Der Rücktritt des Versicherers vom Versicherungsvertrag


Generell führt der Rücktritt von einem Vertrag dazu, dass das Vertragsverhältnis rückabgewickelt wird, was im Wesentlichen bedeutet, dass beide Vertragsparteien empfangene Leistungen zurück gewähren müssen, da der Rücktritt das Vertragsverhältnis „ex tunc“ vernichtet, also rückwirkend. Bei einem Kaufvertrag beispielsweise wird der Käufer die Kaufsache zurück geben müssen und der Verkäufer den Kaufpreis an den Käufer zurück zahlen. Diese Art der Rückabwicklung ist jedoch bei einem Versicherungsvertrag nicht möglich, da es sich um ein sogenanntes Dauerschuldverhältnis handelt. Ein Dauerschuldverhältnis ist ein Schuldverhältnis, bei dem nicht der einmalige Austausch von Leistung und Gegenleistung geschuldet wird, sondern ein dauerhaftes Verhalten oder immer wiederkehrende Einzelleistungen Vertragsinhalt sind. Ein klassisches Beispiel für ein Dauerschuldverhältnis ist ein Arbeitsvertrag, bei dem der Arbeitnehmer an jedem Arbeitstag die Arbeitsleistung für den Arbeitgeber erbringt und dieser ihm im Gegenzug regelmäßig den vertraglich vereinbarten Lohn bezahlt sowie Sozialversicherungsleistungen für ihn abführt.

Grundsätzlich können Dauerschuldverhältnisse, die bereits teilweise erfüllt wurden nicht rückabgewickelt werden, sondern können durch eine Kündigung lediglich mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben werden. Den Versicherungsschutz, den der Versicherungsnehmer während der Zeit als der Vertrag wirksam war hatte, also bevor das Rücktrittsrecht ausgeübt wurde, kann der Versicherungsnehmer nicht zurück gewähren. Zwar entfällt der Versicherungsschutz rückwirkend, aber der Versicherer hatte trotzdem einen gewissen Arbeitsaufwand durch den Versicherungsvertrag. Deshalb wäre es ungerecht, müsste der Versicherer trotzdem alle erhaltenen Versicherungsprämien an den Versicherungsnehmer zurück bezahlen, obwohl ihn der Versicherungsvertrag Arbeitsaufwand kostete. Das würde nämlich bedeuten, dass er eine vertragliche Leistung erbracht hat, ohne die ihm zustehende vertragliche Leistung behalten zu dürfen, nämlich die Versicherungsprämien. Der Rücktritt vom Versicherungsvertrag ist somit kein wirklicher Fall des klassischen Rücktritts im zivilrechtlichen Sinne, sondern viel mehr eine Mischung aus seiner Kündigung und eben diesem klassischen Rücktritt, da der Versicherer seinen Anspruch auf eine angemessene Geschäftsgebühr oder sogar die Prämie des Versicherungsnehmers bis zur Ausübung des Rücktrittsrechts behält. Dieser Anspruch würde ihm bei einem klassischen Rücktritt nicht zustehen, da er die Prämien und Gebühren zurück zu zahlen hätte. Allerdings erlischt der Versicherungsschutz rückwirkend. Der Versicherer ist also für den Zeitraum zwischen dem Vertragsschluss und der Ausübung des Rücktrittsrechtes nicht mehr verpflichtet im Versicherungsfall den Schaden zu regulieren.

Der Versicherer hat die Möglichkeit vom Vertrag zurück zu treten, wenn der Versicherungsnehmer beim Abschluss des Versicherungsvertrages falsche Angaben hinsichtlich gefahrerheblicher Umstände gemacht hat, wie zum Beispiel bei Abschluss einer privaten Krankenversicherung eine chronische Krankheit verschwiegen hat. Darüber hinaus kann er vom Versicherungsvertrag zurück treten, wenn der Versicherungsnehmer die erste von mehreren Prämien oder die die einmalige Prämie nicht bezahlt.

Eine Falschangabe gefahrerheblicher Umstände meint eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht, die die wichtigste Obliegenheit des Versicherungsnehmers darstellt. Er muss vor Abschluss des Vertrages dem Versicherer alle Umstände mitteilen, die für die Risikoprognose von Bedeutung sind. Eine Falschangabe führt jedoch nur zu einem Rücktrittsrecht des Versicherers, wenn der Versicherungsnehmer diese vorsätzlich oder grob fahrlässig gemacht hat. Vorsatz bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Versicherungsnehmer wusste eine falsche oder unvollständige Angabe zu machen und dies auch wollte. Als Faustregel hat sich für Krankenversicherungen in der Praxis der Grundsatz herausgebildet, dass die Anzeigepflicht hinsichtlich gefahrerheblicher Umstände dann verletzt ist, wenn Medikamente verordnet wurden. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders grobem Maße missachtet. Einfacher formuliert liegt grobe Fahrlässigkeit vor, wenn jemand etwas tut oder unterlässt, was jedem Menschen klar sein musste, dass dies zu unterlassen oder zu tun ist. Der Versicherer kann mithin nicht vom Vertrag zurück treten, wenn der Versicherungsnehmer eine falsche Angabe unvorsätzlich und nicht grob fahrlässig gemacht hat. Dann kann er allerdings den Vertrag binnen eines Monats kündigen. Das Rücktrittsrecht steht dem Versicherer nicht zu, wenn er den Vertrag auch bei Kenntnis der wahren Umstände abgeschlossen hätte oder er den nicht angezeigten Gefahrumstand kannte. Der Versicherer muss darüber hinaus den Versicherungsnehmer über die Folgen falscher oder unvollständiger Angaben in Textform hinweisen.

Das Rücktrittsrecht besteht nur für den Versicherer. Der Versicherungsnehmer kann jedoch den Vertrag kündigen und das Vertragsverhältnis dadurch beenden. Den Rücktritt muss der Versicherer schriftlich erklären und eine Begründung enthalten, warum der Versicherer von dem Versicherungsvertrag zurück tritt.

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