Die Kompetenzabgrenzung zwischen Europäischer Union und den Mitgliedstaaten


Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union schreibt vor, dass der Europäischen Union Kompetenzen zugeschrieben werden die sie ausschließlich, geteilt oder koordinierend und unterstützend wahrnehmen kann. Die Auflistung der Kompetenzen ist allerdings nicht von abschließender Natur. Die eigentlichen Kompetenzgrundlagen für den Erlass von Sekundärrechtsakten sind auch nach wie vor noch über die Verträge verstreut, wobei sich dann nicht zweifelsfrei feststellen lässt um welchen Kompetenztyp es sich handelt. Für einen bestimmten Bereich wird der Europäischen Union eine ausschließliche Zuständigkeit gegeben. Wenn dies der Fall ist kann nur die Europäische Union gesetzgeberisch tätig werden und verbindliche Rechtsakte erlassen.

Die Mitgliedstaaten dürfen in einem solchen Fall nur dann tätig werden, wenn sie von der Europäischen Union hierzu ermächtigt werden oder um Rechtsakte der Europäischen Union durchzuführen. Die Mitgliedstaaten dürfen auch ausnahmsweise in Bereichen tätig werden, wenn in diesen für sie prinzipiell gesperrten Regelungsbereichen ein Fall des Gesetzgebungsnotstandes herrscht, also ein Ausbleiben einer Regelung der Europäischen Union trotz Regelungsbedarfs. Nach der vom Gerichtshof der Europäischen Union entwickelten Rechtsfigur der Mitgliedstaaten als Sachverwalter des gemeinsamen Interesses ist dann eine mitgliedstaatliche Regelung zulässig. Die Mitgliedstaaten müssen dann aber mit der Kommission zusammenarbeiten.

Die Europäische Union besitzt die ausschließliche Kompetenz für die Zollunion, die Festlegung der für das Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen Wettbewerbsregeln, die Währungspolitik für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, die Erhaltung der biologischen Meeresschätze im Rahmen der gemeinsamen Fischereipolitik und die gemeinsame Handelspolitik. Die Europäische Union hat ferner die ausschließliche Zuständigkeit für den Abschluss internationaler Übereinkünfte, wenn der Abschluss einer solchen Übereinkunft in einem Gesetzgebungsakt der Europäischen Union vorgesehen ist und wenn er notwendig ist, damit sie ihre interne Zuständigkeit ausüben kann oder soweit er gemeinsame Regeln beeinträchtigen oder deren Tragweite verändern könnte. Übertragen die Verträge der Europäischen Union für einen bestimmten Bereich eine mit den Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeit, so können die Europäische Union und die Mitgliedstaaten in diesem Bereich gesetzgeberisch tätig werden und verbindliche Rechtsakte erlassen.

Die Mitgliedstaaten nehmen ihre Zuständigkeit wahr, sofern und soweit die Europäische Union ihre Zuständigkeit nicht ausgeübt hat. Die Mitgliedstaaten nehmen ihre Zuständigkeit erneut wahr, sofern und soweit die Europäische Union entschieden hat, ihre Zuständigkeit nicht mehr auszuüben. Der Sache nach handelt es sich hierbei weiterhin entweder um konkurrierende oder um parallele Zuständigkeiten bei denen die materielle Vereinbarkeit die Kollisionsfrage löst. Die von der Europäischen Union mit den Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeit erstreckt sich auf die folgenden Hauptbereiche: Binnenmarkt, Sozialpolitik hinsichtlich der im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union genannten Aspekte, wirtschaftlicher, sozialer und territorialer Zusammenhalt, Landwirtschaft und Fischerei, ausgenommen die Erhaltung der biologischen Meeresschätze, Umwelt, Verbraucherschutz, Verkehr, transeuropäische Netze, Energie, Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und die gemeinsamen Sicherheitsanliegen im Bereich der öffentlichen Gesundheit hinsichtlich der in diesem Vertrag genannten Aspekte

In den Bereichen Forschung, technologische Entwicklung und Raumfahrt erstreckt sich die Zuständigkeit der Europäischen Union darauf, Maßnahmen zu treffen, insbesondere Programme zu erstellen und durchzuführen, ohne dass die Ausübung dieser Zuständigkeit die Mitgliedstaaten hindert, ihre Zuständigkeit auszuüben. In den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit und der humanitärenHilfe erstreckt sich die Zuständigkeit der Europäischen Union darauf, Maßnahmen zu treffen und eine gemeinsame Politik zu verfolgen, ohne dass die Ausübung dieser Zuständigkeit die Mitgliedstaaten hindert, ihre Zuständigkeit auszuüben. Die Mitgliedstaaten koordinieren jedoch ihre Wirtschaftspolitik und Beschäftigungspolitik im Rahmen von Regelungen nach Maßgabe des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, für deren Festlegung die Europäische Union zuständig ist.

Die Europäische Union ist nach Maßgabe des Vertrags über die Europäische Union dafür zuständig, eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik einschließlich der schrittweisen Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik zu erarbeiten und zu verwirklichen. In bestimmten Bereichen ist die Europäische Union nach Maßgabe der Verträge auch dafür zuständig, Maßnahmen zur Unterstützung, Koordinierung oder Ergänzung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten durchzuführen, ohne dass dadurch die Zuständigkeit der Europäischen Union für diese Bereiche an die Stelle der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten tritt. Die verbindlichen Rechtsakte der Europäischen Union, die aufgrund der diese Bereiche betreffenden Bestimmungen der Verträge erlassen werden, dürfen keine Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten beinhalten. Der Umfang der Zuständigkeiten der Europäischen Union und die Einzelheiten ihrer Ausübung ergeben sich aus den Bestimmungen der Verträge zu den einzelnen Bereichen.

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