Unterscheidung zwischen Abgabe und Zugang von Willenserklärungen


Soll eine Willenserklärung gegenüber dem Vertragspartner wirksam werden und somit ein Vertrag entstehen, bedarf es grundsätzlich der Abgabe und dem Zugang der Willenserklärung. Ist Abgabe und Zugang Voraussetzungen des Vertrages und liegt eines von beiden nicht vor, dann ist der Vertrag nicht wirksam zustande gekommen. Somit muss die erklärende Person die Willenserklärung wirksam abgeben und der empfangenden Person die Willenserklärung wirksam zugehen. Um festzustellen, ob Abgabe und Zugang gegeben sind, ist es notwendig zwischen empfangsbedürftigen und nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen zu unterscheiden.

Abgabe

Generell gilt für die Abgabe, dass der Abgebende die Willenserklärung aus seinem Machtbereich gegeben haben muss.

a) Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen

Ist eine Willenserklärung empfangsbedürftig, das heißt muss die andere Person die Willenserklärung empfangen, damit sie wirksam abgegeben wurde (zum Beispiel bei einem Kaufvertrag), ist zwischen verkörperten und nicht verkörperten Willenserklärungen zu unterscheiden. Dabei stellen verkörperte Willenserklärungen diejenigen dar, die zum Beispiel durch ein Schriftstück verkörpert werden; so zum Beispiel durch einen Brief. Unverkörpert sind mündlichen Willenserklärungen. Verkörperte Willenserklärungen werden abgegeben, wenn dem Anwesenden diese übergeben wird (zum Beispiel, wenn der Arbeitgeber dem Angestellten die schriftliche Kündigung übergibt). Ist der Empfänger nicht anwesend, so geschieht die Übergabe in der Regel durch den Postversand. Dann gilt eine Willenserklärung als wirksam abgegeben, wenn sie dem Empfänger zugeht (Zugang siehe unten). Eine unverkörperte Willenserklärung wird dann wirksam abgegeben, wenn sie der Anwesende vernimmt. Wenn eine unverkörperte Willenserklärung an einen Abwesenden abgegeben werden soll (dieses geschieht dann durch einen Boten), gilt auch hier, dass die Abgabe bei Vernehmung der Willenserklärung stattfindet.

b) Bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen

Die Abgabe von nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen, also solchen, die auch ohne Empfang wirksam werden (zum Beispiel ein Testament), stellt sich einfach dar. Für die Abgabe dieser Willenserklärung reicht schon das bloße Erklären (zum Beispiel durch Aussprechen oder durch Niederschrift) aus, ohne dass weitere Voraussetzungen eingehalten werden müssen.

c) Sonderfall: Abhanden gekommene Willenserklärung

Von einer abhanden gekommenen Willenserklärung spricht man, wenn die Willenserklärung mutmaßlich ohne den Willen des Abgebenden in den Geschäftsverkehr gerät.

Beispiel: Der Autohändler A möchte ein Auto an den Rechtsanwalt R verkaufen. Deshalb macht er ihm ein schriftliches Angebot für ein Auto in Höhe von 19.000 Euro. Dieses Angebot steckt er in einen Briefumschlag und legt ihn frankiert auf den Tisch seiner Sekretärin. Kurz danach überlegt er es sich anders und möchte das Angebot so nicht abgeben. Die Sekretärin hat aber den Brief schon zur Post gebracht. Ist eine wirksame Abgabe erfolgt?

Hier wird danach differenziert, ob der Abgebende die Abgabe zu verantworten hat, das heißt ob die Abgabe aus seiner Sphäre stammt. Dies wäre bei einem Versenden durch die Sekretärin wohl anzunehmen. Somit gilt die Willenserklärung hier als abgegeben.

Zugang

Der Zugang einer Willenserklärung bestimmt sich danach, wann eine Person üblicherweise von einer Willenserklärung Kenntnis genommen hat oder Kenntnis nehmen musste.

a) Bei empfangsbedürfte Willenserklärung

Bei Empfangsbedürftigen Willenserklärungen gilt der generelle Grundsatz, dass der Zugang gegeben ist, wenn die Willenserklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist. Bei verkörperten Willenserklärungen kann man das dann annehmen, wenn aus objektiver Sicht die Möglichkeit zur Kenntnisnahme besteht (zum Beispiel bei Anwesenden durch Übergabe des Briefes oder bei nicht Anwesenden durch Einwurf in den Briefkasten des Empfängers (aber Vorsicht: dies nur zu den üblichen Geschäftszeiten. Falls also der Einwurf Sonntag getätigt wird, geht die Willenserklärung erst Montag zu!).

Handelt es sich um unverkörperte Willenserklärung, reicht für gewöhnlich das Vernehmen der Erklärung durch den Empfänger, egal ob durch den Abgebenden persönlich oder durch den Boten, aus.

b) Bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen

Bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen spielt der Zugang keine Rolle, da dies ja gerade nicht Voraussetzungen ist.

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