Wann ist eine Handlung rechtswidrig?


Hat man nun alle diese aufkommenden Fragen positiv beantwortet, so kann man nun zum nächsten Prüfungsschritt weitergehen, zur Rechtswidrigkeit. In diesem Schritt beantwortet man die Frage ob die Tat gegen das geltende Recht verstößt. Die Rechtswidrigkeit entfällt dann, wenn der Täter einen sogenannten Rechtfertigungsgrund besitzt. Die Rechtfertigungsgründe kommen sowohl aus dem Strafgesetzbuch und aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch, also aus dem deutschen Gesetzbuch der das deutsche Zivilrecht behandelt.

Der bekannteste Rechtfertigungsgrund ist die sogenannte Notwehr. Die Notwehr begründet sich auf zwei Prinzipiensäulen. Die eine ist das Schutzprinzip, welches dem Angegriffenen das Recht schenkt sich selbstständig gegen mögliche, auf ihn gerichtete Angriffe zu wehren. Die andere Säule ist das Rechtsbewährungsprinzip, welches besagt, dass das Recht dem Unrecht nicht zu weichen braucht und deshalb ist jede Notwehrhandlung gleichzeitig eine Verteidigungshandlung für die gesamte Rechtsordnung.

Für die Ausübung des schneidigen Notwehrrechts benötigt man zunächst eine Notwehrlage. Diese liegt vor, wenn ein gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff vorliegt. Dabei muss es sich um einen Angriff auf ein notwehrfähiges Rechtsgut desjenigen, der in Notwehr handelt oder eines Dritten handeln. Ein Angriff ist die von einem Menschen ausgehende drohende Rechtsgutverletzung. Dieser Angriff ist dann gegenwärtig, wenn er aus einer unabhängigen Sichtweise unmittelbar bevorsteht, bereits begonnen hat oder noch fortdauert. Rechtswidrig ist der gegenwärtige Angriff, wenn das Verhalten des Angreifers gegen die Rechtsordnung verstößt. Notwehrfähig ist der herrschenden Meinung entsprechend jedes Individualrechtsgut, wie beispielsweise der Leib, das Leben, die Ehre, das Hausrecht, das Eigentum oder der Besitz.

Liegt eine Notwehrlage vor, so hat das Opfer das Recht sich mit einer Notwehrhandlung verteidigen. Diese Handlung darf sich dabei nur gegen den Angreifer selbst richten, nicht zum Beispiel gegen unbeteiligte Dritte die sich das Schauspiel lediglich ansehen. Die Notwehrhandlung, also in der Regel die Verteidigungshandlung, muss dabei erforderlich sein. Das bedeutet, dass die Handlung zur Beendigung des Angriffs auch notwendig ist, also das das Opfer sich auf keine andere Art wehren kann und dabei bereits das relativ mildeste Mittel gewählt wurde. Dazu muss das Mittel außerdem geeignet sein. Geeignet ist ein Mittel schon dann, wenn es im Hinblick auf die Abwendung des Angriffserfolges nicht völlig aussichtslos erscheint. Eine Rechtsgüterabwägung muss nicht vorgenommen werden, so dass auch die Verletzung eines Menschen bei der Verteidigung von Angriffen auf Sachwerte zulässig sein kann.

Beispiel: ein Dieb D will dem B den Geldbeutel aus der Hosentasche stehlen. B der dies merkt, schlägt nun um den Diebstahl zu verhindern dem D mit der Faust ins Gesicht, so dass der D bewusstlos mit einer gebrochenen Nase auf den Boden sackt. B hat zur Abwehr des Angriffs auf sich selbst gegen den D aus Notwehr gehandelt. Doch in manchen Fällen ist Notwehr als solche nicht geboten, dazu mehr beim Artikel „Notwehr“. Die letzte Voraussetzung der Notwehr ist der sogenannte Verteidigungswille, was bedeutet, dass der Angegriffene stets weiß und will, dass er in Notwehr handelt und sich und seine an ihn gegebenen Rechtsgüter quasi selbst verteidigt.

Neben der Notwehr gibt es noch den rechtfertigenden Notstand. Man unterteilt nach den zivilrechtlichen Notstandstatbeständen und dem strafrechtlichen Notstand. Im Bürgerlichen Gesetzbuch gibt es den Defensivnotstand und den Agressivnotstand. Beim Defensivnotstand geht eine drohende Gefahr von einer Sache aus. Diese Sache kann ein Tier sein oder jede andere Sache die einen Menschen bedroht. Beispielsweise wenn ein Ast eines städtischen Baumes droht auf das eigene Dach zu stürzen, so darf man diesen abschneiden. Die Beschädigung oder die Zerstörung der Sache ist die Notstandshandlung, die auch geeignet sein muss und das relativ mildeste Mittel sein muss. Auch darf die Notstandshandlung nicht unverhältnismäßig sein. Erforderlich ist auch wieder eine gewisse Geisteshaltung, in diesem Fall der Gefahrabwendungswille. Beim Aggressivnotstand liegt zwar eine Gefahr vor, diese geht aber nicht von einem Menschen aus, jedoch muss der Täter zur Abwehr der Gefahr auf eine Sache einwirken um die Gefahr abzuwehren. Dabei muss einmal wieder der Gefahrenabwehrwille vorliegen und die Notstandshandlung muss erforderlich und verhältnismäßig sein. Ein Beispiel hierzu ist es, dass der O angegriffen wird, um den Messerstecher M niederzuringen, dabei ergreift er eine wertvolle Vase und schlägt sie dem Angreifer auf den Kopf. Dabei geht die Vase zu Bruch. Er ist gerechtfertigt, da er sonst sein Leben verloren hätte oder zumindest schwer verletzt worden wäre.

Bei dem im Strafgesetzbuch normierten Notstand muss eine gegenwärtige Gefahr für ein notstandsfähiges Rechtsgut bestehen, dabei kommen nun auch die Schutzgüter der Allgemeinheit in Frage. Liegt eine gegenwärtige Gefahr für ein solches Rechtsgut vor, dann kann man sich mit einer Notstandshandlung dagegen wehren. Diese Handlung muss erforderlich sein und das geschützte Rechtsgut muss das beeinträchtige Rechtsgut wesentlich überwiegen. Dafür ist eine Gesamtbewertung erforderlich. Hierbei ist das Rangverhältnis der betroffenen Rechtsgüter zu berücksichtigen. Dabei steht das Leben an erster Stelle. Deswegen ist auch eine Abwägung Leben gegen Leben nicht zulässig. Dann muss ein Gefahrenvergleich stattfinden, es muss also die drohende Gefahr gegen den Schaden abgewogen werden. Dabei muss die rettende Handlung zur Abwehr der Gefahr nicht nur geeignet, sondern auch angemessen sein. Angemessenheit setzt voraus, dass die Notstandshandlung eine möglichst geringe Beeinträchtigung anderer Rechtsgüter als des verteidigten Rechtsgutes darstellt. Ein milderes Mittel darf dabei nicht zur Verfügung stehen. Es gilt also immer der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Bei der Rettungshandlung braucht der Handelnde auch wieder einen Gefahrenabwendungswillen, also den Vorsatz als Rettender zu handeln.

Als weiterer und letzter Rechtfertigungsgrund kommt noch die Einwilligung in Betracht, welche vor allem im Medizinstrafrecht und im Medizinstrafrecht zur Anwendung kommt. Da die Einwilligung recht komplex und auch praktisch sehr bedeutsam ist behandeln wir sie in einem gesonderten Artikel.

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