Patent: Was sind Parallelerfindungen und wie erfolgt die Anmeldung?


Einleitung

Neue technische Aufgaben werden in erster Linie durch die Entwicklung der Technik und der praktischen Bedürfnisse gestellt. So kommt es in der Praxis nicht selten vor, dass zur selben Zeit mehrere unabhängig voneinander agierende Fachleute oder Teams um die Lösung derselben Aufgabe bemüht sind. Es ist durchaus möglich, dass dabei verschiedene Lösungen derselben Aufgabe zu Tage gebracht werden. Aufgrund eines bestehenden bestimmten Rahmens von Prinzipien und Sachzwängen ist es jedoch häufig auch so, dass mehrere Lösungen derselben Aufgabe miteinander übereinstimmen. So kann es vorkommen, dass mehrere Erfinder unabhängig voneinander dieselbe patent- oder gebrauchsmusterfähige Lehre zum technischen Handeln zur Lösung einer Aufgabe erarbeiten.

Zwar liegen in solchen Fällen mehrere Akte der Erfindung vor. Sie sind jedoch inhaltsgleich und insoweit einheitlich. In Abgrenzung zu einer gemeinschaftlichen Erfindung mehrerer Miterfinder wird in dieser Konstellation für gewöhnlich von Doppel- oder Mehrfacherfindungen gesprochen. Es mag jedoch vorzugswürdig erscheinen, hier von Parallelerfindungen zu sprechen. So kann deutlich gemacht werden, dass nicht lediglich mehrere Erfindungsakte vorliegen, sondern dass diese zudem auch von unterschiedlichen, getrennt arbeitenden Personen(mehrheiten) getätigt wurden. Das allgemeine Interesse am technischen Fortschritt ist bereits dann befriedigt, wenn eine bestimmte technische Problemlösung erstmalig erreicht wurde und dieses Wissen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Derjenige, der dieselbe Erfindung ein weiteres Mal tätig, scheint nicht mehr belohnungswürdig. Dies gilt, obwohl sein Einfallsreichtum und sein Arbeitseinsatz, um zur Erfindung zu gelangen, nicht geringer als diejenigen des ersten Erfinders gewesen sein müssen. Dennoch ist nur für einen der Parallelerfinder möglich, seine Erfindung durch ein Patent oder Gebrauchsmuster zu schützen. Im Konfliktfall wird im deutschen Recht das Schutzrecht demjenigen zugesprochen, der seine Erfindung zuerst anmeldet. Im europäischen Patentrecht wird ebenso verfahren.

Daraus folgt, dass die Priorität der Erfindung - die Reihenfolge der Erfindungsakte - diesbezüglich nicht ausschlaggebend ist. Entscheidend ist die Priorität der Anmeldung. Der erste Anmelder erlangt somit den Vorzug gegenüber allen späteren Anmeldern. Dies gilt auch dann, wenn der erste Anmelder seine Erfindung eventuell später getätigt hat als die anderen Anmelder. In dieser Handhabung liegt ein wesentlicher Unterschied zum Patentrecht der Vereinigten Staaten von Amerika. Hier kommt es nämlich ausschließlich auf die Priorität der Erfindung - nicht diejenige der Anmeldung - an. Jedoch hat die deutsche und europarechtliche Regelung erhebliche Vorteile. Zum einen ist ein mitunter schwierig zu führender Nachweis bezüglich des Zeitpunktes der Erfindung nicht notwendig. Außerdem wird dem Gedanken Rechnung getragen, dass der Schutz durch Patent oder Gebrauchsmuster nicht zuletzt um der Offenbarung der Erfindung Willen gewährt wird. Im amerikanischen System besteht jedoch der Anreiz, mit der Anmeldung einer Erfindung so lange zu warten, bis ein anderer die Erfindung anmeldet und dann zu versuchen, die Priorität der Erfindung nachzuweisen.

Die Wirkung der Veröffentlichung der Erstanmeldung einer Erfindung

Zwar kann letzten Endes nur einer der beiden oder mehreren parallelen Erfindungsakte zu einem rechtsbeständigen Schutzrecht führen. Zunächst entsteht dennoch für jeden einzelnen der Parallelerfinder ein selbständiges Recht auf den Schutz der getätigten Erfindung. Dies wird jedoch aus den gesetzlichen Regelungen im Patentgesetz, im Gebrauchsmustergesetz und im Europäischen Patentübereinkommen nicht hinreichend deutlich. Die gesetzliche Regelung ist auf den ersten Blick auch einer dahingehenden Interpretation zugänglich, dass das Recht auf den Schutz der getätigten Erfindung erst mit der Anmeldung der Erfindung eben für ein Schutzrecht entstehe. Diese Interpretation stünde jedoch im Widerspruch zum Erfinderprinzip. Dennoch ist die Anmeldung der Erfindung nicht gänzlich ohne rechtliche Wirkung. Durch sie wird namentlich eine Veränderung der zuvor noch gleichrangigen Rechte bewirkt. Durch die Anmeldung wird das Recht, für dessen Inhaber sie eingerichtet wird, stabilisiert. In der Folge ist es regelmäßig so, dass die übrigen Rechtsinhaber ihre Rechte verlieren. Nun lässt der Wortlaut der gesetzlichen Regelung im Patentgesetz vermuten, dass besagte Wirkung bereits mit der Anmeldung der Erfindung zu einem Schutzrecht eintritt. Dem ist freilich nicht so. Im Europäischen Patentübereinkommen findet sich vielmehr eine diesbezügliche Klarstellung.

Demnach hängt die rechtsvernichtende Wirkung der Anmeldung beim Recht auf das Patent zusätzlich davon ab, dass eine Veröffentlichung der Erstanmeldung erfolgt. Erst die Veröffentlichung der Erstanmeldung führt dazu, dass ihr Inhalt von dem für ihren Zeitrang maßgebenden Tag an als Stand der Technik gilt. Auf diese Weise wird verhindert, dass für die gleiche Erfindung aufgrund einer später, wenn auch vor der Veröffentlichung eingereichten Anmeldung für einen Parallelerfinder oder dessen Rechtsnachfolger Patentschutz erlangt. Die anderen Parallelerfinder haben erst dann wieder die Möglichkeit für ihre Erfindung ein Schutzrecht zu erlangen, wenn die Erstanmeldung vor ihrer Veröffentlichung zurückgenommen oder zurückgewiesen wird. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Patentierbarkeit oder Gebrauchsmusterfähgikeit der Erfindung inzwischen anderweitig entfallen ist.

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