Spannungsfeld von Kontrahierungszwang und Vertragsfreiheit


Im Allgemeinen gilt in Deutschland der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Dieser besagt, dass sich jeder Bürger aussuchen kann, mit wem er über was Verträge schließt. Ein anderer Ausdruck für Vertragsfreiheit ist Privatautonomie, der allerdings nicht nur die Vertragsfreiheit, sondern auch die Verfügungsfreiheit (jeder hat das Recht über seine Güter und Rechte frei zu verfügen), die Testierfreiheit (jeder hat das Recht für den Todesfall ein Testament zu erstellen und Erben zu bestimmen) und die Vereinigungsfreiheit (jeder hat das Recht sich einer Vereinigung anzuschließen oder eine Vereinigung zu gründen) mit umfasst.

Dabei ist allgemein anerkannt, dass der Staat die größtmögliche Freiheit Verträge abzuschließen zu gewährleisten hat, wenngleich die Vertragsfreiheit bzgl. der Inhalte der Verträge auch Grenzen hat. Diese liegen in den einfachen Gesetzen, durch Sittenwidrigkeit, gesetzliche Verbote oder Benachteiligungen. Weiterhin sind sie auch ausdrücklich geregelt, zum Beispiel mit dem Verbot der Bildung von Kartellen im Wettbewerbsrecht.

Allerdings gibt es eine maßgebliche Ausnahme von der Vertragsfreiheit, die als sog. Kontrahierungszwang anerkannt ist. Kontrahieren heißt hier Verträge schließen. Somit meint der Ausdruck einen „Zwang zum Vertragsschluss“. Der Kontrahierungszwang ist vom Gesetzgeber in bestimmten Fällen vorgeschrieben. Sinn und Zweck dieses Kontrahierungszwanges ist es, ungerechtfertigte Benachteiligungen zu verhindern und dem Bürger eine Grundversorgung zu zusichern.

So ist es zum Beispiel vorgeschrieben, dass Energieversorgungsträger mit jedem Bürger einer Gemeinde zu allgemein gültigen und bekanntgemachten Tarifen einen Vertrag für die Versorgung schließen müssen. Dies geht sogar soweit, dass der entsprechende Bürger der Gemeinde einen Anspruch auf solch einen Vertragsschluss hat. Würde dieser Kontrahierungszwang nicht bestehen, könnte sich der Versorgungsträger seine Vertragspartner aussuchen und man würde die Gefahr eingehen, dass einige Bürger keinen Vertrag erhalten und so Grundversorgungsmittel wie Strom, Wasser und Gas nicht erhalten könnten.

Darüber hinaus gibt es auch Kontrahierungszwänge, die nicht im Gesetz festgelegt sind und von der Rechtsprechung hergeleitet wurden. Dieses kann sich zum Beispiel im Vereinsrecht ergeben. Besteht ein gemeinnütziger Verein, zum Beispiel für den Tierschutz oder das Kulturleben in einer Gemeinde, scheint es unsachgemäß, wenn sich der Verein aussuchen könnte, wer Mitglied in diesem werden kann und wer nicht. Dies scheint auch vor dem Hintergrund unangebracht, weil man in kleinen Gemeinden manchmal nur einen solchen Verein hat und so einzelnen Bürgern verwehrt wäre, solch einem Verein überhaupt beizutreten. In dieser Situation hat die Rechtsprechung entschieden, dass der Verein nicht dazu befugt ist, Mitglieder abzulehnen. Dies gilt allerdings nur, wenn durch den Beitritt in den Verein einmalige Vorteile geboten werden, die sonst für den Bürger nicht zu erhalten sind.

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