Die Umsetzung der europäischen Markenrichtlinie


Einleitung

Das deutsche Kennzeichenrecht wurde mit dem Markengesetz, welches 1995 in Kraft trat, durch den deutschen Gesetzgeber tiefgreifend reformiert. Das deutsche Markengesetz dient der Umsetzung europäischen Markenrichtlinie. Die größte Änderung im Vergleich zur zuvor bestehenden Rechtslage besteht darin, dass der Anwendungsbereich des Markengesetzes wesentlich weiter reicht als derjenige des Warenzeichengesetzes, welches zuvor galt. Der Anwendungsbereich des Markengesetzes beschränkt sich nämlich nicht lediglich auf Marken. Vielmehr werden zusätzlich geschäftliche Bezeichnungen und auch geografische Herkunftsangaben erfasst. Zweck des Markengesetzes ist somit die einheitliche Regelung aller im geschäftlichen Verkehr genutzten Kennzeichen. In dem alten Warenzeichengesetz fanden die anderen Kennzeichen neben der Marken nur geringe und auch nicht systematische Beachtung. Der deutsche Gesetzgeber ist allerdings mit der Schaffung einer umfangreichen Kodifikation des Kennzeichenrechts weit über die Vorgaben der europäischen Harmonisierungsrichtlinie hinausgegangen. Die Richtlinie beschränkt sich nämlich ausschließlich auf den formellen Schutz eingetragener Marken, mithin den Markenschutz im engeren Sinne. Trotz der Einbeziehung aller Kennzeichen in den Regelungsbereich des Markengesetzes steht weiterhin das Recht an der eingetragenen Marke im Zentrum der Kodifikation.

Aufgabe des Akzessorietätsgrundsatzes

Das Markengesetz geht auch damit über die Vorgaben der Richtlinie hinaus, dass es die im Rahmen des alten Warenzeichengesetzes als „Ausstattung“ bezeichnete, nicht eingetragene Marke mit dem eingetragenen Zeichenrecht gleichsetzt. Das Markengesetz erkennt die durch die Benutzung des Zeichens im Verkehr erworbene Verkehrsgeltung innerhalb der beteiligten Verkehrskreise als gleichwertigen Entstehungstatbestand neben der Eintragung des Zeichens in das Markenregister an. Traditionell machte zudem die Bindung des Zeichens an den Geschäftsbetrieb einen der grundlegenden Wesenzüge des deutschen Markenrechts aus. Die Bindung sollte ursprünglich dem Schutz der Herkunftsfunktion dienen, wurde jedoch im Rahmen der Markenrechtsreform beseitigt. Diese Abschaffung des sogenannten Akzessorietätsgrundsatzes bedeutete freilich einen Paradigmenwechsel. Das frühere Warenzeichengesetz prägte nämlich die Grundannahme, dass die wesentliche Funktion der Marke darin zu sehen sei, die Waren und Dienstleistungen hinsichtlich ihrer betrieblichen Herkunft voneinander zu unterscheiden. Der Hauptzweck des Markenschutzes sollte - anders gewendet - darin liegen, der Gefahr zu begegnen, dass zwei Zeichen im Hinblick auf ihre betriebliche Herkunft in den beteiligten Verkehrskreisen miteinander verwechselt wurden.

Solche Täuschungen hinsichltich der Herkunft einer Ware beziehungsweise Dienstleistung sollten dadurch verhindert werden, dass die Marke an den jeweiligen Geschäftsbetrieb gebunden war. Diese Bindung hatte zwei verschiedene Ausprägungen. Zum einen wurde die Existenz eines Geschäftsbetriebes als konstitutive Voraussetzung für den Erwerb eines Warenzeichens angesehen. Zum anderen durfte ein einmal erlangtes Warenzeichen ausschließlich zusammen mit dem Geschäftsbetrieb übertragen werden. Die zuletzt genannte Ausprägung der Bindung des Warenzeichens an den Geschäftsbetrieb wurde bereits im Jahre 1992 im Rahmen der Wiederherstellung der Rechtseinheit in der Bundesrepublik Deutschland beseitigt. Weiterhin Bestand allerdings hatte zunächst das Erfordernis des Bestehens eines Geschäftsbetriebs als Voraussetzung der Erlangung eines Warenzeichens. Jedoch erfuhr auch diese Voraussetzung nach und nach eine Aufweichung. Entgegen dem insofern klaren Wortlaut des Warenzeichengesetzes wurde nämlich nicht mehr verlangt, dass der Geschäftsbetrieb ausdrücklich genannt wurde. Insoweit war auch die Regelung des Warenzeichengesetzes dahin auszulegen, dass es nicht eines bestimmten, zu den Waren und Dienstleistungen gehörenden Geschäftsbetriebs bedurfte, sondern lediglich irgendeines Geschäftsbetriebs des Anmelders.

