Die Neuheitsschädlichkeit älterer Patentanmeldungen


Einleitung

Der Inhalt einer Patentanmeldung gehört jedenfalls dann in jeder Hinsicht zum Stand der Technik, wenn er vor dem Stichtag - dem Tag der späteren Patentanmeldung - der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Unter bestimmten Voraussetzungen kann er jedoch der Neuheit einer Erfindung auch dann entgegenstehen, wenn er erst nach dem Stichtag veröffentlicht wurde. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn die Anmeldung ihrem Zeitrang nach älter ist als diejenige, deren Patentierbarkeit beurteilt werden soll. Diese Erweiterung des Standes der Technik hat jedoch keine Auswirkungen auf die Frage, ob die Erfindung auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht oder nicht.

Neuheitsschädliche Anmeldungen im Einzelnen

Sowohl nach nationalem Recht als auch nach Europarecht erfolgt die Einbeziehung einer Anmeldung in den Stand der Technik, über den die Neuheit einer jüngeren Anmeldung entscheidet, nur, wenn und soweit mit beiden Anmeldungen Schutz für denselben örtlichen Bereich begehrt wird. Daraus folgt, dass gegenüber einer zur Erteilung eines deutschen Patents beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldeten Erfindung als neuheitsschädliche Anmeldungen zum einen nationale Patentanmeldungen beim Deutschen Patent- und Markenamt in Betracht kommt. Zum anderen können auch europäische Anmeldungen gegenüber einer jüngeren Anmeldung neuheitsschädlich wirken. Dies ist allerdings nur dann der Fall, wenn die europäische Anmeldung die Bundesrepublik Deutschland benennt und die Benennungsgebühr für sie bezahlt wurde. Schließlich können auch internationale Anmeldungen besagte Wirkung haben. Dazu muss allerdings das Deutsche Patent- und Markenamt das Bestimmungsamt sein.

Deutsche Gebrauchsmusteranmeldungen oder nationale Schutzrechtsanmeldungen im Ausland können gegenüber jüngeren Anmeldungen keinesfalls neuheitsschädlich wirken. Europäischen Anmeldungen können lediglich solche ebenfalls europäische Anmeldungen entgegenstehen, in denen dieselben Vertragsstaaten benannt sind. Zu beachten ist, dass internationale Anmeldungen, für die das Europäische Patentamt als Bestimmungsamt tätig wird, den europäischen Anmeldungen gleichgestellt sind. Durch ältere nationale Anmeldungen, die die entsprechenden Vertragsstaaten benennen, ist das Europäische Patentamt hingegen nicht an der Erteilung eines Patents gehindert. Die patenthindernde Wirkung solcher älteren nationalen Anmeldungen kann jedoch nach der Erteilung des europäischen Patents gemäß der im nationalen Recht jeweils vorgesehen Verfahren geltendgemacht werden. In der Bundesrepublik Deutschland ist dieses Vorgehen mittels einer Nichtigkeitsklage möglich. Internationale Anmeldungen werden gegenüber deutschen und europäischen Anmeldungen nur dann in den Stand der Technik einbezogen, wenn sie fristgerecht dem Deutschen Patent- und Markenamt in deutscher Sprachen beziehungsweise dem Europäischen Patentamt als Bestimmungsamt in einer seiner Amtssprachen vorliegen.

Außerdem muss die nach dem Patent Cooperation Treaty zu entrichtende nationale beziehungsweise regionale Gebühr bezahlt worden sein. Diese Voraussetzungen finden auch dann Anwendung, wenn eine an das Europäische Patentamt als Bestimmungsamt gerichtete internationale Anmeldung, die die Bundesrepublik Deutschland als Bestimmungsstaat benennt, einer deutschen Anmeldung als ältere europäische Anmeldung entgegengehalten wird. In diesen besonderen Erfordernissen kommt der Grundsatz zum Ausdruck, dass nur diejenigen älteren Anmeldungen neuheitsschädlich wirken sollen, die formal dazu geeignet sind, in dem oder einem von der jüngeren Anmeldung betroffenen Land Schutz zu erlangen.

Abhängig ist die Einbeziehung der älteren Anmeldungen in den Stand der Technik davon, dass sie nachträglich entsprechend der einschlägigen Vorschriften betreffend das Verfahren der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Bei deutschen Anmeldungen geschieht die Öffentlichmachung durch die sogenannte Offenlegung. Bei europäischen und internationalen Anmeldungen erfolgt die Öffentlichmachung hingegen durch die Veröffentlichung. Im Rahmen von deutschen Anmeldungen, die aus Gründen des Staatsschutzes nicht veröffentlicht werden, ist zu beachten, dass diese mit Ablauf von 18 Monaten nach ihrer Einreichung als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht gelten. Durch die Offenlegung beziehungsweise durch die Veröffentlichung wird der gesamte Offenbarungsinhalt der älteren Anmeldung in den neuheitsschädlichen Stand der Technik einbezogen. Die Einbeziehung erfolgt dabei rückwirkend auf das Anmelde- oder Prioritätsdatum der älteren Anmeldung. Maßgebend für die Einbeziehung ist grundsätzlich die ursprünglich eingereichte Fassung. Dies gilt selbst dann, wenn diejenige Fassung, die später der Öffentlichkeit durch Veröffentlichung oder Offenlegung zugänglich gemacht wird, von der ursprünglichen Fassung abweicht.

Etwas anderes gilt für den Fall, dass der ältere Zeitrang der Anmeldung auf einer Voranmeldung beruht, deren Priorität in Anspruch genommen wurde. Hier bestimmt das Patentgesetz, dass der Inhalt der Anmeldung nur insoweit in den neuheitsschädlichen Stand der Technik einbezogen wird, als er nicht über den Inhalt der Voranmeldung hinausgeht. Für europäische Anmeldungen gelten diese Ausführungen mit Rücksicht auf die Bestimmungen des Europäischen Patentübereinkommens entsprechend. Der Teil des Inhalts der Anmeldung, der über denjenigen der Voranmeldung hinausgeht, wird er mit ihrem Anmeldedatum zum Stand der Technik gezählt. Im umgekehrten Fall, dass der Inhalt der Anmeldung nicht so weitgehend ist wie derjenige der prioritätsbegründenden Voranmeldung, gehört der weitergehende Offenbarungsinhalt entsprechend nicht zum Stand der Technik.

Die Rückwirkung der Veröffentlichung beziehungsweise der Offenlegung kann nur dann eintreten, wenn die Anmeldung in diesem Zeitpunkt noch anhängig ist. Wurde die Anmeldung bereits vor der Veröffentlichung beziehungsweise der Offenlegung zurückgezogen, so ist wird der Inhalt der Anmeldung erst im Zeitpunkt der Veröffentlichung beziehungsweise der Offenlegung zum Stand der Technik. Eine Rücknahme der Anmeldung nach der Veröffentlichung beziehungsweise Offenlegung ist für die Einbeziehung in den Stand der Technik ohne Bedeutung. Gleiches gilt für die Frage, die Anmeldung zur Erteilung eines Patents führt oder nicht.

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