Gegen die guten Sitten verstoßenden Verträge


Wenn ein Vertrag geschlossen wird, der gegen die guten Sitten verstößt, dann kann dieser nichtig sein und der Vertrag kommt nicht zur Stande. Dabei ist die Bestimmung, was genau gegen die guten Sitten verstößt, im Einzelfall schwierig und bedarf der Abwägung.

Definiert werden die guten Sitten als „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“. Dies bedeutet, dass der Vertragsinhalt nach der deutschen Werteordnung im sozialen und gesellschaftlichen Kontext überprüft werden muss. Hier kommt es aber nicht nur auf den Inhalt des Vertrages an, sondern es können sogar der Vertragszweck, die Beweggründe oder der Gesamtcharakter des Geschäfts gegen die guten Sitten verstoßen.

Wichtig ist deshalb auch den Wandel der Gesellschaft in die Auslegung, ob ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegt oder nicht, mit einzubeziehen. So konnte noch vor wenigen Jahrzehnten ein Vertrag über entgeltlichen Geschlechtsverkehr als sittenwidrig angesehen werden, heute wäre diese Ansicht aber nicht mehr vertretbar. Um deutlich zu machen, um welche Fälle es sich bei einem Verstoß gegen die guten Sitten handeln kann, werden unten exemplarisch einige Hauptfallgruppen aufgeführt:

Verstoß gegen die Persönlichkeit

Geschäfte, die wegen ihres persönlichen Charakters in die Intimsphäre einer Person eingreifen, verstoßen gegen die guten Sitten.

Beispiel: Der Sportler S schließt mit seinem Sponsor P einen Vertrag darüber, dass er zur Leistungssteigerung gewisse Dopingmittel einnehmen soll. Dieser Vertrag ist unwirksam (eventuell auch, weil ein gesetzliches Verbot vorliegt), weil er in die Intimsphäre des S eingreift und sogar seine körperliche Integrität beeinflusst.

Unfreiwillige Geschäfte

Verträge, bei denen eine Vertragspartei den Vertrag unter einem gewissen Zwang abschließt , also nicht freiwillig über diesen entscheiden kann, der aber für diese Person einen gravierenden Nachteil mit sich bringt, verstoßen gegen die guten Sitten.

Beispiel: A ist die Ehefrau des B. B möchte ein Haus kaufen, die A soll sich dafür verbürgen, obwohl sie keinerlei eigenes Einkommen hat und mit der Bürgschaft, käme es zur Inanspruchnahme durch den Gläubiger, komplett finanziell überfordert wäre. Die A schließt den Vertrag trotzdem, weil sie sich mit ihrem Ehemann B sehr verbunden fühlt und dieser angedeutet hat, er wäre sehr enttäuscht, wenn sie die Bürgschaft nicht für ihn aufnehmen würde.

Hier handelt die A, weil sie in einer emotionalen Zwangssituation ist, die durch die Nähebeziehung zu ihrem Ehemann entstanden ist. Der Bürgschaftsvertrag würde gegen die guten Sitten verstoßen.

Geschäfte mit Abhängigkeitsverhältnis

Verträge, bei denen eine Partei abhängig von der anderen Partei ist und bei der die andere Partei diese Abhängigkeit ausnutzt, verstoßen ebenfalls gegen die guten Sitten.

Beispiel: A ist der einzige Kohlelieferant in der Umgebung, in der B wohnt. Eine Bestellung bei einem anderen Lieferanten als A kommt deshalb aus wirtschaftlicher Sicht nicht in Betracht. Weil A das weiß, schließt er mit B einen Liefervertrag über eine unangemessen lange Zeit. Hier nutzt A also seine „Monopolstellung“ in der Umgebung aus und somit auch die Abhängigkeit des B, weil dieser auf den A angewiesen ist. Der Vertrag verstößt durch die zu lange Vertragsbindung gegen die guten Sitten.

Verträge, bei denen andere Personen geschädigt werden

Wenn zwei Vertragsparteien einen Vertrag schließen, bei dem für dritte Personen ein Nachteil entsteht, liegt Sittenwidrigkeit vor. Der Nachteil kann darin liegen, dass ihnen Rechte entzogen werden, die ihnen gesetzlich zustehen oder dass sie dazu verleitet werden, einen Vertrag mit einer anderen Person zu brechen (sogenannte Verleitung zum Vertragsbruch).

Beispiel: A ist der Vater von den Kindern X und Y. Weil er das erstgeborene Kind X lieber hat als das zweitgeborene Y, schließt er mit der Mutter der Kinder einen Vertrag, in dem er dem X einen höheren Unterhalt einräumt. Durch diesen Vertrag hat er nicht mehr die finanziellen Mittel, dem Kind Y den gesetzlichen Unterhalt zu zahlen. Weil Y durch den Vertrag dann stark benachteiligt ist, liegt darin ein Verstoß gegen die guten Sitten.

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