PA Die Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung


Während Verordnungen der Europäischen Union direkt gelten müssen Richtlinien des Gemeinschaftsrechts richtlinienkonform ausgelegt werden. Die Verpflichtung ergibt sich aus einem Artikel des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, der Mitgliedsstaaten verpflichtet an sie gerichtete Richtlinien so umzusetzen, dass das gesetzte Ziel erreicht wird. Dabei bleibt die Wahl der Umsetzungsmittel Sache der einzelnen Mitgliedsstaaten. Deswegen findet man in den derzeit 27 Mitgliedsländern unterschiedlichste Formen der Umsetzungen. In manchen Ländern die eher auf Richterrecht angelegt waren, wie das beispielsweise in Großbritannien der Fall ist, war es eine ganz neue Erfahrung Gesetze schaffen zu müssen, die sich dann auch noch nach einem Richtliniengeber ausrichten. Für Nationen die stets unabhängig waren war dieser Kompetenztransfer eine Herausforderung. Vor diesem Hintergrund kann man dann die Skepsis einiger Kritiker der Europäischen Union in diesen Ländern nachvollziehen. Diese sehen es kritisch zum Wohle einer europäischen Einigung Kompetenzen und Gewalten an eine supranationale Organisation wie die Europäische Union abzugeben.

Um das von der Europäischen Union vorgegebene Ziel einer Richtlinie zu erreichen muss richtlinienkonform auslegt werden, so dass man sehen kann, in wie weit das nationale Gesetz mit der Richtlinie in Einklang steht. Oberster Hüter der Auslegung ist der Europäische Gerichtshof. Er trifft die maßgeblichen Entscheidungen, wie eine Norm in Bezug auf Richtlinien auszulegen ist, insbesondere dann, wenn ihm wegen Zweifelsfragen Vorlagen von nationalen Gerichten im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens gemacht werden. Doch sind auch nationale Gerichte und sogar Behörden berufen die Gesetze, die in den Regelungsbereich einer Richtlinie fallen richtlinienkonform auszulegen. Dies leitet der Europäische Gerichtshof in seiner Rechtsprechung aus dem Umsetzungsgebot ab.

Die Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung trifft also alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gleichermaßen, doch ist umstritten ab welchem Zeitpunkt richtlinienkonform auszulegen ist. Einer Ansicht nach besteht diese Verpflichtung gleich zu Beginn nachdem die Richtlinie in Brüssel erlassen und verkündet wurde. Einer anderen Ansicht nach muss mit der Auslegung nach Beendigung der Umsetzungsfrist begonnen werden. Letzterer ist zu folgen, da eine Richtlinie eben erst nach der abgelaufenen Umsetzungsfrist in das nationale Recht durch entsprechende Gesetze transformiert sein soll und auch erst dann die Harmonisierung vollzogen sein soll, was sich aus der Einräumung des Ermessensspielraumes des Vertrages über die Arbeitsweise ergibt. Ist die Umsetzung erfolgt, so muss sich das erlassene Transformationsgesetz durch richtlinienkonforme Auslegung dahingehend überprüfen lassen, ob es die Richtlinienziele erreicht. Dabei soll die Auslegung nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofes „soweit wie möglich im Lichte des Wortlauts und des Zwecks“ der Richtlinie erfolgen. Denn nur auf diesem Weg lassen sich im gesamten Unionsgebiet einheitliche Regelungen schaffen. Diese sind besonders dann wichtig, wenn es um wirtschaftliche Zusammenhänge geht, denn die Wirtschaft soll mit der Verwirklichung des freien Binnenmarktes unter gleichzeitiger Berücksichtigung eines hohen Verbraucherschutzniveaus gesichert werden. Aber auch die Landwirtschaft, die Gesundheit und die Bildung soll harmonisiert, also angeglichen werden. Ist also eine Richtlinie in Kraft getreten, so muss nach der in einem anderen Artikel behandelten Methodik der richtlinienkonformen Auslegung entsprechend ausgelegt werden.

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