Wann muss meine Versicherung für meinen Schaden zahlen?


Für einen Versicherungsvertrag sind drei Zeiträume voneinander zu unterscheiden. Die formelle Vertragslaufzeit, die materielle Vertragslaufzeit und die technische Vertragslaufzeit.

Das Versicherungsverhältnis beginnt mit dem Zeitpunkt, indem die Annahmeerklärung dem Antragenden zugeht. In der Praxis ist der häufigste Fall, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer die Versicherungsunterlagen zusendet und ihn dadurch zur Abgabe eines Angebotes auffordert. Dies nennt man invitatio ad offerendum. Der Versicherungsnehmer erklärt daraufhin durch die Zurücksendung der ausgefüllten Unterlagen den Antrag auf Abschluss des Vertrages. Der Versicherer nimmt das Angebot dann häufig konkludent, also durch schlüssiges Verhalten, an, indem er dem Versicherungsnehmer den Versicherungsschein zusendet. Mit dem Zugang des Versicherungsscheines beim Versicherungsnehmer, besteht ein wirksamer Versicherungsvertrag. Eine verkörperte empfangsbedürftige Willenserklärungen, also zum Beispiel der Versicherungsschein, der dem Versicherungsnehmer zugehen muss, damit ein Vertragsverhältnis entsteht, gilt als zugegangen, wenn er derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass bei der Zugrundelegung gewöhnlicher Umstände mit der Kenntnisnahme durch den Empfänger zu rechnen ist. Wird also der Versicherungsschein mit der normalen Post beim Versicherungsnehmer eingeworfen und ist damit zu rechnen, dass er, wie gewöhnlich, den Briefkasten an diesem Tag leeren wird, gilt der Versicherungsschein als zugegangen und der Versicherungsvertrag besteht ab diesem Zeitpunkt. Das Ende des Versicherungsvertrages kann von einem bestimmten Ereignis oder Datum abhängig gemacht werden. Die Zeitspanne zwischen Beginn und Ende des Vertragsverhältnisses wird als formelle Vertragslaufzeit bezeichnet.

Die Haftungsdauer wird auch als materielle Vertragslaufzeit bezeichnet. Das ist die Zeit, in der der Eintritt des versicherten Ereignisses die Leistungspflicht des Versicherers auslöst. Auf diesen Zeitraum kommt es für den Versicherungsnehmer in aller Regel an. Die Haftungsdauer bestimmt sich nach der vertraglichen Vereinbarung der Parteien. Häufig decken sich der im Versicherungsvertrag bestimmte Versicherungszeitraum und die Haftungsdauer. Ist die Haftungsdauer vertraglich nicht festgesetzt, regelt sie sich nach dem Versicherungsvertragsgesetz. Das Versicherungsvertragsgesetz verdrängt als spezielleres Recht die allgemeinen Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch über Termine und Fristen.

Als technische Vertragslaufzeit bezeichnet man den Zeitraum, in dem die der Versicherungsnehmer zur Zahlung der Prämie verpflichtet ist. Der Zeitraum kann von der formellen und materiellen Vertragslaufzeit abweichen, was am Beispiel der Rückwärtsversicherung deutlich wird. Die Bestimmung dieses Zeitraumes ist für den Versicherungsnehmen bei allen Fragen bezüglich seiner Zahlungsverpflichtung gegenüber der Versicherung relevant.

Eine Ausnahme bildet der Fall der noch nicht gezahlten ersten Versicherungsprämie bei Eintritt des Schadensfalls. Das Versicherungsvertragsgesetz verdrängt an dieser Stelle erneut das allgemeine Vertragsrecht, diesmal durch die Einlösungsklausel. Sie regelt, dass der Versicherer von der Leistung frei wird, wenn der Versicherungsnehmer die erste Prämie noch nicht gezahlt hat. Er muss somit den Schaden nicht regulieren. Diese gesetzliche Regelung kann jedoch ausdrücklich oder konkludent, also durch schlüssiges Verhalten, vertraglich ausgeschlossen werden. Vereinbaren die Parteien zum Beispiel eine sofortige Deckung, auch sofortige Deckungszusage genannt, also den sofortigen Beginn der Haftung, ist die Einlösungsklausel abbedungen. Eine sofortige Deckung bedeutet, dass der Versichere dem Versicherungsnehmer bereits vor der Risikoprüfung und Abschluss des eigentlichen Versicherungsvertrages Versicherungsschutz gewährt. Sofortige Deckungszusagen werden häufig von Kfz-Versicherungen erteilt. Sie haben für den Versicherungsnehmer den Vorteil, dass er seinen Pkw sofort anmelden kann, da die Kfz-Haftpflichtversicherung als Pflichtversicherung für die Anmeldung gesetzlich vorgeschrieben ist. Die Prüfung der Unterlagen für den Abschluss einer dauerhaften Kfz-Versicherung durch die Versicherung nimmt jedoch im Regelfall mindestens zwei Wochen in Anspruch. Um diese Phase zu überbrücken, kann die Versicherung dann die sofortige Deckungszusage erteilen, ohne eine Risikoprüfung vorgenommen zu haben. Bei der vorläufigen Deckungszusage handelt es sich um einen selbstständigen Versicherungsvertrag. Der Versicherungsnehmer geht also zwei Vertragsverhältnisse mit dem Versicherer ein; den Versicherungsvertrag über die sofortige Deckungszusage, der bis zum Vertragsschluss des zweiten Vertrages, nämlich der dauerhaften Kfz-Haftpflichtversicherung, besteht.

Es besteht darüber hinaus die Möglichkeit einer Kombination der gesetzlichen Regelung und der Einlösungsklausel in Form der erweiterten Einlösungsklausel. Vereinbaren die Parteien die sofortige Deckung für einen Zeitpunkt vor Zahlung der ersten Prämie, unter der Maßgabe, dass die erste Prämie nach Aufforderung oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums gezahlt wird, haftet die Versicherung nur, wenn die Prämienzahlung nach Schadenseintritt wie vereinbart erfolgt. Andernfalls wird sie von der Haftung frei.

Die genannten Fälle sind alle solche der sogenannten Vorwärtsversicherung, bei der die Haftung mit Beginn der formellen Vertragslaufzeit beginnt oder dieser nachfolgt. Daneben gibt es noch die Rückwärtsversicherung, bei der die Haftung vor der formellen Vertragslaufzeit beginnt. Die Parteien vereinbaren also eine rückwinkende Haftung. Die materielle Vertragslaufzeit wird also so vereinbart, dass ihr Beginn vor der formellen Vertragslaufzeit liegt. Dabei ergeben sich zwei Problemkonstellationen. Wusste der Versicherungsnehmer bei Abschluss der Rückwärtsversicherung bereits, dass ein Schaden eingetreten ist, steht ihm die Leistung der Versicherung nicht zu. Andersherum hat der Versicherer keinen Anspruch auf die Prämie, wenn er Kenntnis davon hatte, dass kein Schaden eingetreten ist. Jedem Versicherungsvertrag ist immanent, dass der Eintritt eines ungewissen schädigenden Ereignisses Gegenstand des Vertrages wird. Ist das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Schadens bekannt, ist das schädigende Ereignis nicht mehr ungewiss, was zur Folge hat, dass der jeweilige Anspruch des Vertragspartners nicht besteht.

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