MT Die zehn wichtigsten Lateinischen Rechtsprichwörter


1. In dubio pro reo

Der in dubio pro reo Grundsatz ist wohl der bekannteste der Rechtssprichwörtern, auch unter Nichtlatainern und Nichtjuristen. Wörtlich übersetzt heißt er „im Zweifel für den Angeklagten“. Er besagt, dass das Gericht bei vorliegenden Zweifeln immer zu Gunsten des Angeklagten urteilen und entscheiden muss. Bestehen also erhebliche Zweifel, ob der Angeklagte sich wirklich einer Straftat schuldig gemacht hat, so muss das Gericht den Angeklagten schließlich aus Mangel an Beweisen frei sprechen. Dieser Grundsatz schützt die Angeklagten und auch die Justiz vor Fehlern und davor, dass niemand unschuldig ins Gefängnis muss. Der In dubio pro reo Grundsatz gilt aber nicht in allen Bereichen des Gerichtsprozesses. Beispielsweise gilt er in den unterschiedlichsten Rechtsansichten nicht. Sind sich Richter und Verteidiger in einer Rechtsansicht nicht einig, muss der Richter nicht die für den Angeklagten günstigere wählen. Er ist in seiner Entscheidung frei, unabhängig und überparteilich.

2. Favor defensionis

Dieses Sprichwort bedeutet, dass das Gericht den Verteidigern gegenüber wohlwollend sein soll. Dazu gehört ,dass es diesen Zuzuhören soll, ihnen stets Akteneinsicht gewähren soll und ihnen ausreichend Zeit zu gewähren hat um den Prozess und die Prozesshandlungen, wie beispielsweise den Schlussvortrag, vorbereiten zu können. Auch muss das Gericht das Abschlussplädoyer in seine Urteilsfindung mit einbeziehen und natürlich dem Angeklagten vor der Urteilsverkündung sein letztes Wort zugestehen.

3. In dubio mitius

Diese Weisheit bedeutet, dass das Gericht im Zweifel für das Mildere entscheiden soll. Dies ist ebenfalls eine Ausgestaltung der herrschenden Unschuldsvermutung. Daher ist stets zu prüfen, ob eine Maßnahme die das Gericht verhängt auch verhältnismäßig, also geeignet, erforderlich und angemessen im Hinblick auf die Straftat erscheint. Insbesondere muss der Ermittlungsrichter im strafrechtlichen Vorverfahren entscheiden, inwieweit er in Grundrechte des Beschuldigten eingreift. Fragwürdige Ermittlungsmethoden wie eine Telefonüberwachung oder eine Wohnungsdurchsuchung mit der Beschlagnahme von Computern und von Datenträgern geht ja schon ziemlich weit in die persönliche Sphäre der betroffenen Bürger ein. Fraglich ist also nun, ob eine solche Maßnahme im Hinblick auf das, was man dadurch unter Umständen aufdecken kann, auch angemessen ist. Um das heraus zu finden, kann sich ein Bürger, falls er mit einer solchen Maßnahme unzufrieden ist, wovon man im allgemeinen ausgehen kann, an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wenden und dort eine Verfassungsbeschwerde einreichen. Im vorliegenden Fall könnte er nun überprüfen lassen, ob die Durchsuchung und die Beschlagnahme von Computern und Datenträgern gegen sein Recht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung verstößt oder diese beeinträchtigt. Fraglich ist auch, ob es eventuell auch andere mildere, gleich geeignete Mittel geben würde um an die Informationen zu gelangen. Das Gericht muss sich also stets vor Augen halten, dass der Betroffene Staatsbürger mit eigenen Rechten ausgestattet ist und natürlich Mensch mit Haut und Haaren ist.

4. Jura novit curia

Dieser Grundsatz besagt, dass das Gericht das Gesetz kennt, man muss insbesondere als Kläger in Zivilsachen dem Gericht nur den Sachverhalt aufzeigen und ihm sagen was man für Ansprüche stellt. Das Gericht prüft dann in der Folge, ob dies auch tatsächlich möglich ist. Eine Ausnahme bildet hier das Strafrecht, denn die Strafprozessordnung sieht vor, dass die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift die Paragraphen hinschreiben soll, welche verletzt wurden. Es besagt aber auch, dass ein Zeuge der vor Gericht aussagen soll, nicht dem Richter sagen soll, ob er den Angeklagten für schuldig hält oder was eine, aus seiner Sicht, gerechte Strafe darstellen würde. Denn der Richter weiß was er tut. Der Zeuge soll lediglich seine Wahrnehmungen und Eindrücke, welche er gemacht hat dem Gericht mitteilen.

5. Lex superior derogat legi inferiori

Das höhere Gesetz bricht das niedrigere Gesetz. In Deutschland bricht das Bundesrecht das konkurrierende Landesrecht. So ist in Deutschland mit Einführung des Grundgesetzes beispielsweise die Todesstrafe abgeschafft worden. Manche Landesverfassungen hatten diese jedoch noch relativ lange in ihren Texten. Ausgeführt werden durfte sie nie, denn höherrangiges Recht hatte das untersagt. In Zeiten des europäischen Zusammenwachsens gilt immer mehr EU-Recht als höherrangig, was bedeutet, dass es Anwendungsvorrang genießt. Ein mit diesem Grundsatz verwandter ist lex speciali derogat lex generali, was bedeutet das eine speziellere Regelung einer allgemeineren vorgeht.

