Wie werden Willenserklärungen ausgelegt?


Gibt eine Person eine empfangsbedürfte Willenserklärung ab und ist diese undeutlich oder unbestimmt, dann muss diese ausgelegt werden, um Grundlage von Rechtsfolgen zu sein.

Eine Willenserklärung wird nach zwei wesentlichen Gesichtspunkten ausgelegt, nämlich nach dem Empfängerhorizont und nach dem Willen des Abgebenden. Hierbei muss beachtet werden, dass die Auslegung nach dem Empfängerhorizont mit einzelnen Ausnahmen immer Vorrang vor der Auslegung nach dem Willen des Abgebenden hat. Somit wird Rechtssicherheit gewahrt.

Auslegung nach dem Empfängerhorizont

Bei der Auslegung nach dem Empfängerhorizont muss nach Abgabe der Willenserklärung überprüft werden, wie der Empfänger die Erklärung des Abgebenden zu werten hatte. Dabei müssen die konkreten Begebenheiten, wie zum Beispiel Inhalt, Ort und Zeit der Abgabe an den Empfänger beachtet werden.

Beispiel: Der Autohändler A will dem B ein Auto verkaufen. Er steht neben einem gebrauchten Auto, auf dem ein Kaufpreis von 2.000 Euro steht. Er fragt den B, ob er ihm das Auto für 2.000 Euro abkaufen möchte. B bejaht dies unter der Annahme, es handele sich um das Auto, das neben dem A steht. A hingegen meinte das Auto, das in seiner Garage steht. B konnte in dieser konkreten Situation annehmen, dass es sich um das Auto, das neben dem A stand, handele und er diesem dieses für 2.000 Euro verkaufen wollte. Die Willenserklärung des A wird also dahingehend ausgelegt, dass er ein Kaufangebot für den neben ihm stehenden Wagen abgegeben hat.

Weiterhin müssen auch personenspezifische Besonderheiten bei der Auslegung berücksichtig werden. So gibt es einige Begriffe, die je nach Personengruppe eine andere Bedeutung haben. So bedeutet das Wort „Koks“ für den Drogendealer etwas anderes, als für den Kohlelieferanten“ oder „Kohle“ für diesen etwas anderes als für einen Dieb. Diese Besonderheiten müssen im Wege der Verkehrssitte und durch Treu und Glauben Berücksichtigung in der Auslegung einer Willenserklärung finden.

Auslegung nach dem Willen des Abgebenden

Nur ausnahmsweise spielt der wirkliche Wille des Abgebenden eine Rolle. Würde man diesem zu viel Bedeutung zumessen, dann würde die Gefahr der Rechtsunsicherheit bestehen, denn dann käme es nur noch sekundär auf den wirklichen Inhalt der Willenserklärung an und der Empfänger wäre nicht geschützt. Die Auslegung einer Willenserklärung nach dem Willen des Abgebenden spielt vor allem im Erbrecht bei der Testamentserstellung eine wesentliche Rolle. Dort ist der Empfängerhorizont von untergeordneter Rolle und das Testament wird überwiegend, wenn es mehrdeutig oder unklar ist, dahingehend überprüft, was der Testamentsersteller wirklich wollte.

Der Grund dafür ist die Tatsache, dass der Wille des Erblassers geschützt werden soll, schließlich geht es bei einem Testament um eine höchstpersönliche, den letzten Willen des Erblassers, betreffende Willenserklärung. Schwierigkeiten ergeben sich dort häufig, weil der Wille des Testamentserstellers meist nicht mit Sicherheit aufgeklärt werden kann, weil dieser bereits verstorben ist und demnach nicht mehr gefragt werden kann. Dort muss dann durch anderweitige Recherche, zum Beispiel durch Befragung der nahestehenden Personen oder Aufklärung der Familiensituation, der wirkliche Wille ermittelt werden, falls keine gesetzlichen Auslegungsregeln anwendbar sind.

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