Handelsembargos der Europäischen Union


Die Europäische Union, die die Rechtsnachfolgerin der Europäischen Gemeinschaft darstellt, hat seit den Änderungen des Vertrags von Maastricht die ausdrückliche Kompetenz, Wirtschaftssanktionen und Embargomaßnahmen gegenüber Drittstaaten zu ergreifen. Die Europäische Gemeinschaft hatte zwar auch schon früher Embargomaßnahmen ergriffen, allerdings war zu diesem Zeitpunkt umstritten, ob die allgemeine handelspolitische Kompetenznorm hierfür eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage bieten konnte, da das Hauptziel eines Handelsembargos eigentlich außenpolitischer Natur ist. Der von den Embargomaßnahmen betroffene Staat soll durch die Sanktionsmaßnahmen zu völkerrechtskonformen Handeln gedrängt werden.

In der Praxis behalf man sich vor Inkrafttreten des Vertrages von Maastricht damit, dass in einem ersten Schritt die außenpolitische Grundentscheidung über das „ob“ eines Handelsembargos im Rahmen der früheren Europäischen Politischen Zusammenarbeit einstimmig von den Mitgliedstaaten getroffen wurde und die handelspolitische Umsetzung, also das „wie“ anschließend in einem zweiten Schritt durch die Europäische Gemeinschaft mittels einer auf die Kompetenznorm der gemeinschaftlichen Handelspolitik gestützte Verordnung erfolgte. Rechnung wurde der verbliebenen außenpolitischen Zuständigkeit also durch den ersten Schritt getragen. Für diese zweistufige Praxis besteht heute im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union eine sichere und ausdrücklich normierte Kompetenzgrundlage.

Einigen sich die Mitgliedstaaten im Rat im Rahmen der Gemeinsamen Außenpolitik und Sicherheitspolitik in diesbezüglichen Beschlüssen darauf, die Wirtschaftsbeziehungen zu einem oder mehreren Drittstaaten auszusetzen, einzuschränken oder vollständig einzustellen, also das außenpolitische „ob“, dann trifft der Rat auf gemeinsamen Vorschlag des Hohen Vertreters für Außen- und Sicherheitspolitik und der Kommission die erforderlichen Sofortmaßnahmen auf der Grundlage des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Die Europäische Union ist genauso wie für den übrigen Bereich der Außenhandelspolitik für Embargomaßnahmen ausschließlich zuständig. Das bedeutet, dass die Mitgliedstaaten ohne unionsrechtliche Ermächtigung nicht mehr befugt sind, außenpolitisch motivierte Wirtschaftssanktionen zu ergreifen. Der voraus liegende Akt der Gemeinsamen Außenpolitik und Sicherheitspolitik kann bei gerichtlicher Überprüfung von Embargobeschlüssen der Europäischen Union nicht auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüft werden.

Durch den Hinweis im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf die Finanzbeziehungen wird klargestellt, dass auch weitere Bereiche abgedeckt sind. Solche sind Maßnahmen um Ziele in Bezug auf die Verhütung und Bekämpfung von Terrorismus und damit verbundener Aktivitäten zu verwirklichen. Dann schaffen das Parlament der Europäischen Union und der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren durch Verordnungen einen Rahmen für Verwaltungsmaßnahmen in Bezug auf Kapitalbewegungen und Zahlungen, wozu das Einfrieren von Geldern, finanziellen Vermögenswerten oder wirtschaftlichen Erträgen gehören kann, deren Eigentümer oder Besitzer natürliche oder juristische Personen, Gruppierungen oder nichtstaatliche Einheiten sind. Auch im Bereich des Kapitalverkehrs und Zahlungsverkehrs ist das oben beschriebene zweistufige Verfahren vorgesehen. Dies bedeutet, dass vorab durch den Erlass eines Rahmens für Verwaltungsmaßnahmen in Bezug auf Kapitalbewegungen und Zahlungen durch das Parlament der Europäischen Union und den Rat eine Entscheidung über das „ob“ des Vorgehens der Europäischen Union getroffen worden sein muss.

Die Mitgliedstaaten bemühen sich, über das Ausmaß der Liberalisierung der Dienstleistungen, zu dem sie aufgrund der einschlägigen Richtlinien verpflichtet sind, hinauszugehen, falls ihre wirtschaftliche Gesamtlage und die Lage des betreffenden Wirtschaftszweigs dies zulassen. Die Kommission richtet entsprechende Empfehlungen an die betreffenden Staaten. Daraus konnte auch bislang schon eine Stütze für Sanktionsmaßnahmen abgeleitetet werden, die nicht unmittelbar Drittstaaten betreffen, sondern sich gezielt gegen Einzelpersonen oder private Organisationen richten. Als Beispiel dafür gilt das Einfrieren von Bankkonten. Dies setzte aber voraus, dass diese Personen und Organisationen zumeist mit einem terroristischen Hintergrund einen hinreichenden Bezug zu einem Drittstaat hatten. Wenn Personen oder Organisationen ein Teil des Hoheitsgebietes eines Staates effektiv physisch kontrollierten, lag dieser Bezug vor. Wenn sie mit den Machthabern verbündet waren, oder wenn sie unmittelbar oder mittelbar von ihnen kontrolliert wurden, bestand auch dieser Bezug. Falls jedoch kein hinreichender Bezug zu einem Drittstaat bestand, etwa weil das dort früher einmal ausgeübte Regime nicht mehr existierte, konnte keine ausreichende Rechtsgrundlage aus obiger Tatsache für wirtschaftliche und finanzielle Sanktionsmaßnahmen gegen Einzelpersonen gegeben sein, denn Maßnahmen zur Förderung der internationalen Sicherheit gehörten nicht zu den Zielen der Vertrags über die Europäische Gemeinschaft.

Nach Ansicht des Gerichts der Europäischen Union war die Umsetzung einer derartigen Maßnahme im Rahmen des Rechts der Europäischen Gemeinschaft trotzdem möglich. Der Gerichtshof der Europäischen Union jedoch hielt ein solches Vorgehen für unzulässig. Der Gerichtshof der Europäischen Union zog zwar dieselbe Rechtsgrundlage heran wie das Gericht der Europäischen Union, jedoch mit einer anderen Begründung. Der Zweck einer derartigen Maßnahme ließe sich demnach den Zielen des Vertrags über die Europäische Gemeinschaft zuordnen. Dies ergebe sich aus dem Auftrag, den Erlass von wirtschaftlichen Restriktionen, die auf einem Beschluss der Gemeinsamen Außenpolitik und Sicherheitspolitik basieren, durch die wirksame Nutzung eines gemeinschaftlichen Instruments zu ermöglichen. Diese Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union wurde nunmehr durch die Änderung des Vertrags von Lissabon bestätigt. Im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union besteht nun eine ausdrückliche Kompetenz für Sanktionen gegenüber Einzelpersonen.

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