MT Patent: Abgrenzung zwischen Erfindung und Entdeckung


Erfindung und Entdeckung

Defintion und Abgrenzung

Sowohl nach der Vorschriften des Patentgesetzes als auch nach denen des Gebrauchsmustergesetzes sowie denen des Europäischen Patentübereinkommens werden Entdeckungen nicht als Erfindungen im Sinne des Patent- und Gebrauchsmusterrechts angesehen. Daraus folgt, dass für Entdeckungen auch kein Schutz als Erfindung erlangt werden kann. Diese Regelungen entsprechen zum einen hergebrachten Grundsätzen. Zum anderen folgt dies auch aus der Definition der Erfindung, die ja eine Handlungsanweisung voraussetzt. Unter dem Begriff der Entdeckung ist das Auffinden oder Erkennen bisher unbekannter, aber objektiv in der Natur bereits vorhandener Gesetzmäßigkeiten, Wirkungszusammenhänge, Eigenschaften und Erscheinungen zu verstehen. Sie bringt objektiv nichts Neues hervor. Aus diesem Grund wird sie überwiegend auch nicht als schöpferisch angesehen. Jedoch kann für sie nicht deshalb kein Schutz durch Patent und Gebrauchsmuster erlangt werden, weil die ihr zugrundeliegende geistige Leistung grundsätzlich geringer einzuschätzen wäre als diejenige eines Erfinders. Der Ausschluss von diesem Schutz würde eine zeitweilige Monopolisierung bedeuten.

Dagegen bestehen aber Bedenken, weil durch den Schutz einer Entdeckung durch Patent oder Gebrauchsmuster dann etwas, was bereits vorhanden ist, dem Gebrauch und dem Nutzen der Allgemeinheit entzogen würde. Dieses Argument ist jedoch wenig stichhaltig. Oftmals ist es nämlich so, dass die Entdeckung ohne die Leistung des Entdeckers ebenfalls dem Gebrauch und dem Nutzen der Allgemeinheit nicht zugänglich wäre. Ausschlaggebend ist daher letzten Endes die Befürchtung einer zu breiten, entwicklungshemmenden Schutzwirkung. Dies zeigt sich auch in den Unterscheidungsmerkmalen von Erfindung und Entdeckung. Eine Erfindung ist die zweckgerichtete Lösung eines bestimmten Problems mit technischen Mitteln. Sie ist angewandte Erkenntnis, während die Entdeckung sich als reine Erkenntnis darstellt. Durch den konkreten Anwendungsbezug bezüglich der Erfindung ist es gewährleistet, dass die Ausschlusswirkung von Patent und Gebrauchsmuster begrenzbar bleibt. Ein anschauliches Beispiel für eine Entdeckung ist die Erkenntnis, dass metallischem Selen im Dunkeln die elektrische Leitfähigkeit fast völlig fehlt. Unter entsprechendem Lichteinfall wächst sie jedoch beträchtlich. Die Entdeckung in einer solch abstrakten Fassung kann allerdings nicht patentiert werden. Erst ihre Anwendung in Belichtungsmessern oder Lichtschranken ist als Erfindung dem Schutz durch Patent oder Gebrauchsmuster zugänglich. Oft bildet in solchen Fällen - so auch hier - die Entdeckung die Grundlage einer oder mehrerer Erfindungen.

Zu beachten ist allerdings, dass auch in solchen Fällen eine Patentierung unter Umständen an einer anderen Hürde scheitern kann. Werden nämlich Entdeckungen, die der Öffentlichkeit bereits zugänglich sind, in konkreten Problemlösungen umgesetzt, so kann der Schutz durch ein Patent gegebenenfalls mit dem Hinweis darauf verwehrt werden, dass die Lösung für einen Fachmann, der von der Entdeckung Kenntnis hat, nahelag. Im Rahmen des obigen Beispiels (Selen) kann dies dann der Fall sein, wenn eine in einen Stromkreis eingefügte Selenzelle zur lichtabhängigen Beeinflussung eines Schalters, Relais oder Zeigers benutzt wird. Ein weiteres Beispiel ist die Benutzung der Nord-Süd-Richtung einer drehbar gelagerten Magnetnadel in einem Kompaß. Der für den Schutz durch ein Gebrauchsmuster erforderliche erfinderische Schritt kann hier eventuell fehlen. Für einen Entdecker scheint es daher ratsam zu sein, wenn er praktische Anwendungen seiner Erkenntnis nicht zuerst der Öffentlichkeit zugänglich macht. Vielmehr sollte er sie vor der Veröffentlichung zum Patent oder zum Gebrauchsmuster anmelden. Zu beachten ist dann allerdings, dass der entsprechende Schutz nur für diejenigen Anwendungsmöglichkeiten erlangt werden kann, die von ihm in einer Art offenbart werden, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Außerdem mag der Entdecker bestrebt sein, sich den Schutz für möglichst viele Anwendungen seiner Entdeckung zu sichern. Diesem Begehren sind jedoch durch das Konkretisierungsgebot Grenzen gesetzt.

