Inhalt und Funktion des Schwerbehindertenrechts in Deutschland


Früher war das Schwerbehindertenrecht eine sehr unübersichtliche und auf verschiedene Gesetze verteilte Rechtsmaterie. Glücklicherweise hat das der Gesetzgeber erkannt und Mitte des Jahre 2001 das neunte Buch des Sozialgesetzbuches erlassen. In diesem ist das Schwerbehindertenrecht erstmals geordnet und vollständig kodifiziert. Als schwerbehindert gilt ein Mensch, wenn er aufgrund seelischer, geistiger oder körperlicher Behinderung einen Behinderungsgrad von mindestens 50 Prozent hat. Den Grad der Behinderung und den Grad der Erwerbsfähigkeit stellt auf Antrag das zuständige Versorgungsamt fest. Das Ergebnis wird dem Antragsteller mit einem Bescheid mitgeteilt. Fällt dieser negativ aus, so ist ein Widerspruch möglich. Nach erneuter Begutachtung der Lage wird ein Widerspruchsbescheid erlassen. Hat auch dieser nicht den gewünschten Erfolg, so steht dem Antragsteller die Klage vor dem Sozialgericht offen. Wurde die Behinderung amtlich festgestellt, so wird auch ein entsprechender Behindertenausweis ausgestellt, diese sind oft zunächst auf fünf Jahre befristet. Ab Vollendung des zehnten Lebensjahres müssen sie ein Foto des Behinderten enthalten. Die Feststellung der Schwerbehinderung hat viele rechtliche Folgen. So genießen Schwerbehinderte einen besonderen im Sozialgesetzbuch festgelegten Kündigungsschutz.

Nach der Ende der Probezeit, also nach sechs Monaten, kann dem Arbeitsnehmer mit Schwerbehinderung nur ordentlich oder außerordentlich gekündigt werden, wenn das Integrationsamt zustimmt. Ansonsten ist die Kündigung nicht wirksam, sondern nichtig. Die Integrationsämter werden jeweils von den Bundesländern getragen und finden sich zumeist im Geschäftsbereich der Sozialministerien, im Freistaat Bayern beispielsweise bei den Zentren für Familie und Soziales. Diese fördern und stellen die berufliche Eingliederung von schwerbehinderten Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt sicher, außerdem beraten diese Ämter schwerbehinderte Personen sowie ihre Arbeitgeber bei der Ausplanung und Sicherung der Arbeitsstellen.

Darüber hinaus gewähren die Integrationsämter finanzielle Förderleistungen an Schwerbehinderte und Firmen die diese beschäftigen oder beschäftigen möchten. Schwerbehinderte genießen auch einen größeren Urlaubsanspruch, so stehen ihnen eine Woche, also fünf Tage mehr Urlaub pro Kalenderjahr zu. Schwerbehinderte haben ferner die Möglichkeit, bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen früher in Rente zu gehen. Wer vor 1952 geboren wurde, kann bei Vorliegen von Schwerbehinderung bereits mit 60 Jahren in den Ruhestand treten. Auch im Bereich des Steuerrechts kommen schwerbehinderten Menschen Vergünstigungen entgegen. Mehraufwendungen sind oft steuerlich absetzbar. Am besten ist man beraten, wenn man mit allen Quittungen und Belegen den Steuerberater seines Vertrauens konsultiert. Daneben wird eine ganze Menge dafür getan, dass schwerbehinderte Mitbürgerinnen und Mitbürger ins Arbeitslieben „inkludiert“ werden.

Im Rahmen dieser Inklusion sind Arbeitgeber mit mindestens 20 Beschäftigten verpflichtet mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze für Schwerbehinderte offen zu halten. Tun sie das nicht ist eine Geldpauschale fällig. Dem Schwerbehinderten selbst erwächst aus dieser Vorschrift allerdings kein Einstellungsanspruch. Schwerbehinderte die bereits in einem Arbeitsverhältnis stehen haben Anspruch darauf, dass ihnen, im Rahmen des Möglichen und vertretbaren ein ihnen gerechter Arbeitsplatz in ihrem Betrieb oder ihrer Behörde eingerichtet wird. Die Arbeitgeber leisten damit einen großen Beitrag zur Integration behinderter Menschen in den Arbeitsmarkt. Daneben gibt es eine große Anzahl an Trägern die eigene Behindertenwerkstätten unterhalten. In diesen Werkstätten sind die Arbeitsplätze behindertengerecht und es wird eine Vielzahl von Aufgaben erfüllt.

Gerade im Bereich der Daten- und Aktenvernichtung, in Großküchen und in Wäschereien werden Aufträge auch aus der Privatwirtschaft erfüllt. Um in Betrieben den Belangen der schwerbehinderten Mitarbeiter gerecht zu werden, wählen diese einen Schwerbehindertenbetriebsrat. Wird man bei einem Bewerbungsgespräch übrigens nach seiner Schwerbehinderteneigenschaft gefragt, darf man, wenn man darauf nicht antworten möchte oder man die Nichteinstellung befürchtet, ohne Konsequenzen mit „nein“ antworten, auch wenn das nicht der Wahrheit entspricht. Neben dem Berufsleben wird auch in der Ausbildung viel für Schwerbehinderte unternommen. Es gibt zahlreiche Schulen und Berufsschulen für Behinderte. Eine wichtige Aufgabe der Inklusion, also der Miteinbeziehung Behinderter in den gesellschaftlichen Alltag wird auch die gemeinsame Beschulung mit nicht behinderten Schülern in der Regelschule sein.

Dafür werden heute Schulen behindertengerecht ausgelegt und entsprechendes Unterstützungspersonal eingestellt. Auch die Universitäten und Fachhochschulen stellen sich auf die behinderten Kommilitonen ein. Durch Beratungen und Planungsgespräche im Vorfeld kann versucht werden, dass schwerbehinderte Menschen ganz normal die Vorlesungen und Seminare besuchen können und auf diese Weise ihren Hochschulabschluss oder ihr Staatsexamen ablegen können. Aus diesem Grund hält jede Universität besondere Angebote für ihre Studierende mit Behinderungen vor. Diese reichen von spezieller Beratung über Ruheräume bis hin zu Integrationssport, wie Rollstuhlbasketball oder Integrationstanz.

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