MT Die rechtfertigende Einwilligung und ihre Folgen


Insbesondere im Medizinstrafrecht und im Medienstrafrecht wird die rechtfertigende Einwilligung gerne herangezogen. Abzugrenzen ist die Einwilligung doch zunächst von dem Einverständnis. Unter einem Einverständnis versteht man die Zustimmung des Verletzten zur Rechtsgutbeeinträchtigung, welche schon bereits den Tatbestand ausschließt. Dies kommt aber nur bei den Straftaten in Betracht, deren Tatbestände ein Handeln des Täters gegen oder ohne den Willen des Opfers voraussetzen. Dies ist beispielsweise bei der Wegnahme beim Diebstahl der Fall. Erlaubt man jemanden etwas wegzunehmen, so ist man mit der Wegnahme auch einverstanden, damit verstößt die Handlung des Wegnehmenden nicht gegen die in Deutschlang gültige Rechtsnorm und ist folglich nicht rechtswidrig. Bei Tatbeständen, bei denen es nicht auf ein Wollen des Opfers ankommt, liegt dieser einfach vor, wenn er erfüllt wurde. Um aber dann eine Strafbarkeit auszuschließen muss eine Einwilligung her. Diese Einwilligung schließt dann bei dem vollendeten Delikt die Rechtswidrigkeit aus, was zur Folge hat, dass derjenige welcher die Handlung, beispielsweise die Operation durchgeführt hat, auch nicht bestraft werden kann wenn etwas schief geht und es zu schwerwiegenden Folgen für den Patienten kommt.

Dies kann ja immer der Fall sein, denn jede ärztliche Heilbehandlung ist eine tatbestandliche Körperverletzung, da sie das körperliche Wohlbefinden mehr als nur unerheblich beeinträchtigt. Daher benötigt der Arzt für jede Handlung am Patienten eine Einwilligung. Bei kleineren Behandlungen wie der einfachen Blutabnahme genügt es wenn der Patient mündlich einwilligt. Bei größeren Heileingriffen wie bei ausgedehnten Operationen, braucht der Arzt die Einwilligung schriftlich. Vor dem Eingriff bespricht deshalb der Arzt mit dem Patienten auch die möglichen Risiken die in der Operation stecken oder im Verlauf oder in der Folge der Operation auftreten können. Der Arzt muss dabei versuchen den Patienten auf eine hohe Wissensebene zu bringen, so dass der Patient auch die Möglichkeit hat qualifiziert eine Entscheidung treffen zu können. Dabei ist es immer wichtig, dass der Patient eine volle Einsichtsfähigkeit hat. Hat der Patient diese nicht, so müssen in der Regel nahe Angehörige, wie Ehepartner oder Eltern, die manchmal schweren und weitreichenden Entscheidungen treffen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn jemand nach einem schweren Unfall im Koma liegt und eine lebensnotwendige Operation ansteht, in einem solchen Fall müssen nun der Ehepartner oder wenn der Patient nicht verheiratet ist die Eltern oder die Angehörigen der Operation zustimmen.

Dabei stellt sich auch die Frage wie das Mindestalter für den ist, der die Einwilligung abgibt. Es gilt hier nicht die Altersgrenze der Volljährigkeit sondern die der natürlichen Einsichtsfähigkeit, welche ab dem vollendeten 16. Lebensjahr angenommen wird. Jedoch ist auch dies nicht immer so, sondern kommt auf die individuelle Lage an. Eine sechzehnjährige Patientin, welche sich weigert eine Blinddarmoperation durchzuführen zu lassen, kann durchaus von ihren Eltern „überstimmt“ werden. Bei weniger einschneidenden Eingriffen oder Behandlungen, wie Zahnbehandlungen, Impfungen oder ähnlichem können die Eltern aber ab diesem Zeitpunkt weniger ausrichten als noch zuvor. Spätestens ab der Volljährigkeit haben aber Jugendliche freie Hand, soweit sie psychisch völlig gesund sind. Dann können sie sich diversen Körpereingriffen, wie Schönheitsoperationen, Tätowierungen oder Piercings aussetzen, ohne dass die Eltern etwas dagegen machen oder sagen können. Vor der Volljährigkeit verlangen solche Studios in der Regel die Einwilligung der Eltern, zumeist in schriftlicher Form. Damit sind die Studiobetreiber rechtlich abgesichert und sie laufen nicht Gefahr, dass sie wegen gefährlicher Körperverletzung, denn das ist sie tatbestandlich, vor Gericht gestellt und abgeurteilt werden.

