Allgemeines zur Prägetheorie des Bundesgerichtshofes


Einleitung

Der Bundesgerichtshof weicht mit seiner Prägetheorie von der Maßgeblichkeit des Gesamteindrucks für die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ab. Mit dieser Theorie stellt der Bundesgerichtshof besondere Regeln für die in der Praxis häufig auftretenden Fälle auf, in denen auf mindestens einer Seite ein Zeichen verwendet wird, welches sich im weitesten Sinne aus mehreren Bestandteilen zusammensetzt. Dies können mehrere Wort-, Bild- oder Formbestandteile sein oder auch nur als solche erkennbare Teile eines einzigen zusammen geschriebenen Wortes. Die Kernaussage der Prägetheorie des Bundesgerichtshofs besagt, dass einem einzelnen Bestandteil eines Zeichens unter Umständen eine besondere Bedeutung beizumessen sei, durch die das gesamte Zeichen seine Prägung erhalte. Deshalb sei unter Umständen eine Verwechslungsgefahr hinsichtlich zweier Zeichen bereits dann gegeben, wenn die die Gesamtheit der Zeichen prägenden Elemente identisch oder zumindest ähnlich sind. Eine solche Prägung des Zeichens durch einen dominierenden Bestandteil des Zeichens setzt allerdings voraus, dass ausreichende Anhaltspunkte aus dem Bereich der allgemeinen Lebenserfahrung dafür vorliegen, die eine dahingehende Annahme rechtfertigen, dass die übrigen Bestandteile der Zeichen bei der Wahrnehmung von den betreffenden Verkehrskreisen vernachlässigt werden.

Kritik

Im Einzelnen weist die Prägetheorie des Bundesgerichtshofs ein komplexes Gemenge an Ausnahmen, Unterausnahmen und Gegenaufnahmen auf. Sie ist aus diesem Grund im juristischen Schrifttum erheblich kritisiert worden. Im Wesentlichen wird sie als Geflecht von Grundsätzen und Ausnahmefallgruppen bezeichnet. Hierdurch sei die Prognostizierbarkeit von Entscheidungen hinsichtlich einer Verwechslungsgefahr und damit zugleich die Rechtssicherheit auf dem Gebiet des Markenrechts in erheblichen Maße beeinträchtigt. Das vom Bundesgerichtshof entwickelte System sei selbst von Fachleuten kaum mehr zu durchschauen, in seinen Entwicklungen nicht vorhersehbar und größtenteils selbstreferentiell. Daher fördere es nicht die Klarheit und Rechtssicherheit auf dem Gebiet des Markenrechts, sondern sei vielmehr durch eine gravierende Unübersichtlichkeit geprägt.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat dem Europäischen Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsverfahren in der Entscheidung „Thomson Life“ zwar die Möglichkeit gegeben, zur Prägetheorie des Bundesberichtshofs Stellung zu beziehen. Der Europäische Gerichtshof ging jedoch auf die vom Bundesgerichtshof entwickelte Theorie in der besagten Entscheidung überhaupt nicht ein. Vielmehr konzentrierte sich der Europäische Gerichtshof auf einen vom Bundesgerichtshof bisher wenig beachteten Aspekt. Die Klägerin Medion AG begehrte, aus ihrer älteren Wortmarke „Life“, die unter Anderem für Geräte der Unterhaltungselektronik geschützt ist, gegen die Verwendung der Bezeichnung „Thomson Life“ durch die Beklagte Thomson Multimedia GmbH für identische Waren vorzugehen. Zwar bestätigte der Europäische Gerichtshof, dass es durchaus möglich sei, dass ein komplexes Zeichen durch eines oder mehrere seiner Bestandteile prägend dominiert werde. Jedoch stellte der Europäische Gerichtshof zugleich klar, dass es keinesfalls ausgeschlossen sei, dass im Einzelfall eine ältere Marke, die von einem Dritten in einem zusammengesetzten Zeichen benutzt wird, das die Unternehmensbezeichnung dieses Dritten enthält, eine selbständig kennzeichnende Stellung in diesem zusammengesetzten Zeichen behält, ohne jedoch zugleich den dominierenden Bestandteil zu bilden.

In einem solchen Fall sei das Zeichen in der Lage, bei den betreffenden Verkehrskreisen den Eindruck zu erwecken, die fraglichen Waren beziehungsweise Dienstleistungen stammten aus Unternehmen, die zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht miteinander verbunden seien. In einem solchem Fall wäre eine Verwechslungsgefahr dann zu bejahen. Jedoch könne die Feststellung einer Verwechslungsgefahr nicht allein darauf beruhen, dass der von dem zusammengesetzten Zeichen erweckte Eindruck vor demjenigen Teil des Zeichens, das die ältere Marke bildet, dominiert werde.

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