Baurecht: Was versteht man unter Verunstaltungsverbot?


Im Baurecht existiert ein sogenanntes Verunstaltungsverbot. Das bedeutet, dass bauliche Anlagen ihrer Form, ihrem Maßstab, dem Verhältnis der Baumasse und Bauteile zueinander, dem Werkstoff und der Farbe nach so gestaltet sein müssen, dass sie nicht verunstaltet wirken.

Das Verunstaltungsverbot gilt für alle Bauvorhaben. Davon umfasst sind sowohl Neuerrichtungen als auch Änderungen der Gebäude. Allerdings sind je nach Baugebiet und entsprechender Umgebung unterschiedliche Anforderungen an das Verunstaltungsverbot zu stellen. Grundsätzlich muss das Verunstaltungsverbot eng ausgelegt werden. Dies erfolgt vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich gewährleisteten Baufreiheit. Der Gesetzgeber kann den Bürgern nicht einerseits durch das Grundgesetz als höchstes nationales Gesetz erlauben, auf ihren Grundstücken Gebäude zu errichten, und ihnen andererseits bei Nichtgefallen ein Verunstaltungsverbot auferlegen.

Die Bauaufsichtsbehörde darf dem Bauherrn also nicht einfach ihre eigenen ästhetischen Vorstellungen zum Bau eines Gebäudes aufdrängen. Vielmehr richtet sich das Verunstaltungsverbot nach den Anschauungen eines gebildeten Durchschnittsmenschen. Es ist also auf einen objektiven Beobachter abzustellen. Dabei genügt die Beeinträchtigung des ästhetischen Empfindens für einen Verstoß gegen das Verunstaltungsverbot noch nicht. Ist ein Gebäude für den objektiven Betrachter nicht gerade schön, bedeutet dies also noch nicht, dass ein Verstoß gegen das Verunstaltungsverbot gegeben ist. Dazu ist vielmehr erforderlich, dass das Gebäude von einem gebildeten Durchschnittsmenschen als derart hässlich empfunden wird, dass das ästhetische Empfinden bereits verletzt ist. Diese Voraussetzungen liegen auf Grund der hohen Anforderungen nur sehr selten vor.

Die konkreten Anforderungen ergeben sich aus dem Baugebiet, in dem sich das verunstaltete Gebäude befindet. Dabei kommen zwei verschiedene Konstellationen in Betracht. Zunächst kann ein Verstoß gegen das Verunstaltungsverbot vorliegen, weil das Bauvorhaben selbst verunstaltet ist. Das bedeutet, dass die Verletzung des ästhetischen Empfindens bereits von dem Bauvorhaben als solchem ausgeht.

Handelt es sich zum Beispiel um ein Baugebiet, welches durchgehend eine sehr gepflegte und stilvolle Bebauung mit Sprossenfenstern vorsieht, kann der Austausch dieser Fenster gegen Einscheibenfenster durchaus zu einem Verstoß gegen das Verunstaltungsverbot führen. Durch diese Maßnahme sticht das Gebäude aus den anderen enorm hervor und widerspricht dem durchgängigen Bild der übrigen Fenster. Andererseits liegt bei einem knallroten Anstrich des Gebäudes in einer auch ansonsten farbenfrohen Siedlung noch kein Verstoß gegen das Verunstaltungsverbot vor. Die Anforderungen an das Gebäude sind somit immer von den Bauvorhaben der näheren Umgebung abhängig.

Ferner kann das Gebäude an sich gar nicht verunstaltet sein, jedoch eine verunstaltende Wirkung auf die Umgebung haben. Bauvorhaben sind also mit ihrer näheren Umgebung so in Einklang zu bringen, dass sie das Straßen-, Orts- oder Landschaftsbild nicht verunstalten. Auch darf deren beabsichtigte Gestaltung nicht durch das Bauvorhaben gestört werden. Bei der Errichtung eines Gebäudes ist somit auf die erhaltenswerten Eigenarten der näheren Umgebung Rücksicht zu nehmen.

Liegt das Grundstück zum Beispiel in einer naturbelassenen Umgebung im Außenbereich, kann eine Bebauung mit einem großen Hotelkomplex das Landschaftsbild verunstalten. In diesem Fall ist auch ein Verstoß gegen das Verunstaltungsverbot gegeben. Zwar kann das Hotel an sich von einem Durchschnittsmenschen als hübsch erachtet werden, es wirkt sich jedoch verunstaltend auf das naturbelassene Bild der Landschaft aus.

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