MT Der Grundsatz der Erschöpfung im Markenrecht und seine Ausnahme


Einleitung

Unter Umständen ist es möglich, dass zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Verletzung des Markenrechts erfüllt sind, die Geltendmachung der nach dem Markengesetz daraus resultierenden Ansprüche jedoch an den Schranken des Markenschutzes scheitert. Eine praktisch wichtige Einschränkung erfährt das ausschließliche Benutzungsrecht, welches dem Inhaber eines Zeichens ja grundsätzlich zusteht, durch den im Markengesetz geregelten Grundsatz der Erschöpfung.

Grundsatz der Erschöpfung

Dem Grundsatz der Erschöpfung zufolge hat der Inhaber eines Zeichens keine Möglichkeit, einem Dritten die Benutzung des Zeichens für Waren beziehungsweise Dienstleistungen zu untersagen, die von dem Zeicheninhaber selbst oder zumindest mit dessen Zustimmung im Inland oder in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union in den Verkehr gebracht wurden. Den Staaten der Europäischen Union sind im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Erschöpfung zudem diejenigen Staaten gleichgestellt, die Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind. Hierzu zählen - neben den Staaten der Europäischen Union - Island, Liechtenstein und Norwegen. Die rechtspolitische Begründung dieser Schranke des Markenschutzes liegt darin, dass es mit dem Sinn und Zweck des Zeichenrechts als unvereinbar angesehen wird, dem Inhaber des Zeichens ein Vertriebsmonopol einzuräumen, durch das es ihm ermöglicht wird, den weiteren Weg der rechtmäßig gekennzeichneten Ware bis zum Endverbraucher beliebig zu steuern.

Der Rechtsinhaber hat bereits mit dem freiwilligen Inverkehrbringen der Ware beziehungsweise der Dienstleistung diejenigen Vorteile wahrgenommen, die sich aus dem Zeichenrecht ergeben. Daher verdient die gebotene Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse des freien Wirtschaftsverkehrs in solchen Konstellationen den Vorrang. Außerdem lässt sich auch aus dem Grundsatz der gemeinschaftsweiten Erschöpfung ableiten, dass das Zeichenrecht nicht dazu verwendet werden darf, Reimporte von Originalwaren zu unterbinden. Dieser Grundsatz erstreckt sich nicht lediglich auf Reimporte aus den Mitgliedsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums. Vielmehr werden auch Reimporte aus Drittstaaten erfasst. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass das erste Inverkehrbringen der Ware willentlich innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums stattfand. Hiervon ist nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs insbesondere dann auszugehen, wenn die Ware an einen Abnehmer verkauft wird, der in einem Drittstaat ansässig ist und die Ware im Europäischen Wirtschaftsraum ab Werk an den eingeschalteten Spediteur übergeben wird.

Der tatsächliche Sitz des Abnehmers der Ware ist für die Beurteilung des Eingreifens des Grundsatzes der Erschöpfung daher nicht relevant. Hierdurch wird auch den Grundsätzen Rechnung getragen, die der Europäische Gerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung entwickelt hat. Demnach sei eine Einschränkung des freien Warenverkehrs durch eine künstliche Abschottung der internationalen Märkte grundsätzlich unzulässig. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des Grundsatzes der Erschöpfung sind dem als Markenverletzer in Anspruch Genommenen auferlegt. Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn zu dessen Gunsten ausnahmsweise Beweiserleichterungen eingreifen. Solche Beweiserleichterungen kommen insbesondere im Zusammenhang mit dem Nachweis von Tatsachen in Betracht, die in der Sphäre des Markeninhabers liegen. Von solchen Tatsachen nämlich hat der Beweisbelastete meist keine Kenntnis. Der Markeninhaber jedoch kann über solche Tatsachen in der Regel unschwer Auskunft erteilen. Zudem greift eine Beweiserleichterung auch dann ein, wenn Unzumutbarkeitsgründe vorliegen. Dies kann insbesondere die Unzumutbarkeit der Aufdeckung der gesamten Lieferkette sein.

