Das vereinfachte Vertragsänderungsverfahren


Die Verträge der Europäischen Union können in einem ordentlichen Änderungsverfahren und in einem vereinfachten Änderungsverfahren geändert werden. Die Regierung jedes Mitgliedstaats, das Parlament der Europäischen Union oder die Kommission kann dem Europäischen Rat Entwürfe zur Änderung aller oder eines Teils der Bestimmungen des Teils des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union über die internen Politikbereiche der Europäischen Union vorlegen. Der Europäische Rat kann dann einen Beschluss zur Änderung aller oder eines Teils der Bestimmungen des Teils des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union über die internen Politikbereiche der Europäischen Union erlassen. Der Europäische Rat beschließt schließlich einstimmig nach Anhörung des Parlaments der Europäischen Union und der Kommission sowie, bei institutionellen Änderungen im Währungsbereich, der Europäischen Zentralbank. Dieser Beschluss tritt dann erst nach Zustimmung der Mitgliedstaaten in Einklang mit ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften in Kraft. Dieser Beschluss darf allerdings nicht zu einer Ausdehnung der, der Europäischen Union im Rahmen der Verträge übertragenen, Zuständigkeiten führen. Es gilt streng das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung.

Eine weitere Möglichkeit bildet das sogenannte Passerelle- Verfahren, oder auch Brückenklausel genannt. In Fällen, in denen der Rat nach Maßgabe des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union oder im Bereich der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts oder in einem anderen bestimmten Fall einstimmig beschließt, kann der Europäische Rat einen Beschluss erlassen, wonach der Rat in diesem Bereich oder in diesem Fall mit qualifizierter Mehrheit beschließen kann. Dies gilt aber nicht für Beschlüsse mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen. Nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag von Lissabon darf eine Zustimmung des deutschen Regierungsvertreters im Europäischen Rat zu einer solchen Vertragsänderung jeweils nur dann erfolgen, wenn vorher ein Gesetz nach bestimmten Vorschriften des Grundgesetzes verabschiedet wurde. Dadurch soll die vertraglich nicht vorgesehene Ratifikation der Vertragsänderung durch die nationalen Parlamente ausgeglichen werden.

In Fällen, in denen nach Maßgabe des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Gesetzgebungsakte vom Rat gemäß eines besonderen Gesetzgebungsverfahrens erlassen werden müssen, kann der Europäische Rat einen Beschluss erlassen, wonach die Gesetzgebungsakte gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen werden können. Jede vom Europäischen Rat ergriffene Initiative wird den nationalen Parlamenten übermittelt. Falls dieser Vorschlag innerhalb von sechs Monaten nach der Übermittlung von einem nationalen Parlament abgelehnt wird, dann wird der Beschluss nicht erlassen. Wenn die Initiative aber nicht abgelehnt wird, kann der Europäische Rat den Beschluss erlassen. Der Europäische Rat erlässt die Beschlüsse dann einstimmig nach Zustimmung des Parlaments der Europäischen Union, das mit der Mehrheit seiner Mitglieder beschließt. Das deutsche Begleitgesetz zum Vertrag von Lissabon, das sogenannte Integrationsverantwortungsgesetz schreibt vor, dass der deutsche Bundestag eine solche Änderungsinitiative ablehnen kann, wenn sich die Verfahrensänderung auf eine Materie bezieht, welche im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse des Bundes betrifft. In allen anderen Fällen jedoch sind sowohl der Bundestag als auch der Bundesrat zur Ablehnung befugt. Durch das Integrationsverantwortungsgesetz wurden die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag von Lissabon umgesetzt.

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