Das aktive und passive Wahlrecht der Unionsbürger


Kommunalwahlrecht

Jeder Unionsbürger mit Wohnsitz in einem fremden Mitgliedstaat hat sowohl das aktive (Wahlberechtigung) als auch das passive Wahlrecht (Wählbarkeit) bei Kommunalwahlen. Kommunalwahlen sind die allgemeinen, unmittelbaren Wahlen, die darauf gerichtet sind, die Mitglieder der Vertretungskörperschaft und gegebenenfalls den Leiter und die Mitglieder des Exekutivorgans einer lokalen Gebietskörperschaft zu bestimmen, die für die Verwaltung örtlicher Angelegenheiten unter eigener Verantwortung zuständig sind. In der Bundesrepublik Deutschland sind davon vor allem Wahlen in kreisfreien Städten, Stadtkreisen, Kreisen und Gemeinden betroffen. Durch dieses Bürgerschaftsrecht wird die Gleichbehandlung von ausländischen Unionsbürgern mit eigenen Staatsangehörigen sichergestellt. Seit 1. Januar 1996 besitzt jeder Unionsbürger ein einklagbares Recht auf Teilnahme an Kommunalwahlen.

Dieses Recht steht allerdings im Spannungsverhältnis zu der dem Demokratieprinzip innewohnenden Souveränität des jeweiligen Staatsvolkes. Alle Staatsgewalt geht vom deutschen Volke aus. Wegen des festgelegten Homogenitätsprinzips gilt dies auch in den Bundesländern. Wählen also ausländische Unionsbürger beispielsweise einen deutschen Gemeinderat, stellt dies ein Verstoß gegen diese Regelungen dar. Um dieses Spannungsverhältnis zu lösen wurde die Regelung dergestalt abgewandelt und für nichtdeutsche Unionsbürger geöffnet, dass nun auch fremde Unionsbürger an Kommunalwahlen teilnehmen dürfen.

Wahlrecht zum Europäischen Parlament

Jeder Unionsbürger hat in seinem Wohnsitzstaat, dessen Staatsangehöriger er nicht ist, bei Wahlen zum Europäischen Parlament das aktive und passive Wahlrecht ein. Dies wird zu denselben Bedingungen, die für die Angehörigen des Mitgliedstaates gelten, ausgeführt. Das Wahlrecht zum Europäischen Parlament im eigenen Mitgliedstaat ist zwar nicht ausdrücklich geregelt, wird aber vorausgesetzt. Die einzelne Ausformung des Wahlrechts in den jeweiligen Mitgliedstaaten bleibt diesen selbst überlassen. So können beispielsweise auch Staatsangehörige, die in einem Drittstaat leben, zu den Wahlen zugelassen werden.

Petitions- und Beschwerderecht

Petitionen zum Europäischen Parlament

Ein weiteres Unionsbürgerrecht stellt das Recht dar, Petitionen an das Europäische Parlament zu richten. Die Angelegenheit muss dabei in den Tätigkeitsbereicht der Europäischen Union fallen. Dieses Recht wurde durch den Vertrag von Maastricht in das primäre Unionsrecht aufgenommen, das die zentrale Rechtsquelle des Europarechts im engeren Sinne bildet. Das Beschwerderecht steht nicht nur den Unionsbürgern zu, sondern auch natürlichen oder juristischen Personen, die ihren Wohnsitz oder satzungsmäßigen Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union haben. Petitionen können sich nicht nur an Organe der Union richten, sondern auch gegen Handeln eines Mitgliedstaates, der im Tätigkeitsbereich der Union tätig geworden ist.

Anrufung des Bürgerbeauftragten

Der Vertrag von Maastricht hat das Amt des Bürgerbeauftragten neu eingeführt. An ihn können Beschwerden über Missstände bei der Tätigkeit der Organe oder Institutionen der Gemeinschaft gerichtet werden. Der Bürgerbeauftragte wird vom Europäischen Parlament für die Dauer einer Wahlperiode gewählt. Ebenso wie beim diplomatischen und konsularischen Schutz haben nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen das Beschwerderecht. Die Beschwerde muss binnen zwei Jahren seit Bekanntwerden des fraglichen Missstandes eingereicht werden. Das Schreiben bedarf keiner besonderen Form und muss in einer Sprache der Mitgliedstaaten verfasst sein. Zusätzlich muss die Identität und Anschrift des Beschwerdeführers angegeben werden. Die Beschwerde ist mit einer Begründung zu versehen. Der Bürgerbeauftragte hat das Recht, selbstständig oder aufgrund von Beschwerden Untersuchungen anzustellen. Dabei wird ihm ein weiter Beurteilungs- und Ermessensspielraum eingeräumt. Bei Sachverhalten, welche bereits Gegenstand eines Gerichtsverfahrens sind oder waren, ist ihm ein Tätigwerden untersagt. Unter Missstand wird eine fehlerhafte Anwendung von unionsrechtlichen Vorschriften verstanden. Dies liegt beispielsweise bei Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen in der Verwaltung, Machtmissbrauch, Fahrlässigkeit, rechtswidrigen Verfahren, Unfairness, vermeidbaren Verzögerungen oder dem Vorenthalten von Informationen vor. Von dem Beschwerderecht ist allerdings der Europäische Gerichtshof ausgenommen, soweit er in seiner Rechtsprechungstätigkeit handelt. Wird ein Missstand festgestellt, befasst der Bürgerbeauftragte das betreffende Unionsorgan, das innerhalb von drei Monaten eine Stellungnahme abzugeben hat.

Schriftliche Eingaben an die Organe und die beratenden Einrichtungen der Union
Auch hat jeder Unionsbürger seit dem Vertrag von Amsterdam das Recht sich schriftlich in einer Sprache der Mitgliedstaaten an jedes Organ oder an jede Einrichtung der Union zu wenden. Der Unionsbürger hat dann das Recht auf eine Antwort in derselben Sprache.

Bürgerbegehren

Durch den Vertrag von Lissabon wurde ein neues Element direkter Demokratie normiert. Es besteht nun die Möglichkeit, eine Bürgerinitiative auf europäischer Ebene durchzuführen. Unionsbürger können demnach, falls Ihre Zahl mindestens eine Million beträgt und sie aus einer erheblichen Zahl von Mitgliedsländern stammen, die Europäische Kommission auffordern, im Rahmen ihrer Befugnisse geeignete Vorschläge zu Themen zu machen, welche nach Ansicht der Bürger einer Reform bedürfen. Das Begehren ist auf Gegenstände im Rahmen der Zuständigkeit der Kommission begrenzt.

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