Was ist eine Schutznormverletzung?


Um eine Schadenersatzforderung gegen die Europäische Union zu erhalten, muss eine Amtshandlung vorliegen, welche rechtswidrig ist. Sie ist genau dann rechtswidrig, wenn sie gegen eine Rechtsnorm verstöß. Bei der verletzten Rechtsvorschrift muss es sich um eine Vorschrift handeln, welche gerade den Schutz der Interessen des Geschädigten bezweckt. Dass eine Vorschrift dabei auch Belange von Einzelnen schützen kann wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass sie in erster Linie allgemeinen Interessen dient. Schutznormen stellen beispielsweise der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dar, auch das Gebot des Vertrauensschutzes, die Bestimmungen über die Grundfreiheiten, die Grundrechte sowie der allgemeine Gleichheitssatz und die besonderen Diskriminierungsverbote.

Die Rechtsakte der Europäischen Union sind mit einer Begründung zu versehen und nehmen auf die in den Verträgen vorgesehenen Vorschläge, Initiativen, Empfehlungen, Anträge oder Stellungnahmen Bezug. Diese zählen aber nach der Rechtsprechung des Gerichtshof der Europäischen Union nicht zu den Schutznormen. Dies ist eher ungewöhnlich da die vorgeschriebenen Beifügungen einer Begründung dem Betroffenen die rechtliche und tatsächliche Überprüfung der Maßnahme ermöglichen und damit dem effektiven Rechtsschutz dienen. Der Gerichtshof der Europäischen Union verlangt für Normativakte die in Bezug auf das Recht der Europäischen Union rechtswidrig sind, dass eine höherrangige individualschützende Rechtsnorm in hinreichend qualifizierter Weise verletzt ist.

Der Gerichtshof der Europäischen Union beschränkt sich dabei zunächst zwar auf Rechtsakte, die wirtschaftspolitische Entscheidungen enthalten. In seiner neueren Rechtsprechung stellt er jedoch allgemein auf eine hinreichend qualifizierte Schutznormvoraussetzung ab. Dies allerdings nur dann, wenn dem handelnden Organ der Europäischen Union ein Gestaltungsspielraum zusteht. Begründet wird dieses zusätzliches Erfordernis vom Gerichtshof der Europäischen Union damit, dass die Ausübung legislativer Gestaltungsspielräume der Europäischen Union nicht durch drohende Schadenersatzklagen behindert werden soll und so die Funktionsfähigkeit geschützt werden soll.

Demnach liegt dann eine hinreichende Verletzung einer Schutznorm vor, wenn das handelnde Organ die Grenzen seiner Befugnisse offenkundig und erheblich überschritten hat. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Verstoß gegen eine Vorschrift mit besonderer Bedeutung vorliegt, der Schaden bei einer klar umrissenen und abgegrenzten Gruppe von Personen eintritt und wenn der Schaden über die Grenzen des allgemeinen wirtschaftlichen Risikos hinausgeht. Durch die oben beschriebene Schutznormvoraussetzung muss auch ein Schaden entstanden sein, damit eine Schadenersatzforderung geltend gemacht werden kann. Es ist allerdings auch ausreichend, dass ein Schaden unmittelbar und mit hinreichender Sicherheit bevorsteht. Unter Schaden wird dabei jeder Nachteil den der Betroffene an seinem Vermögen oder an einem sonstigen rechtlich geschützten Gut in Folge der Amtspflichtverletzung erleidet verstanden.

Regelmäßig handelt es sich bei den geltend gemachten Schäden um Vermögensschäden. Als Vermögensschaden bezeichnet man Situationen, bei denen weder eine Person noch eine Sache unmittelbaren Schaden erleidet, durch schuldhaftes Verhalten aber einem Dritten ein finanzieller Schaden zugefügt worden ist. Darunter fallen auch dann entgangene Gewinne, wenn das Geschäft hinreichend konkretisiert war. Das bedeutet, dass die Rechtsgrundlage der Gewinnerzielung bereits vor der Verletzungshandlung gelegt worden war. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auch immaterielle Schäden anerkannt, die sich nicht in einem finanziellen Nachteil ausdrücken. Als Beispiel dafür sei die Aufregung, Verwirrung und Ungewissheit genannt, in welche die Betroffenen durch das unrechtmäßige Handeln eines Organs der Europäischen Union versetzt wurden.

Der Schaden muss nicht bereits eingetreten sein. Es genügt auch, dass der zukünftige Eintritt des Schadens unmittelbar bevorsteht und mit hinreichender Sicherheit vorhergesehen werden kann. Der Gerichtshof der Europäischen Union verlangt zu diesen Kriterien auch einen Kausalzusammenhang zwischen der Amtspflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden. Es wird nämlich dann eine Haftung verneint, wenn der gleiche Schaden auch ohne die fehlerhafte Handlung auf dieselbe oder ähnliche Art und Weise eingetreten wäre. Im deutschen Recht wird eine Handlung dann als kausal angesehen, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Taterfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Die Anforderungen an die Kausalität im Rahmen der Haftung der Europäischen Union werden durch einen Adäquanzmaßstab erhöht. Demnach sind dann nur solche Handlungen kausal, die nach allgemeiner Lebenserfahrung typischerweise geeignet sind, einen Schaden wie den eingetretenen zu verursachen. Dies ist im umgekehrten Sinne nicht der Fall, wenn der Eintritt des Schadens außer aller Lebenserfahrung liegt und als Folge der Handlung völlig unwahrscheinlich war.

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