Wichtig bei der Einwilligung ist, dass sie ausdrücklich oder zumindest durch schlüssiges Handeln erklärt wird. Des Weiteren scheitert eine Einwilligung in den Fällen, in denen der Einwilligende nicht der alleinige Inhaber des betroffenen Rechtsgutes ist oder es sich nicht um ein disponibles Rechtsgut handelt, das Leben als solches ist beispielsweise nicht disponibel. In die eigene Tötung kann also nicht gültig eingewilligt werden. Auch darf die Handlung in die eingewilligt werden soll nicht gegen die guten Sitten verstoßen. Bei der nötigen Einwilligungserklärung dürfen außerdem auch keine Willensmängel, wie beispielsweise ein Irrtum oder eine Täuschung vorliegen. Vielmehr muss die Entscheidung ernstlich, bewusst und freiwillig sein. Abschließend muss dem der die Handlung vornimmt, also dem Arzt oder dem Piercingstudiobetreiber auch stets bewusst sein, dass er im Bereich einer Einwilligung handelt. Er benötigt also immer die Kenntnis über die Einwilligung. Im Übrigen liegt nach der Rechtsprechung die Schwelle der Körperverletzung bereits beim Haare abschneiden, so dass die Einwilligung sogar für den Friseurberuf relevant werden kann.

Doch manchmal muss es auch sehr schnell gehen. Beispielsweise wenn nach einem schweren Verkehrsunfall das Opfer lebensgefährlich verletzt ist und einer dringenden Operation bedarf. Tritt dann noch die Notwendigkeit auf, dass ein Bein oder ein Arm amputiert werden muss, so stehen die behandelnden Ärzte vor einem zu lösenden Problem. Sind keine Angehörige zu erreichen, so steht den Ärzten die mutmaßliche rechtfertigende Einwilligung zu. Hier dürfen sie so Handeln wie es dem Interesse des Betroffenen am wahrscheinlichsten entspricht, es darf kein erkennbarerer entgegenstehender Wille des Opfers vorhanden sein. Folglich muss somit so gehandelt werden, dass das Opfer die Einwilligung erteilt hätte, wenn es denn könnte. Ist es dabei wirklich lebensnotwendig, dass eine Gliedmaße amputiert wird, so kann auch in diesem schweren Fall angenommen werden, dass der Wunsch des Unfallopfers zu Überleben über dem Wunsch steht seinen Arm zu behalten und damit Gefahr zu laufen deswegen zu sterben.

Einen letztes Problem gibt es noch zu klären: Was ist wenn ein Patient behandelt wird ohne dass ihm ein Risiko gesagt wurde. Ein Beispielsfall hierzu ist der 20-jährige Student S, der sich in einer großen Zahnarztpraxis die Weisheitszähne ziehen lassen will. Am Vortag der Operation unterhält er sich im Rahmen der Voruntersuchung mit dem Zahnarzt A. Dieser wird von S in ein privates Gespräch verwickelt, so dass eine Aufklärung nicht wirklich stattfindet. Am nächsten Tag operiert wegen einer plötzlichen Krankheit des A der Zahnarzt B den S. Dieser klärt nicht weiter auf da er meint sein Kollege A hätte dies am Tag zuvor bereits umfassend getan. Bei der Verwendung der Betäubungsspritze wird dann ein Nerv des S getroffen, worauf ein Stück seiner Lippe sein Leben lang taub bleiben wird. Er wendet nach der OP ein, niemand hätte ihm von diesem Risiko berichtet. Die Ärzte schützt dabei die sogenannte „hypothetische Einwilligung“. Diese nimmt an, dass der Patient, also der S, sich auch in dem Fall hätte operieren lassen, wenn er von dem abstrakten Risiko erfahren hätte, dass die Betäubungsspritzen in manchen Fällen eben Nerven beschädigen können. Es entfällt also trotz der mangelhaften Aufklärung die Rechtswidrigkeit des Handelns der Ärzte. Jedoch ist dies höchst umstritten und deswegen beraten alle Ärzte ihre Patienten eingehend, um nicht auf dünnes Eis zu kommen und sich gegebenenfalls doch strafbar zu machen.

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