selbst legt der Kläger die Verfahrenssprache automatisch mit seiner Klageschrift fest. In Vorabentscheidungsverfahren ist die Sprache des innerstaatlichen Gerichts, das den Gerichtshof der Europäischen Union anruft, Verfahrenssprache. Auf ordnungsgema?ß begru?ndeten Antrag einer Partei des Ausgangsrechtsstreits kann jedoch nach Anho?rung der Gegenpartei des Ausgangsrechtsstreits und des Generalanwalts die Verwendung einer anderen Sprache in der mu?ndlichen Verhandlung zugelassen werden. Richtet sich die Klage vor dem Gerichtshof der Europäischen Union allerdings gegen einen Mitgliedstaat der in der Rechtsmittelinstanz gegen einen natürliche oder juristische Person eines Mitgliedstaates klagt, dann ist die Amtssprache der Beklagtenseite die Verfahrenssprache.

Das Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union gliedert sich in ein schriftliches und ein mu?ndliches Verfahren. Das schriftliche Verfahren umfasst die U?bermittlung der Klageschriften, Schriftsa?tze, Klagebeantwortungen und Erkla?rungen und gegebenenfalls der Repliken sowie aller zur Unterstu?tzung vorgelegten Belegstu?cke und Urkunden oder ihrer beglaubigten Abschriften an die Parteien sowie an diejenigen Organe der Europäischen Union, deren Entscheidungen Gegenstand des Verfahrens sind. Das Vorabentscheidungsverfahren beginnt mit der Übermittlung der Vorlagefrage des nationalen Gerichts. Diese wird dann den Parteien, den Mitgliedstaaten und der Kommission und unter den in der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union näher bestimmten Voraussetzungen auch der Europäischen Zentralbank, dem Parlament der Europäischen Union und dem Rat zugestellt. Dann innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung können die Genannten Schriftsätze oder Erklärungen einreichen.

Sieht ein vom Rat mit einem oder mehreren Drittstaaten u?ber einen bestimmten Bereich geschlossenes Abkommen vor, dass diese Staaten Schriftsa?tze einreichen oder schriftliche Erkla?rungen abgeben ko?nnen, wenn ein Gericht eines Mitgliedstaats dem Gerichtshof der Europäischen Union eine in den Anwendungsbereich des Abkommens fallende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt hat, dann wird die Entscheidung des Gerichts des Mitgliedstaats, die eine solche Frage entha?lt, auch den betreffenden Drittstaaten zugestellt, die binnen zwei Monaten nach der Zustellung beim Gerichtshof der Europäischen Union Schriftsa?tze einreichen oder schriftliche Erkla?rungen abgeben ko?nnen

Das mu?ndliche Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union umfasst die Verlesung des von einem Berichterstatter vorgelegten Berichts, die Anho?rung der Bevollma?chtigten, Beista?nde und Anwa?lte und der Schlussantra?ge des Generalanwalts durch den Gerichtshof der Europäischen Union sowie gegebenenfalls die Vernehmung von Zeugen und Sachversta?ndigen. Ist der Gerichtshof der Europäischen Union dabei der Auffassung, dass eine Rechtssache keine neue Rechtsfrage aufwirft, dann kann er nach Anho?rung des Generalanwalts beschließen, dass ohne Schlussantra?ge des Generalanwalts u?ber die Sache entschieden wird. Normalerweise wird allerdings nach geheimer Beratung das Urteil in öffentlicher Sitzung verkündet.

Chronologisch lassen sich in Klageverfahren und Vorabentscheidungsverfahren insgesamt fünf Verfahrenabschnitte unterscheiden: Die Verfahrenseinleitung, das schriftliche Verfahren, die mündliche Verhandlung, die Schlussanträge des zuständigen Generalanwalts sowie am Ende die Beratung und die Verkündung des Urteils. Die Rechtssachen des Gerichtshofs der Europäischen Union werden durch den Buchstaben C gekennzeichnet. Dieser steht für Cour. Den Seitenzahlen der Entscheidungen wird in der amtlichen Entscheidungssammlung eine römische Eins vorangestellt. Die Rechtssachen des Gerichts der Europäischen Union werden unter dem Namen T geführt. Dieser steht für Tribunal. Die Seitenzahlen in der amtlichen Entscheidungssammlung werden mit einer römischen Zwei versehen. Die Entscheidungen des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union tragen das Kürzel F und werden lediglich im Internet veröffentlicht und fließen nicht in die Entscheidungssammlung der Europäischen Union ein.

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