6. Se ut dominum gerere

Wörtlich übersetzt bedeutet dieser Richtsatz „Sich wie der Eigentümer zu benehmen“. Das tut man meistens dann, wenn man mit einer Sache so verfährt, als wäre es seine eigene. Dies tut beispielsweise jeder Dieb der ja eine Sache so mitnimmt als wäre sie bereits seine. Er behandelt die Sache als hätte er bereits Eigentum an ihr erlangt, er will sie gerade dem ursprünglichen Eigentümer enteignen um sie sich selbst anzueignen. Mit dieser Zueignungsabsicht handelt er wie der Herr der Sache. Er nimmt ihm die Sache also absichtlich weg, also er bricht fremden und begründet neuen Gewahrsam. Unter Gewahrsam versteht man die vom Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft nach den Anschauungen des täglichen Lebens.

Andererseits lässt das Bürgerliche Gesetzbuch zu, dass im Zweifel angenommen wird, dass derjenige der eine Sache benutzt als wäre es seine, auch tatsächlich der Eigentümer ist. Diese Regel ist dann wiederlegbar, wenn jemand Beweise hat die aufzeigen, dass jemand anderes zwar gerade nicht Besitzer ist, jedoch in Wahrheit Eigentumsrechte genießt.

7. judex non calculat

Dieses oftmals auch im Spaß verwendete Sprichwort bedeutet: „ Der Richter rechnet nicht“. Das bedeutet, dass das Gericht in Fachfragen immer einen sachverständigen Gutachter beauftragt, damit keine rechnerischen Fehler entstehen. Den Gerichten in Deutschland steht eine Vielzahl an verschiedensten Gutachtern zur Verfügung, vom Rechtsmediziner über den Lebensmittelchemiker bis hin zum Statikingenieur. Spaßig wird es in dem Sinne verwendet, dass Juristen Gerüchten zufolge oftmals nicht rechnen können. Tatsächlich ist das rechtswissenschaftliche Studium in Deutschland einer der wenigen Studiengänge ohne Mathematikanteil. Spöttern zur Folge zieht dieses Studienfach also Matheversager an.

8. pacta sunt servanda

Verträge sind einzuhalten, dieser Grundsatz steht fest. Wer mit anderen einen Vertrag schließt möchte sich darauf verlassen, dass der andere Teil ihn auch einhält, seinen Vertragsteil also auch leistet. Grundsätzlich besteht beispielsweise ein Kaufvertrag aus einem Erfüllungsgeschäft und aus zwei Verpflichtungsgeschäften. Beide Vertragspartner verpflichten sich zu leisten, der eine verpflichtet sich die Sache herzugeben und der andere Teil verpflichtet sich das Geld mit dem er die Sache bezahlen will zu übergeben. Alles in allem ergibt ein Erfüllungsgeschäft. Erfüllt eine Vertragspartei eine Bedingung oder den ganzen Vertrag nicht, so zieht das in der Regel Schadensersatzansprüche nach sich. Die meisten Verträge sind Austauschverträge wie Kaufverträge oder Werkverträge. In diesem Zusammenhang steht auch der lateinische Satz „ do ut des“ was bedeutet „ ich gebe, damit du gibst“. Bei einem Kaufvertrag gibt man folglich das Geld, damit man dafür das Eigentum an der Kaufsache erwirbt. Wird hier nicht Zug um Zug geleistet, kommen wieder Schadensersatzvorschriften in Betracht. Ohne diese Vertragsgrundsätze würde die gesamte Wirtschaft erlahmen. Außerdem ergeben sich auch Schadensersatzansprüche aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis, das heißt wenn sich ein Vertrag anbahnt und ein Vertragspartner beschließt, dass das Geschäft doch nicht zustande kommen soll, obwohl er vorher schon zugesagt hat und der andere Partner sich auch darauf verlassen hat und beispielsweise das Geld für das Haus das er eigentlich verkaufen wollte bereits ausgegeben hat.

9. nemo tenetur se ipsum accusare

In einem Strafverfahren muss sich kein Angeklagter und kein Zeuge selbst belasten. Sollte er etwas gefragt werden, bei dessen Antwort er sich selbst einer Straftat bezichtigen müsste, so darf er auf die Frage schweigen und genießt ein Aussageverweigerungsrecht. Dies sichert ihm die Strafprozessordnung eindeutig zu. Ebenso haben Familienangehörige und auch die Verlobte des Täters ein Zeugnisverweigerungsrecht.

10. manus manum lavat

Eine Hand wäscht die Andere. Dies ist zwar eher ein Sprichwort wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Art, hat aber auch rechtliches Gewicht. Denn wenn Verträge erfüllt werden müssen, dann wäscht auch hier die eine Hand die andere, nämlich dann wenn der Käufer und der Verkäufer ohne Probleme miteinander auskommen und sich einig werden. Insgesamt sollten sich die Menschen dieses Sprichwort immer vor Augen halten, dann gibt es auch weniger Streitigkeiten. Weniger Streitigkeiten bedeuten auch weniger Gerichtsprozesse.

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