Nach der Rechtsprechung betreffend das früher geltende Warenzeichengesetz entfaltete der Grundsatz der Erschöpfung weltweit Wirkung. Demnach könnte die Erschöpfung auch dann eintreten, wenn die gekennzeichnete Ware mit der Zustimmung des Markeninhabers in einem nicht zur Europäischen Union oder zum Europäischen Wirtschaftsraum gehörenden Staat in den Verkehr gebracht wurde. Diesbezüglich wurde allerdings nicht selten eine Unvereinbarkeit mit dem sogenannten Territorialitätsprinzip gerügt. Diese Rüge wurde jedoch regelmäßig mit dem Argument zurückgewiesen, dass die durch das Zeichenrecht garantierten Funktionen - insbesondere die Herkunftsfunktion - durch Reimporte von Originalwaren aus dem Ausland nicht beeinträchtigt würden.

Dabei sei es gleichgültig, wo die besagten Reimporte ihren Ursprung hätten. Nunmehr wird die Wirkung des Grundsatzes der Erschöpfung im Markengesetz allerdings ausdrücklich auf den Europäischen Wirtschaftsraum beschränkt. Insofern ist auch der Bundesgerichtshof von seiner veralteten Rechtsprechung abgerückt. Zudem geht der Europäische Gerichtshof davon aus, dass der auch in der Markenrichtlinie festgelegte Grundsatz der Erschöpfung für die Markenrechtsordnungen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union rechtsverbindlich ist.

Ausnahme vom Grundsatz der Erschöpfung

Das Markengesetz enthält allerdings auch eine Generalklausel, die eine Ausnahme vom Grundsatz der Erschöpfung statuiert. Diesem Grundsatz zufolge hat der Rechtsinhaber die Möglichkeit, sich der Verwendung des Zeichens im Zusammenhang mit den vertriebenen Waren zu widersetzen. Voraussetzung ist allerdings, dass für eine solche Widersetzung berechtigte Gründe vorliegen. Beispielhaft wird vom Markengesetz der Fall genannt, dass hinsichtlich des Zustands der Waren nach dem Inverkehrbringen eine Veränderung beziehungsweise Verschlechterung erfolgt ist. Die hier dargestellte Einschränkung des Erschöpfungsgrundsatzes hat den Zweck, den Rechtsinhaber vor Beeinträchtigungen der Zeichenfunktion - im Besonderen der Herkunfts- und Qualitätsfunktion - zu schützen. Von besonderer praktischer Relevanz ist die Ausnahmeregelung betreffend den Grundsatz der Erschöpfung hinsichtlich des Umpackens von Arzneimitteln in Verpackungen anderer Größe.

Diese Praxis ist in einzelnen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verbreitet. Auf diese Weise sollen die unterschiedlichen Gegebenheiten der Märkte zur Erzielung eines höheren Gewinns genutzt werden, indem das Preisgefälle zwischen dem Preis der Originalware und dem für die umgepackte Ware erzielten Preis ausgenutzt wird. Der Europäische Gerichtshof geht in seiner Rechtsprechung betreffend diejenige Regelung der europäischen Markenrichtlinie, auf der besagte Regelung im Markengesetz beruht, davon aus, dass keine berechtigten Gründe vorliegen, die eine Erschöpfung verhindern, wenn die nachfolgend genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Zum einen müsste die Geltendmachung der Marke dazu führen, dass eine künstliche Abschottung des Marktes bewirkt würde. Zum anderen darf keine Beeinträchtigung des Originalszustandes der Ware zu befürchten sein. Des Weiteren darf keine imageschädigende Neuverpackung der Marke verwendet werden. Außerdem muss der Inhaber der Marke hinreichend über die getroffenen Maßnahmen informiert werden. Schließlich muss auf der neuen Verpackung der Ware auf die erfolgte Umverpackung hingewiesen werden.

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