Wie kann ein internationaler Geschmacksmusterschutz erreicht werden?


Einleitung

Im November 1925 wurde anlässlich der Revisionskonferenz zur Pariser Verbandsübereinkunft in Den Haag als Nebenabkommen zu der Pariser Verbandsübereinkunft das Haager Abkommen über die internationale Hinterlegung von Mustern und Modellen unterzeichnet. Verwaltet wird dieses Abkommen vom Internationalen Büro der WIPO mit Sitz in Genf. In den Regelungen des Abkommens ist die Möglichkeit vorgesehen, mit einer einzigen Anmeldung und Eintragung - der sogenannten internationalen Registrierung - ein ganzes Bündel nationaler Geschmacksmusterrechte auf dem Gebiet der Vertragsparteien der Pariser Verbandsübereinkunft zu erlangen. Insofern wird durch das Haager Musterabkommen zwar kein einheitliches Geschmacksmusterrecht geschaffen. Vielmehr wird lediglich eine besondere Hinterlegung des Musters in jedem einzelnen Verbandsstaat, in dem das Muster geschützt werden soll, überflüssig gemacht.

Drei Akten

Zu dem Haager Musterabkommen haben mehrere Revisionskonferenzen geführt. Aus diesem Grund bestehen hinsichtlich des Abkommens auch drei eigenständige internationale Verträge. Diese als Akten bezeichneten Verträgen können nach dem Ort ihrer Unterzeichnung unterschieden werden. Dementsprechend gibt es die Londoner Akte aus dem Jahr 1934, die Haager Akte aus dem Jahr 1960 und die Genfer Akte aus dem Jahr 1999. Zu beachten ist, dass diese drei Verträge voneinander unabhängig sind. Daher haben die Verbandsstaaten des Haager Systems die Möglichkeit, darüber zu entscheiden, ob sie einer, zwei oder allen drei Akten beitreten wollen. Schutz nach dem Haager Übereinkommen kann demnach nur in denjenigen Verbandsstaaten erlangt werden, die derselben Akte angehören wie der Staat des Anmelders. Die Londoner Akte entspricht allerdings schon seit geraumer Zeit nicht mehr dem Standard, der für eine internationale Geschmacksmusteranmeldung erforderlich ist. Die Anwendung dieser Akte beschränkt sich daher auch auf seltene Fälle. Außerdem hat die Haager Versammlung, angeregt durch die fünfzehn Vertragsstaaten der Londoner Akte, das Einfrieren der Londoner Fassung auf einer außerordentlichen Tagung im Jahre 2009 beschlossen. Aus dem Beschluss folgt, dass die Londoner Akte seit dem Beginn des Jahres 2010 nicht mehr angewendet wird. Solche Bezeichnungen, die unter die nunmehr veraltete Fassung der Londoner Akte fallen, werden somit auch nicht mehr in das internationale Register für Geschmacksmuster aufgenommen. In naher Zukunft soll die Londoner Akte durch eine entsprechende Erklärung der Vertragsparteien aufgehoben werden.

Gemeinsame Ausführungsverordnung

Als Ergänzung zum Haager Musterabkommen existiert eine gemeinsame Ausführungsverordnung aus dem Jahre 1985. Diese Ausführungsverordnung entfaltet seit 2004 Wirkung für alle drei Akten. Die WIPO verwaltet zudem die sogenannte Locarno Klassifikation. Hierbei handelt es sich um eine einheitliche Klassifikation für gewerbliche Muster und Modelle, die im Jahre 1968 von allen Mitgliedern der Pariser Verbandsübereinkunft geschlossen wurde.

Deutschland als Vertragspartei der Akten

Das deutsche Reich trat dem Haager Musterabkommen im Jahr 1928 bei, im Jahre 1939 wurde es außerdem Mitglied der Londoner Akte. Die Fassung, die in Den Haag revidiert wurde, gilt für die Bundesrepublik Deutschland seit dem Jahr 1984. Zudem wurde im Jahre 2009 durch ein entsprechendes Gesetz der Beitrit zur Genfer Akte beschlossen. Mit der Ratifizierung der Genfer Akte einher ging eine Erweiterung der Möglichkeiten für die internationale Registrierung von Geschmacksmustern bei der WIPO. Die Haager Akte sowie die gemeinsame Ausführungsverordnung sind für die Bundesrepublik Deutschland im Februar 2010 in Kraft getreten. Entsprechend wurde in das deutsche Geschmacksmustergesetz ein Abschnitt über den Schutz gewerblicher Muster und Modelle nach dem Haager Abkommen aufgenommen. Auf diese Weise wird eine Verknüpfung der Regelungen des Geschmacksmustergesetzes und des Haager Musterabkommens herbeigeführt. Eine solche Verknüpfung bestand zuvor nicht. Sie war bisher allerdings auch nicht notwendig, die Regelungen sowohl der Londoner als auch der Haager Akte galten als solche des Völkerrechts nämlich unmittelbar.

Erleichterungen durch die Genfer Akte

Die internationale Registrierung von Mustern wird durch die Genfer Akte in Vergleich zur Londoner und Haager Akte in Teilen wesentlich erleichtert. Regelungen betreffend die materiellen Schutzvoraussetzungen sind allerdings auch in dieser Akte nicht zu finden. Eine Öffnung des Haager Musterabkommens erfolgt durch die Genfer Akte gleich in zweierlei Hinsicht. Zum einen können sowohl Staaten beitreten, die eine der Eintragung vorgeschaltete Prüfung der materiellen Schutzvoraussetzungen durchführen. Zum anderen können Vertragspartei auch zwischenstaatliche Organisationen mit einer gemeinsamen Eintragungsbehörde werden. Die Europäische Union ist der Genfer Akte mit Wirkung zum Beginn des Jahres 2008 beigetreten. Deshalb finden sich auch in der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung entsprechende Regelung über die Erlangung des Schutzes nach dem Haager Musterabkommen. Über diesem Umweg hatten selbst deutsche Staatsangehörige oder Personen, die ihren Wohnsitz in Deutschland hatten, die Möglichkeit, Schutz nach dem Haager Musterabkommen zu erlangen, obwohl die Bundesrepublik Deutschland der Genfer Akte zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht beigetreten war.

Geschlossenes System

Die Anmeldung eines Muster nach der Londoner oder Haager Akte erfolgt nach den Grundsätzen eines sogenannten geschlossenen Systems. Demnach kann nur derjenige der Anmelder eines Musters sein, der die Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates besitzt oder zumindest seinen Wohnsitz in einem solchen Staat hat. Nach der Genfer Akte hingegen ist die Anmeldung eines Musters durch jede Person möglich, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem der Vertragsstaaten hat.

Änderungen durch die Genfer Akte

Zusätzlich wurde die Maximaldauer der Aufschiebung der Veröffentlichung des Musters von nur zwölf auf nun dreißig Monate ausgeweitet. Zudem wurde die Frist der Möglichkeit der Prüfung von eingetragenen Registrierungen im Hinblick auf Eintragungshindernisse und die Verlängerung der Frist zur Mitteilung der Schutzverweigerung durch ein nationales Amt von sechs auf zwölf Monate verlängert. Schließlich erfolgten Änderungen bezüglich der Erhebung von Individualgebühren für sogenannte prüfende Vertragsparteien und zwischenstaatliche Organisationen.

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