Die Neuheit und die Eigenart als materielle Schutzvoraussetzungen des Geschmacksmusters


Einleitung

Das Muster bildet den Gegenstand des durch das Geschmacksmuster gewährten Schutzes. Eine Definition des Begriffs des Musters findet sich zu Beginn des Geschmacksmustergesetzes. Gemäß dieser Definition handelt es sich bei einem Muster um die zwei- oder dreidimensionale Erscheinungsform eines ganzen Erzeugnisses oder zumindest eines Teils von diesem, die sich insbesondere aus den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur oder Werkstoffe des Erzeugnisses selbst oder seiner Verzierung ergibt. Unter einem Erzeugnis wird jeder industrielle oder handwerkliche Gegenstand verstanden, einschließlich der Verpackung, Ausstattung, graphischer Symbole und hypographischer Schriftzeichen sowie von Einzelteilen, die zu einem komplexen Erzeugnis zusammengebaut werden sollen. Nicht unter den Begriff des Erzeugnisses fallen nach den Vorschriften des Geschmacksmustergesetzes Computerprogramme. Nach der alten Fassung des Geschmacksmustergesetzes musste ein Erzeugnis eine selbständige Verkehrsfähigkeit aufweisen. Dies ist nach der neuen Rechtslage nicht mehr erforderlich. Von einem komplexen Erzeugnis wird gesprochen, wenn sich das Erzeugnis aus mehreren Bauelementen, die sich ersetzen lassen, zusammensetzt. Das Erzeugnis kann also auseinandergenommen und auch wieder zusammengesetzt werden. Voraussetzung für die Gewährung eines Geschmacksmusterrechts sind die Neuheit und die Eigenart des Musters.

Die Neuheit

Die materielle Schutzvoraussetzung der Neuheit des Musters ist im Geschmacksmustergesetz definiert. Gemäß dieser Definition gilt ein Muster dann als neu, wenn vor dem Anmeldetag kein identisches Muster offenbart wurde. Dabei gelten zwei oder mehrere Muster als identisch, wenn sich ihre Merkmale nur in unwesentlichen Einzelheiten unterscheiden. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einem sogenannten fotographischen Neuheitsbegriff. Als für die Beurteilung der Neuheit maßgeblicher Anmeldetag ist im Geschmacksmustergesetz derjenige Tag vorgesehen, an dem die Unterlagen mit den erforderlichen Angaben vollständig beim Deutschen Patent- und Markenamt oder einem zur Entgegennahme bestimmten Patentinformationszentrum eingegangen sind. Wurde jedoch wirksam eine Priorität in Anspruch genommen, so kommt es auf den Prioritätstag an. Zur Ermittlung der Neuheit wird das in Frage stehende Muster dem zuvor bekannten Formenschatz gegenübergestellt. Notwendig im Rahmen der Identitätsprüfung ist ein Vergleich mit jedem vorbekannten Muster, dessen Erscheinungsform dem Gegenstand des angemeldeten Musters ausreichend ähnlich ist. Ähnlich wie bei den technischen Schutzrechten erfolgt die Neuheitsprüfung im Wege eines Einzelvergleichs. In der Rechtspraxis kommt dieser Prüfung nur eine geringe Bedeutung zu. Dies liegt überwiegend daran, dass die Erfordernisse der Neuheit und der Eigenart kumulativ erfüllt sein müssen. Daher kann die Bewertung der Wesentlichkeit beziehungsweise Unwesentlichkeit von Unterschieden gegenüber einem vorbekannten Muster auch im Rahmen der Prüfung der Eigenart erfolgen. Insofern koinzidieren die maßgeblichen Kriterien der Schutzvoraussetzungen der Neuheit und der Eigenart.

Die Eigenart

Nach den Bestimmungen des Geschmacksmustergesetz weist ein Muster dann Eigenart auf, wenn sich der Gesamteindruck, den es bei einem informierten Benutzer hervorruft, von demjenigen Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes Muster, das vor dem Anmeldetag offenbart worden ist, bei diesem Benutzer hervorruft. Das Geschmacksmustergesetz bestimmt zudem, dass bei der Beurteilung der Eigenart der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Musters berücksichtigt werden soll. Daraus ergibt sich, dass es sich bei der Gestaltungshöhe um keine absolute Größe handelt. Vielmehr kommt es bei ihrer Beurteilung entscheidend auf das jeweils betroffene Erzeugnis an. Es kann hier von einer Wechselwirkung zwischen der Gestaltungshöhe und dem Schutzumfang eines Geschmacksmusters gesprochen werden.

In der Gesetzbegründung des Geschmacksmustergesetzes wird diesbezüglich ausgeführt, dass je geringer die zu fordernde Gestaltungshöhe sei, desto eher bei einer Abweichung von einem bestehenden Formenschatz ein weiteres Geschmacksmusterrecht wirksam begründet werden könne und desto geringer als Kehrseite der abgesenkten Schutzvoraussetzung auch der Schutzumfang des begründeten Rechts sei. Somit wird im Wesentlichen die Gestaltungshöhe relativiert. Als rechtspolitische Begründung dafür wird angeführt, dass der Schutz durch das Geschmacksmusterrecht als Anreiz für eine Weiterentwicklung des bestehenden Formenschatzes gewährt wird. Außerdem soll das Geschmacksmusterrecht seine Wirkung auch in Bereichen entfalten, in denen lediglich eine geringe Möglichkeit von Designvarianten gegeben ist. Insofern seien in diesen Bereichen auch keine überhöhten Anforderungen an die Gestaltungshöhe zu stellen. Auch die Prüfung der Eigenart erfolgt im Wege eines Vergleichs mit dem vorbekannten Formenschatz. Entgegen der früheren Rechtslage erfolgt in diesem Zusammenhang nunmehr jedoch ein Einzelvergleich.

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