Der Notbremsmechanismus


Seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon ist die Ausübung einzelner Zuständigkeiten der Europäischen Union mit einem sogenannten Notbrems- Mechanismus verknüpft. So kann ein Ratsmitglied beispielsweise, wenn es der Auffassung ist, dass ein Richtlinienentwurf zur Rechtsangleichung im Bereich des Strafverfahrensrecht und des Strafrechts grundlegende Aspekte seiner Strafrechtsordnung berührt, beantragen, dass der Europäische Rat mit dem Problem befasst wird. Im Falle eines Einvernehmens innerhalb dieses Gremiums verweist der Europäische Rat den Entwurf binnen vier Monaten nach Aussetzung des Gesetzgebungsverfahrens an den Rat zurück. Falls jedoch kein Einvernehmen erzielt wird, gelten die erleichterten Bedingungen für eine Verstärkte Zusammenarbeit. Das bedeutet, dass der Beschluss vom Rat als letztes Mittel erlassen werden kann, wenn dieser feststellt, dass das Problem tatsächlich besteht und sofern dabei auch mindestens neun Mitgliedstaaten berührt sind.

Der Rat beschließt nach dem im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgesehenen Verfahren. Ein leicht abgewandelter Notbremse- Mechanismus gilt für die Errichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft sowie für den Erlass von Maßnahmen, welche die operative Zusammenarbeit zwischen nationalen Polizeibehörden, Zollbehörden und anderen Strafverfolgungsbehörden betreffen. Danach kann auch eine Gruppe von mindestens neun Mitgliedstaaten beantragen, dass der Europäische Rat mit dem Thema befasst wird, wenn keine Einstimmigkeit im Rat herrscht. Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union bestimmt, dass das Parlament der Europäischen Union und der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Maßnahmen beschließen. Diese erstrecken sich auf das Gebiet der sozialen Sicherheit für die Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Zu diesem Zweck führen sie insbesondere ein System ein, das zuwandernde und abwandernde Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren anspruchsberechtigte Angehörigen absichert. Auch hier besteht ebenfalls für ein Mitglied des Rates die Möglichkeit über das Notbremseverfahren die Befassung des Europäischen Rates zu beantragen, um auf diese Weise die Aussetzung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens zu erreichen.

Nach einer Aussprache geht der Europäische Rat binnen vier Monaten nach Aussetzung des Verfahrens folgendermaßen vor: Er verweist den Entwurf zunächst an den Rat zurück, wodurch die Aussetzung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens beendet wird, oder er sieht von einem Tätigwerden ab, oder aber er ersucht die Kommission um Vorlage eines neuen Vorschlags. In diesem Fall gilt dann der ursprünglich vorgeschlagene Rechtsakt als nicht erlassen. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nähert sich die Ausübung dieses Notbremsmechanismuses einer Vertragsänderung an. Deshalb verlangt es, dass bei entsprechender Ausübung auch die Integrationsverantwortung der innerstaatlichen Gesetzgebungsorgane beachtet wird. Das Bundesverfassungsgericht vertritt dabei die Meinung, dass sich nur auf diese Weise das grundsätzlich notwendige Maß an demokratischer Legitimation über die mitgliedstaatlichen Parlamente gewährleisten lässt. Der deutsche Vertreter im Rat muss deshalb in Fällen, in denen der Notbremsmechanismus nach Maßgabe des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union in dem Bereich der Zollunion angewandt wird, beantragen, den Europäischen Rat zu befassen, wenn der Bundestag ihn hierzu durch einen Beschluss angewiesen hat.

Der deutsche Vertreter muss den Antrag auch dann stellen, wenn der Bereich mit dem mehrjährigen Finanzrahmen betroffen ist, durch den sichergestellt werden soll, dass die Ausgaben der Europäischen Union innerhalb der Grenzen ihrer Eigenmittel eine geordnete Entwicklung nehmen. Wenn im Schwerpunkt besondere Gebiete betroffen sind, muss der deutsche Vertreter im Rat einen Antrag auch dann stellen, wenn ein entsprechender Beschluss des Bundesrates vorliegt. Die besonderen Gebiete sind in Deutschland solche für welche eine Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes nicht besteht, oder für welche die Länder gemäß des Grundgesetzes das Recht zur Gesetzgebung haben. Ferner gehören auch solche Bereiche dazu, für welche die Länder gemäß des Grundgesetzes abweichende Regelungen treffen können oder deren Regelung durch ein Bundesgesetz der Zustimmung des Bundesrates bedarf.

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