Mit Inkraftreten des Markengesetzes wurde der Grundsatz der Bindung an einen Geschäftsbetrieb vollständig und endgültig aufgegeben. Somit wird aus dem Regelungsgehalt des Markengesetzes auch deutlich, dass nicht mehr die Herkunftsfunktion als Grundfunktion der Marke angesehen werden kann. Inhalt und Reichweite des durch die Marke gewährten Schutzes sollen sich nunmehr an anderen Kriterien orientieren. Durch das fehlende Akzessorietätserfordernis und die damit einhergehende Tatsache, dass jedermann Markenrechte erwerben kann, steigt freilich die Gefahr missbräuchlicher Markeneintragungen und Rechtsausübungen. Um den so möglicherweise entstehenden Problemen entgegenzuwirken, sieht das Markengesetz den Nichtigkeitsgrund der bösgläubigen Anmeldung vor. Hierbei handelt es sich um eine abschließende Regelung. Demzufolge kann daneben der allgemeine Grundsatz der unzulässigen Rechtsausübung nach den Regelungen des bürgerlichen Rechts angewandt werden. Von besonderer Relevanz ist dies im Zusammenhang mit Markenanmeldungen zu Zwecken der Spekulation. Solche Anmeldungen zeichnen sich durch das Fehlen eines ernsthaften Willens des Anmelders, die Marke entweder selbst zu benutzen oder sie zumindest einer Nutzung durch Dritte zuzuführen, aus. Zudem besteht der Zweck der Hortung der Marken im Wesentlichen darin, dass Dritte, die identische oder ähnliche Bezeichnungen verwenden, mit Unterlassungs- beziehungsweise Schadensersatzklagen überzogen werden sollen. Dadurch sollen Dritte zum Abschluss einer Lizenzvereinbarung mit einhergehender Verpflichtung zur Zahlung eines Entgelts für die Nutzung der Marke gedrängt werden.

Verbleibende Bedeutung der Herkunftsfunktion

Obwohl der Akzessorietätsgrundsatz nunmehr aufgegeben wurde, sieht die Rechtsprechung die Hauptfunktion der Marke dennoch darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleitungen zu gewährleisten. So betont der Europäische Gerichtshof in den Urteilen „Canon“ und „Bravo“, dass der Zweck des durch die Marke gewährten Schutzes insbesondere darin bestehe, die Herkunftsfunktion der Marke zu gewährleisten. Auch der Bundesgerichtshof hat sich der Ansicht des Europäischen Gerichtshofes angeschlossen. Zu beachten ist allerdings, dass die Herkunftsfunktion der Marke - jedenfalls nach der Abschaffung des Akzessorietätsgrundsatzes - nicht mehr im Sinne eines konkreten Hinweises auf ein bestimmtes Unternehmen verstanden werden kann. Für die angesprochenen Verkehrskreise ist nämlich im Großteil der Fälle eben gerade nicht mehr erkennbar, welches konkrete Unternehmen hinter dem jeweiligen Zeichen steht. Zudem werden mit den jeweiligen Zeichen meist keine konkreten Erwartungen bezüglich der Herkunft der Ware beziehungsweise der Dienstleistung verbunden.

Gegen die Annahme einer konkreten Herkunftsfunktion sprechen bereits die Eigenschaften der heutigen Wirtschaft. So kommt es häufig zu einem Inhaberwechsel produzierender Unternehmen, es bestehen teils komplexe und nur schwer zu durchschauende Verbindungen von Unternehmen und schließlich spricht auch die Vergabe von Lizenzen an Drittunternehmen gegen die Annahme dieser Funktion der Marke. Insofern verbleibt einzig die Möglichkeit einer abstrakten Herkunftsfunktion im Sinne einer Produktverantwortung des Inhabers der Marke. Bei der herkömmlichen Funktionenlehre soll die Herkunftsfunktion traditionell im Mittelpunkt stehen. Die Kritik an der Enge dieser Lehre ergeht insofern zurecht. Die Marke ist mittlerweile zu einem umfassenden Kommunikationsmittel geworden, welches als Medium der Information und Werbung dient. Zudem kreiert und representiert die Marke als Symbol die unternehmerische Leistungsfähigkeit und das Image des Unternehmens. Insofern wird wohl zurecht dafür gestritten, die verschiedenen einzelnen Funktionen der Marke als Ausprägungen einer weitreichenden Kommunikationsfunktion zu erfassen. Insoweit ist einem umfassenden kommunikationstheoretischen Ansatz der Vorzug zu gewähren. Demnach ist die Unterscheidung zwischen den rechtlich geschützten und den darüber hinausgehenden wirtschaftlichen Funktionen der Marke aufzugeben. Stattdessen sollte die Marke in ihrer gesamten Kommunikationsfunktion Schutz genießen.

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