Die Wissenszurechung innerhalb einer Gesellschaft


Eine Gesellschaft selbst kann natürlich als juristische Person und damit als Gedankengebilde der Rechtswissenschaft nicht selbst etwas wissen. Das wird aber in vielen Rechtsvorgängen von ihr erwartet. Beispielsweise bei der Frage, ob eine Gesellschaft gut- oder bösgläubig war. Vielmehr muss hier auf den Kenntnisstand der für die Gesellschaft tätig werdenden Organe abgestellt werden. Insbesondere Geschäftsführer oder Vorstandsvorsitzende sind Organe einer Gesellschaft. Wenn sie etwas wissen wird es direkt der Gesellschaft zugerechnet.

Fraglich ist dabei aber, ob der Wissensvertreter Organ sein muss, oder ob es reicht, dass er beispielsweise Prokurist ist. Dennoch ist auch ein Prokurist aus den Vorschriften des Handelsrechts ermächtigt die GmbH bei allen Geschäften und Rechtshandlungen zu vertreten. Diese Vertretung ist möglich, da die GmbH ein Formkaufmann ist und ein Kaufmann nach dem Handelsgesetzbuch Prokura erteilen kann. Ein Prokurist ist damit tauglicher Vertreter einer Gesellschaft. Das ist er selbst dann, wenn er inzwischen nicht mehr für das Unternehmen tätig ist. Dennoch ist die Zurechnung dieses Wissens umstritten. Schließlich kann aus Gründen der Rechtsicherheit für die Gesellschaften nicht jedes beliebige Wissen, teils auch aus der Vergangenheit, mit Wirkung für die Zukunft einer Gesellschaft zugerechnet werden.

Andererseits würden Gläubiger benachteiligt werden, wenn eine juristische Person sich auf Unwissen berufen könnte, insbesondere in Unternehmen mit großer Fluktuation auch in höheren Positionen. Um hier einen Ausgleich zu schaffen hat der Bundesgerichtshof Kriterien zur Wissenszurechnung und zur Wissenszusammenrechnung aufgestellt. Dabei soll es bei arbeitsteiligen Organisationen insbesondere auf die Informationen ankommen, welche typischerweise aktenmäßig festgehalten werden. Das Aktenwissen, dass an die Stelle des Gedächtnisses tritt, soll so organisiert werden, dass es im Bedarfsfall verfügbar ist.

Dieser Bedarfsfall ist immer dann gegeben, wenn sich eine Frage auftut, die eine Vorgeschichte haben könnte. Insbesondere bei Krankenhausgesellschaften, aber auch in großen Firmen und Rechtsanwaltsgesellschaften ist dies wichtig. Plant ein Unternehmen den Erwerb eines Grundstückes, vor allem, wenn es sich um ein Grundstück in bester Lage zu einem nicht geringen Kaufpreis handelt, so muss einen Aktenvermerk angefertigt werden. An diesem Aktenvermerk kann man dann den Verhandlungsverlauf nachvollziehen. Rechtsanwälte und Steuerberater aber auch die Berufsträger der medizinischen Berufe sind von ihrem Berufsrecht schon verpflichtet Handakten zu führen und Dokumentation zu betreiben. Dieses Wissen in den Akten und in den Datenbanken müssen sich nun die Organe und damit auch die Gesellschaft zurechnen lassen.

Jedoch zieht der Bundesgerichtshof auch hier zeitliche Grenzen, damit diese Zurechnung nicht überhandnimmt. Wenn beispielsweise die Verhandlungen zwischen den Parteien viele Jahrzehnte her ist, ist der zeitliche Abstand zu groß. Auch, wenn kein Anlass zu Überprüfung vorliegt, ob bereits einmal geschäftlicher Kontakt mit dem anderen Unternehmen bestand, muss nicht gehandelt werden. Ist aber ein Anlass gegeben, so muss hier die GmbH oder Aktiengesellschaft einmal mehr in ihren Akten nachsehen, um den rechtlichen Verpflichtungen zu genügen.

Die Gesellschaft vertreten durch ihr Leitungsorgan muss sich dann das Wissen vorhalten lassen und ist aus diesem Grund etwas dann in bösem Glauben, wenn die Akten klar wiedergeben, dass ein Grundstück oder ein Kraftfahrzeug nicht im Eigentum des Anbieters steht. Geht man trotzdem auf den Kauf ein, so kann man nicht Eigentum daran erwerben. Dies würde für eine Gesellschaft große Kosten und Haftungsrisiken mit sich bringen, weshalb eine gute Dokumentation innerhalb einer juristischen Person elementar ist.

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