Die vorvertragliche Anzeigepflicht in der Lebensversicherung


Wie bei allen Versicherungsverträgen, besteht auch bei der Lebensversicherung eine vorvertragliche Anzeigepflicht. Die vorvertragliche Anzeigepflicht ist eine gesetzliche Obliegenheit, die nicht selbstständig eingeklagt werden kann. Gleichwohl können Rechtsfolgen an die Verletzung von Obliegenheiten geknüpft werden. Die vorvertragliche Anzeigepflicht umfasst alle gefahrerheblichen Umstände. Der Versicherungsnehmer ist also verpflichtet, dem Versicherer vor Abschluss des Vertrages die Umstände mitzuteilen, die für ihn zur Kalkulation des Risikos erheblich sind.

Der Versicherer stellt dem Versicherungsnehmer vor Abschluss des Versicherungsvertrages Risiko- und Gesundheitsfragen, die dieser wahrheitsgemäß beantworten muss, um dem Versicherer die Möglichkeit zu geben, das Versicherungsrisiko einzuschätzen um eine Prämienkalkulation vornehmen zu können. Da das Risiko in der Person des Versicherungsnehmers selber liegt und seine Gesundheit betrifft, kann nur er darüber Auskunft geben. Der Versicherer hat keine andere Möglichkeit die notwendigen Informationen zu erlangen, unter anderem aus Gründen der ärztlichen Schweigepflicht. Der Umfang der Auskunftspflicht ist gesetzlich geregelt. Als Faustregelt gilt, dass der Versicherungsnehmer zur Auskunft hinsichtlich der Umstände verpflichtet ist, die für den Versicherer hinsichtlich der Einschätzung des Versicherungsrisikos relevant sind. So ist es zum Beispiel bei Abschluss einer Lebensversicherung für den Versicherer relevant, ob Vorerkrankungen des Versicherungsnehmers vorliegen. Ist beispielsweise der Versicherungsnehmer schwer an Krebs erkrankt bei Abschluss eines Risikolebensversicherungsvertrages, ist das Risiko des Eintritts des Versicherungsfall um ein Vielfaches höher ist, als wenn jemand ohne Vorerkrankung den Vertrag abschließt.

Der Versicherer muss nach den gefahrerheblichen Umständen in Textform, also schriftlich, fragen. Die Fragen müssen in einer Urkunde aufgeführt werden oder in einer anderer Weise dargestellt werden, die dauerhaft zur Wiedergabe von Schriftzeichen geeignet sind. Möglich ist also auch die Zusendung per Fax oder E-Mail. Stellt der Versicherer die Fragen lediglich ins Internet, ist die Textform nur gewahrt, wenn die Fragen vom Versicherungsnehmer herunter geladen werden. Mündliche Fragen und darauf folgende Angaben zu solchen Umständen, die beispielsweise in einem Gespräch mit einem Versicherungsvertreter gemacht werden, gelten somit nicht. Das es sich bei der vorvertraglichen Anzeigepflicht um eine Obliegenheit handelt, gilt auch für diese Pflicht die gesetzliche Regelung, dass an die Verletzung dieser Pflicht nur eine für den Versicherungsnehmer negative Rechtsfolge geknüpft werden darf, wenn die Verletzung vorsätzlich, also mit Wissen und Wollen, oder zumindest grob fahrlässig begangen wurde. Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders hohem Maße nicht beachtet. Leicht fahrlässige und schuldlose Verletzungen dürfen gesetzlich nicht mit einer negativen Folge belegt werden. Die gesetzliche Regelung dient dem Schutz des Versicherungsnehmers. Er soll nicht mit negativen Folgen belegt werden können, wenn er zum Beispiel bei der Frage nach Vorerkrankungen angibt, keine zu haben, er jedoch tatsächlich unwissentlich erkrankt ist.

Zusammenfassend ist der Versicherungsnehmer also verpflichtet, alle ihm bekannten Gefahrumstände anzugeben, die für den Entschluss des Versicherers, den Versicherungsvertrag mit dem Inhalt einzugehen, den die Parteien vereinbaren, relevant sind. Die Anzeige muss in zeitlicher Hinsicht bis zur Abgabe einer Vertragserklärung erfolgen. Hat eine Partei den Antrag auf den Abschluss eines Versicherungsvertrages abgegeben, endet diese Verpflichtung. Eine sogenannte Nachmeldeobliegenheit besteht somit nicht. Der Versicherer kann jedoch zwischen Antragstellung und Zusendung des Versicherungsscheines noch weitere Fragen stellen. Diese müssen auch in Textform stellen. Im Gegensatz dazu bestand früher eine Nachmeldeobliegenheit des Versicherungsnehmers, die ihn bis zur Schließung des Vertrages verpflichtete, Gefahrumstände dem Versicherer mitzuteilen, also auch noch zwischen der Abgabe der Vertragserklärung bis zur Zusendung des Versicherungsscheines.

Die Rechtsfolgen der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht richten sich nach dem Grad des Verschuldens. Wie bereits ausgeführt, sind keine negativen Rechtsfolgen an eine schuldlose oder einfach fahrlässig begangene Anzeigepflichtverletzung geknüpft. Dem Versicherer steht in einem solchen Fall lediglich das Kündigungsrecht zu, dass ihm unabhängig von der Pflichtverletzung des Versicherungsnehmers zusteht. Begeht der Versicherungsnehmer die Pflichtverletzung grob fahrlässig oder vorsätzlich, kann der Versicherer vom Vertrag zurück treten. Die Auswirkungen des Rücktritts sind im Wesentlichen, dass der Vertrag rückwirkend vernichtet wird, wobei der Versicherer einen Anspruch auf eine angemessene Geschäftsgebühr oder einen Anteil der Prämien behält. Der Versicherungsschutz entfällt jedoch rückwirkend. Daneben besteht die Möglichkeit der Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung. Arglistig täuscht, wer bei einem anderen vorsätzlich einen Irrtum hervorruft, der diese Person zur Abgabe einer Willenserklärung veranlassen soll. Die Folge der wirksamen Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung ist, dass der Anfechtende uneingeschränkt von der Leistungspflicht frei wird. Der Vertrag wird rückwirkend nichtig, also rechtlich so behandelt, als hätte er nie bestanden.

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