Anwendungsbereich der Wettbewerbsregeln und Kollision mit nationalem Wettbewerbsrecht


Der sachliche Anwendungsbereich der Wettbewerbsregeln der Europäischen Union umfasst begriffsnotwendig den gesamten Binnenmarkt der Europäischen Union. Dabei werden alle Wirtschaftsbereiche erfasst, außer die Verträge stehen dem entgegen. Dies ist beispielsweise für die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse und der Handel mit diesen der Fall, wenn dies durch einen Sekundärrechtsakt angeordnet wird. Entscheidend für den territorialen Anwendungsbereich der Wettbewerbsregeln der Europäischen Union ist der Sitz der Unternehmen. Fällt dieser in den Geltungsbereich der Europäischen Union, werden die Wettbewerbsregeln der Europäischen Union angewandt, auch wenn die Maßnahme außerhalb der Territorien der Mitgliedstaaten getroffen wurde. Auf der anderen Seite werden auch unabhängig vom Sitz des Unternehmens Maßnahmen erfasst, welche tatbestandliche Auswirkungen auf den Binnenmarkt der Europäischen Union haben. Maßnahmen von einem Unternehmen mit Sitz außerhalb der Europäischen Union, die sich auch nicht direkt auf den Binnenmarkt der Europäischen Union auswirken, werden trotzdem erfasst, wenn die potentiell tatbestandliche Handlung Auswirkungen auf den Binnenmarkt zeigt.

Die Vorschriften über den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung und des Kartellverboten finden unmittelbare Anwendung in den Mitgliedstaaten. Das bedeutet, dass die entsprechenden Vorschriften von den nationalen Gerichten und Behörden anzuwenden sind. Dies gilt wegen des Prinzips des Vorrangs von Rechtsakten der Europäischen Union auch dann, wenn der Anwendungsbereich der nationalen Wettbewerbsvorschriften eröffnet ist. Für den Fall, dass doch das nationale Wettbewerbsrechts zur Anwendung kommt, darf dieses nicht zu einem gegenüber den unionalen Wettbewerbsregeln strengeren Kontrollsystem bezüglich der Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen und auf einander abgestimmten Verhaltensweisen führen. Dadurch wird eine Harmonisierung des unionsweiten Wettbewerbsrechts angestrebt. In Bezug auf die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen dürfen die Mitgliedstaaten nicht ihr nationales Wettbewerbsrecht auf die Zusammenschlüsse, die von Bedeutung für die Europäische Union sind, anwenden.

Um eine gute Zusammenarbeit zwischen den nationalen Wettbewerbsbehörden und der Kommission der Europäischen Union zu gewährleisten, wurde ein sogenanntes Netzwerk der Kommission mit den nationalen Wettbewerbsbehörden errichtet. Die Tatsache, dass die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts, wie grundsätzlich das gesamte Recht der Europäischen Union, von den jeweiligen Mitgliedstaaten durchgesetzt werden muss, birgt die Gefahr einer uneinheitlichen Anwendung in sich. Die Kommission selbst beschränkt ihr Handeln zumeist auf schwerwiegende Wettbewerbsverstöße. Die nationalen Gerichte und Wettbewerbsbehörden dürfen jedoch keine Maßnahmen treffen, die einer Entscheidung der Kommission zuwiderläuft. Das sogenannte Europäische Wettbewerbsnetz ist als Diskussionsforum und Kooperationsforum ausgestaltet und basiert auf dem gegenseitigen Informationsaustausch.

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