Grundlage und Ziel der Freiheit des Warenverkehrs


Eines der zentralen Ziele der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft von 1957 war es, den freien Warenverkehr zu sichern. Grundlage dieser Freiheit sind zunächst die Zollunion, die Beseitigung mengenmäßiger Ein- und Ausführungsbeschränkungen sowie Maßnahmen gleicher Wirkung im Handel zwischen den Mitgliedsstaaten. Zusätzlich ist im AEUV die Umformung der staatlichen Handelsmonopole zum Schutz vor Diskriminierung Angehöriger der Mitgliedsstaaten vorgesehen.

Die Zollunion

Die Gründung der Zollunion umfasst einerseits das Verbot zwischen Mitgliedsstaaten, Ein- und Ausfuhrzölle und Abgaben gleicher Wirkung zu erheben. Dies gilt auch innerhalb der Mitgliedsstaaten selbst. Andererseits wird ein gemeinsamer Zolltarif gegenüber Drittländern erhoben. Zölle sind Abgaben, die der Staat gerade wegen der Ein- und Ausfuhr von Waren erhebt, ohne dass eine entsprechende Abgabe für gleichartige inländische Erzeugnisse besteht. Da die Mitgliedsstaaten jedoch weiterhin die Steuerhoheit besitzen sind Zahlungsverlangen, die nur aus verwaltungsökonomischen Gründen anlässlich des Grenzüberschritts erhoben werden, weiterhin zulässig. Die Steuer muss dafür in- und ausländische Produkte nach denselben Merkmalen erfassen, wie zum Beispiel die Mehrwertsteuer. Auch sind Gebühren für tatsächlich erbrachte Dienste weiterhin erlaubt. Sie müssen eine Gegenleistung für einen individuellen und messbaren Vorteil des Importeurs darstellen, wobei Gebühren für Handlungen die für den Importeur ohne jeden Nutzen sind, nicht erhoben werden dürfen.

Das Verbot von mengenmäßigen Ein- und Ausfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung

Sonstige Maßnahmen, die den Warenstrom über die Grenzen in die eine oder andere Richtung behindern, sind nicht zulässig. Praktisch bedeutet dies, verdeckten oder offenen Protektorismus der Mitgliedsstaaten für die eigene Warenproduktion einzudämmen. Staatliche Beihilfen für die nationale Wirtschaft, sowie das Verbot von diskriminierenden Steuern oder sonstigen innerstaatlichen Abgaben sind dabei gesondert aufgeführt. Der praktische Anwendungsbereich von „nicht- tarifären Handelshemmnisse“ konzentriert sich vor allem darauf, wann eine Maßnahme wie mengenmäßige Importbeschränkungen vorliegt und unter welchen Voraussetzungen sie erlaubt sein könnte. Eine solche Maßnahme liegt dann vor, wenn sie auf eine Weise geeignet ist, den Vertrieb ausländischer Waren teurer oder schwieriger zu gestalten als diejenigen der einheimischen Exportbeschränkungen. Reine Kontigentierungen spielen nur eine sehr untergeordnete Rolle.

Prüfungsschema

Um festzustellen, ob eine Maßnahme ein verbotenes nicht- tarifäres Handelshemmnis darstellt, ist zunächst der Anwendungsbereich von Art. 34 AEUV zu prüfen. Dieser ist nach der Dassonville- Formel weit zu definieren, also jede Handelsregelung der Mitgliedsstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern. Hierunter fallen sowohl offen, als auch versteckt diskriminierende Maßnahmen. Die Dassonville- Formel wurde später auf Maßnahmen ausgedehnt, die unterschiedslos auf inländische und ausländische Waren Anwendung finden, aber für ausländische Waren sonstige Beschränkungen mit sich bringen. Diese Rechtsprechung wurde allerdings von Unternehmen vielfach ausgenutzt. Im Jahr 1993 beschloss der Europäische Gerichtshof daher, dass nur noch Maßnahmen in den Anwendungsbereich von Art. 34 AEUV fallen sollten, die produktbezogen waren. Unterschiede, die sich lediglich auf den Vertrieb bezogen, sollten demnach so lange zulässig sein, bis sie wirklich diskriminierend waren, oder den Markt völlig abschotten würden. Somit sind Regelungen zur Produktpräsentation, zu Absatzmodalitäten, Werbung und andere Vorschriften des unlauteren Wettbewerbs als lediglich vertriebsbezogene Maßnahmen grundsätzlich nicht mehr von Art. 34 AEUV erfasst.

Verstöße gegen Art. 34 AEUV können gemäß Art. 36 AEUV, dem Grundsatz des gegenseitigen Respekts, sowie den zwingenden Erfordernissen gerechtfertigt werden. Es sind demnach, zusätzlich zu Art. 36 AEUV, nur solche Handelshemmnisse hinzunehmen, die notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen gerecht zu werden, insbesondere solchen einer wirksamen und steuerlichen Kontrolle, des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Lauterkeit des Handelsverkehrs und des Verbraucherschutzes, Umweltschutzes und der Medienvielfalt.
Auch muss der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der allgemein bei einschränkenden staatlichen Maßnahmen anzuwenden ist, beachtet werden. Das Mittel muss tatsächlich geeignet sein, den angestrebten Zweck zu erfüllen, sowie erforderlich und angemessen sein. Das heißt die Nachteile, die die Maßnahme bewirkt, dürfen nicht außer Verhältnis zu den Vorteilen stehen und es darf kein gleich geeignetes, aber milderes Mittel ersichtlich sein.

Zusammengefasst sind also folgende Punkte im Rahmen von Art. 34 AEUV zu prüfen. Zunächst muss eine Ware im Sinne von Art. 28 Abs. 2 AEUV vorliegen. Danach ist die Dassonville- Formel anzuwenden, sowie zu überprüfen ob nicht vertriebsbezogene Maßnahmen vorliegen. Schließlich sind die Rechtfertigungsgründe aus Art. 36 AEUV oder ein zwingendes Erfordernis zu prüfen und zum Schluss, ob die Verhältnismäßigkeit gewahrt wurde.

Die Umformung der staatlichen Handelsmonopole

Art. 37 AEUV schreibt vor, dass jede Diskriminierung in den Versorgungs- und Absatzbedingungen zwischen den Angehörigen der Mitgliedsstaaten ausgeschlossen ist. Die Umformung der staatlichen Handelsmonopole ist deshalb notwendig, da ein Staat sonst die Ein- und Ausfuhr von Waren frei bestimmen und daher unter Umgehung des Marktes beeinflussen kann. Umformung bedeutet allerdings nicht Abschaffung der Monopole, sondern lediglich die Beseitigung von Monopolrechten.

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