Entschuldigungsgrund: Was ist ein entschuldigender Notstand?


Auch der entschuldigende Notstand stellt einen sogenannten Entschuldigungsgrund dar. Hat man sich einem solchen entsprechend verhalten, so kann es sein dass man zwar den Tatbestand verwirklicht hat aber die Schuld dennoch entfällt.

Zunächst muss auch hier wie bereits beim Notwehrexzess eine Notwehrlage bestehen, das heißt es muss eine gegenwärtige Gefahr für den Leib, das Leben oder die Freiheit des Täters, einer angehörigen Person oder einer ihm sonst in irgendeiner Weise nahestehenden Person vorliegen. Nahestehende Personen sind in diesem Fall nur solche Personen, bei denen eine auf Dauer angelegte persönliche Beziehung zum Täter besteht, die über den üblichen Sozialkontakt des Alltagslebens hinausgeht. Gegen diese drohende Gefahr muss der Täter das dringende Bedürfnis haben sich wehren zu wollen. Gefahr bedeutet die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts oder einer Schadensintensivierung. Diese Gefahr muss auch gegenwärtig sein. Gegenwärtig ist die Gefahr dann, wenn sie alsbald in ein schädigendes Ereignis umschlagen oder ein absehbarer künftiger Schaden nur durch ein sofortiges Handeln abgewendet werden kann.

Nachdem man nun positiv festgestellt hat, dass eine Notwehrlage besteht kommt man nun zu dem Prüfungspunkt in welchem man sich genauer anschaut, ob ebenso eine Notstandshandlung vorliegt, also ob die Gefahr nicht anders abwendbar war als mit einer Rettungshandlung des Täters. Diese Handlung müsste nun geeignet, erforderlich und angemessen gewesen sein die drohende Gefahr abzuwenden. Der Täter muss allerdings die Möglichkeit, ob es auch einen anderen Ausweg geben könnte umso genauer prüfen, je größer der Schaden für den Angreifer durch seine Rettungshandlung sein wird. Erforderlich ist diejenige Verteidigungshandlung, die die sofortige, endgültige Abwendung des Angriffs verspricht. Außerdem müsste diese Handlung auch das relativ mildeste Mittel zur Verteidigung gewesen sein. Stehen also mehrere Mittel zu Wahl um sich selbst gegen einen Angreifer zu wehren, so muss man, damit auch eine Notstandshandlung besteht und man sich keiner Straftat schuldig macht, auch das mildeste von diesen Mitteln auswählen. Als Bespiel kommt hier ein Opfer in Betracht, das von einer anderen Person angegriffen wird. Dieses Opfer beherrscht nun sicher eine Selbstverteidigungsmethode, allerdings hat es auch eine Schusswaffe bei sich. Nun steht es vor einer schweren Wahl, damit eine Notstandshandlung vorliegt müsste er sich dennoch für die Selbstverteidigung, als relativ mildestes Mittel und gegen die Waffe entscheiden um sich zu wehren. Geeignet ist ein Mittel dann, wenn es im Hinblick auf die Abwendung des Angriffserfolges nicht völlig aussichtlos erscheint. Ob eine Verteidigungshandlung auch angemessen ist, lässt sich nur schwer ermitteln.

Allerdings erfordert eine solche Ermittlung immer eine genaue Betrachtung des Verhältnisses von Angriffs- und Verteidigungsmittel. Je schwerwiegender der Angriff ist, desto mehr ist auch eine entsprechende Verteidigung erforderlich. So befinden sich beispielsweise zwei junge Mädchen nachts auf dem Nachhauseweg von einer Discothek und das eine Mädchen wird plötzlich von einem Vergewaltiger auf ein dunkles Baustellengelände gezerrt. Das andere Mädchen hat nun die Wahl das von ihr zu ihrer eigenen Sicherheit mitgeführte Pfefferspray zu verwenden oder einen herumliegenden Vorschlaghammer, um dadurch sich und auch ihre Freundin zu retten. Da sie dem Pfefferspray, dem eigentlich milderen Mittel nicht traut und befürchtet bei der Anwendung lediglich selbst verletzt zu werden, entschließt sie sich den Vorschlaghammer zu ergreifen und schlägt ihn dem Vergewaltiger auf den Kopf. Sie weiß bereits beim Schlag selbst, dass der Vergewaltiger die Wucht des Aufschlages auf seinen Kopf nicht überleben wird. Obwohl sich das Mädchen hier für ein schwereres Mittel entschieden hat, ist sie dennoch durch den Notstand entschuldigt, da es für sie das in dieser Situation das geeignetste Mittel war.

Des Weiteren muss der Täter noch mit einem Gefahrabwendungswillen handeln, das heißt er muss in Kenntnis der Gefahrenlage und mit dem Willen zur Gefahrabwehr handeln Er darf sich beispielsweise nicht in einem höherem Maß wehren nur weil er sich an der anderen Person für eine andere Handlung in der Vergangenheit jetzt noch rächen möchte.

Als letztes dürfte die Hinnahme der Gefahr nicht zumutbar sein. Die Schuld des Täters entfällt demzufolge nicht, insoweit ihm den Umständen nach zugemutet werden kann, die Gefahr einfach hinzunehmen. Hierzu gibt es zwei Fälle, die sogar im Gesetz speziell angesprochen werden:

- Der Täter hat die Gefahr selbst verursacht und dadurch die Notstandslage geschaffen
- Dem Täter ist die Hinnahme der Gefahr aufgrund eines besonderen Rechtsverhältnisses zuzumuten (beispielsweise bei Soldaten oder Polizeibeamten)

Kann man nun in einer strafrechtlichen Prüfung all diese Punkte positiv beantworten, so liegt ein entschuldigender Notstand vor. Der Täter hat dann zwar möglicherweise die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt, dennoch entfällt seine Schuld letztendlich weil er sich lediglich entsprechend verhalten hat, um eine Gefahr von sich, seinem Leben oder seiner Gesundheit abzuwenden.

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