Wie werden Testamente ausgelegt?


Bei der Testamentsauslegung kommt es, im Gegensatz zu den Auslegungsregeln von empfangsbedürftigen Willenserklärungen, nicht darauf an, wie die Erklärung von dem Bedachten verstanden werden darf, sondern maßgebend ist der tatsächliche oder hypothetische Wille des Erblassers im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments. Der Erblasser ist derjenige, der verstorben ist. Das Testament zeigt eigentlich den persönlichen letzten Willen des Testators. Allerdings wird dieser nicht immer so eindeutig ausgedrückt, wie es für eine reibungslose Erbauseinandersetzung erforderlich ist. Aus diesem Grund ist es oftmals erforderlich, eine Auslegung des Testaments vorzunehmen.

Dazu ist zunächst zu ermitteln, ob der Erblasser überhaupt die Formvorschriften, die zur Gültigkeit eines Testaments erforderlich sind, eingehalten hat. Sollte das Testament beispielsweise nicht komplett selbst geschrieben sein und eine Unterschrift, die den Text abschließt, fehlen, so ist das Testament ungültig und somit ist gar kein Testament vorhanden. In diesem Fall würde die gesetzliche Erbfolge eintreten. Sind die Formvorschriften eingehalten liegt ein Testament vor, nun ist, soweit das möglich ist, der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen, also das, was dieser gewollt hat.

Unterschieden wird bei der Auslegung von Testamenten zwischen der erläuternden und der ergänzenden Auslegung: Im Wege der erläuternden Auslegung wird an den Wortlaut der Verfügung angeknüpft und es ist zu untersuchen inwieweit zwischen dem Willen und der Erklärung des Erblassers Abweichungen vorliegen. Es ist also vorrangig der wirkliche Wille des Erblassers zu ermitteln. Dafür sind alle Umstände, auch solche, die außerhalb des Testamentes liegen, heranzuziehen.

Von besonderer Bedeutung ist die erläuternde Auslegung auch dann, wenn der Erblasser bei der Formulierung seines Testaments mehrdeutige Begriffe verwendet hat oder eine zwar eindeutige, aber irrtümlich falsche Bezeichnung verwendet hat. So kann die Auslegung durchaus zu dem Ergebnis führen, dass sich hinter der Erklärung ein anderer Wille des Erklärenden verbirgt, als der Wortlaut des Testaments vermuten lässt. Gelingt es trotz der Auswertung aller Umstände nicht, den tatsächlichen Willen des Erblassers zu ermitteln, so ist der mutmaßliche Wille des Erblassers zu ermitteln.

Die ergänzende Auslegung wird vorgenommen, wenn das Testament des Erblassers eine oder mehrere Lücken aufweist, weil der Erblasser bei Testamentserrichtung z.B. einen Umstand nicht bedacht hat oder weil irgendeine nachträgliche Veränderung eingetreten ist, für die keine Regelung getroffen wurde. Eine solche Lücke ist dann im Wege der ergänzenden Auslegung durch die Ermittlung des hypothetischen Willens des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung zu schließen. Es kommt also darauf an, welchen Willen der Erblasser bei richtiger Einschätzung der Umstände gehabt und welche Erklärung er dementsprechend abgegeben hätte.

Die ergänzende Auslegung hat vor allem im Zusammenhang mit der deutschen Einheit von Bedeutung erlangt. So fehlten zum Beispiel in den Testamenten westdeutscher Erblasser Verfügungen bezüglich solcher Besitztümer, die auf dem Gebiet der ehemaligen DDR lagen und mit deren Rückgabe der Betreffende bei der Testamentserrichtung nicht mehr gerechnet hatte.

Nur wenn sich auch durch die erläuternden und ergänzenden Auslegung kein eindeutiges Ergebnis erzielen lässt, kann auf die gesetzlichen Auslegungsregelungen zurück gegriffen werden.

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