Die willkürliche Herstellung der Bedingungen für das Hervortreten einer Erscheinung oder Gesetzmäßigkeit

Oft will eine Person im konkreten Fall gar nicht die tatsächlich erlangte Erkenntnis erzielen. Trotzdem kommt es in solchen Fällen doch recht häufig vor, dass etwas entdeckt wird, weil die Bedingungen für das Hervortreten einer Erscheinung oder Gesetzmäßigkeit der Natur geschaffen wurden. In einem solchen Zusammenhang ist die Frage zu stellen, ob in der willkürlichen Herstellung der betreffenden Bedingungen eine Erfindung zu sehen ist. So ist es zum Beispiel bei Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung so, dass die Versuchsanordnung, mit deren Hilfe eine Naturerscheinung oder Gesetzmäßigkeit erstmals erkannt wurde, die Erfindung einer Vorrichtung oder eines Verfahrens zu deren planmäßiger Hervorrufung oder Nutzung darstellen kann. Im Fall der Entdeckung der Röntgenstrahlen - also der Entdeckung, dass eine bestimmte Vorrichtung elektromagnetische Wellen aussendet, die von lichtundurchlässiger Materie verdeckte Körper auf einem Bildschirm sichtbar machen - war wohl zugleich die Erfindung eines Geräts zur praktischen Anwendung dieses Effekts gemacht.

Daher wäre hier der Schutz durch ein Patent sicher möglich gewesen. Die reine Erkenntnis jedoch, dass bestimmte Wellen lichtundurchlässige Körper durchdringen, musste in jedem Falle frei bleiben. Eine bloße Entdeckung stellt es dar, wenn allein erkannt wird, dass beim Gebrauch schon bekannter Erzeugnisse oder Verfahren unweigerlich weitere, bisher nicht beachtete Wirkungen auftreten. Diese Entdeckung kann für sich nicht den Schutz durch Patent oder Gebrauchsmuster erlangen. Dem Schutz des Erzeugnisses oder des Verfahrens steht dann nämlich der Mangel an Neuheit entgegen.

Dieser Mangel ist jedoch dann nicht mehr gegeben, wenn im Rahmen der Entdeckung eines Effekts, der bisher nur sporadisch aufgetreten ist, herausgefunden wird, wie die bekannten Mittel eingesetzt werden müssen, um die entdeckte Wirkung planmäßig und reproduzierbar zu erzielen. Um dies zu erreichen, muss nämlich zumindest die bisher gebräuchliche Variationsbreite der Ausgangsbedingungen im Hinblick auf besagte Wirkung eingeschränkt werden. Dies kann bereits durch eine gezielte Sondierung der Fälle, in denen die neu erkannte Wirkung herbeigeführt wird, geschehen. Hierin ist dann eine neue Lehre zum technische Handeln zu sehen. Diese wiederum kann dann geschützt werden, wenn sie für den Fachmann nicht naheliegend war. Werden vorbekannte Mittel verändert und somit deren Eignung für den neu erkannten Verwendungszweck gesteigert, so gilt dies natürlich erst recht.

Im Rahmen von Ansprüchen auf die Verwendung bekannter Stoffe zu einem bestimmten Zweck, der auf einer in der Anmeldung offenbarten, nicht bereits bekannten technischen Wirkung beruht, sieht die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts die Angabe dieser Wirkung als neues technisches Merkmal an. Im konkreten Fall ging es um ein Mittel zur Beeinflussung des Wachstums von Pflanzen. Hier wurde bestätigt, dass die Verwendung eines als Mittel zur Beeinflussung des Wachstums von Pflanzen bekannten Stoffes zur Behandlung von Pflanzen gegen Pilzbefall als neu angesehen wird. Dies ist insofern erstaunlich, als dass sich bereits bei der bekannten Verwendung eine Schutzwirkung gegen Pilze ergab und die konkrete Art der Verwendung die gleiche blieb. Dieses Ergebnis kann mit der Überlegung gerechtfertigt werden, dass jetzt eine gezielte Behandlung von Pflanzen und Gegenständen, die von Pilzbefall bedroht sind, möglich war.

In einem weiteren Fall vor der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts wurde die bei der Verwendung eines dem Schutz eisenmetallischer Bauteile vor Korrosion dienenden Schmiermittelzusatzes zwangsläufig eintretende reibungsverringernde Wirkung als neues technisches Mermal anerkannt. Dies kam daher, dass diese Wirkungen bei der bekannten Art der Verwendung nicht klar genug zu Tage getreten sind. Dieses Ergebnis gibt jedoch Anlass zu Bedenken. Je nach Lagerung des konkreten Falles erscheint eine Unterscheidung des herkömmlichen von dem neuen Verwendungszweck nämlich nicht praktikabel. Ein auf die neue Verwendung erteiltes Patent kann so unter Umständen die hergebrachte Verwendung bedrohen. In einer aktuelleren Entscheidung wurde der Schutz der als neu beanspruchten Verwendung hingegen davon abhängig gemacht, dass diese nicht zwangsläufig mit der bereits bekannten Verwendung zusammenhängt und sich daher klar von ihr unterscheiden lässt. Es fehle nämlich dann die Neuheit, wenn ein Anspruch auf die Verwendung eines bekannten Stoffes für einen bekannten nichtmedizinischen Zweck gerichtet sei. Dies gelte selbst dann, wenn im Anspruch eine neu entdeckte technische Wirkung angegeben sei, die allerdings bereits der bekannten Erfindung zugrunde liege.

Ähnliche Artikel

Durchsuchen Sie Rechtssartikel