Die rechtliche Diskussion um Ersatzteile im Geschmacksmusterrecht


Vorschlag der Kommission der Europäischen Union

Bereits im Jahre 2004 wurde von der Kommission der Europäischen Union ein Vorschlag für die Liberalisierung des Handels mit Ersatz- und Reparaturteilen verabschiedet. Dieser Vorschlag sah vor, dass grundsätzlich kein Schutz für sichtbare Ersatz- und Reparaturteile zur Wiederherstellung des ursprünglichen Erscheinungsbildes des komplexen Erzeugnisses gewährt werden soll. Zudem sieht der Vorschlag vor, dass Verbraucher über die Herkunft des Reparaturteils in Kenntnis gesetzt werden sollen. In die Geschmacksmusterrechtsrichtlinie aufgenommen wurde eine Regelung, die bestimmt, dass ein Geschmacksmusterschutz nicht bestehen soll für ein Muster, das als Bauelement eines komplexen Erzeugnisses im Sinne der Richtlinie mit dem Ziel verwendet wird, die Reparatur eines komplexen Erzeugnisses zu ermöglichen, um diesem wieder sein ursprüngliches Erscheinungsbild zu verleihen. Zudem sollen die Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass die Verbraucher über den Ursprung von Ersatzteilen ordnungsgemäß unterrichtet werden, sodass sie in Kenntnis der Sachlage unter miteinander in Wettbewerb stehenden Ersatzteilen wählen können.

Zur Begründung ihres Vorschlags führte die Kommission der Europäischen Union mehrere Gründe an: Zunächst sollen die Verbraucher direkt von dem durch die Liberalisierung zunehmenden Wettbewerb sowie der Vollendung des Binnenmarktes profitieren. Der unabhängige Handel werde nämlich in der Lage sein, ein erweitertes Ersatzteilsortiment anzubieten. Außerdem ließen die Zahlen, die der Kommission vorliegen, die Annahme zu, dass Verbraucher in den Mitgliedsstaaten mit Geschmacksmusterschutz einen Preisaufschlag von teilweise zehn Prozent zahlten. Außerdem zahlten die Verbraucher für ein und dasselbe Geschmacksmuster doppelt. Namentlich einmal beim Kauf des Neuwagens und ein zweites Mal eben beim Kauf des Ersatzteils. Des Weiteren sei der Schutz von Ersatz- beziehungsweise Reparaturteilen auf dem Primärmarkt für die Hersteller bereits ausreichend. Hierdurch werde nämlich Dritten der Marktzugang mit neuen Fahrzeugen unterbunden. Zudem bestünden auch hinsichtlich der Beschäftigungssituation innerhalb der Europäischen Union keine Bedenken. Die Beschäftigung sei vielmehr gesichert, da innerhalb der Europäischen Union künftig auch Ersatzteile produziert werden könnten, die in Drittstaaten exportiert würden. Schließlich gewährleisteten andere gemeinschaftliche Rechtsvorschriften und innerstaatliche Gesetze die Sicherheit und Qualität der Produkte, indem in besagten Vorschriften die nötigen Normen für die Produktsicherheit und den Zugang zu technischen Informationen festgelegt würden.

Die Entgegnung der Bundesregierung

Die Bundesregierung zusammen mit der europäischen Autoindustrie sowie dem Bundesverband der deutschen Industrie haben den Vorschlag der Kommission der Europäischen Union insbesondere aus den folgenden Gründen kritisiert: Zum einen sei der Vorschlag systemwidrig, da bei sämtlichen gewerblichen Schutzrechten dem Schutzrechtsinhaber das alleinige Benutzungs- und Verwertungsrecht zustehe. Zum anderen gehe mit der Umsetzung des Vorschlags eine Schwächung der europäischen Automobilindustrie einher. Schließlich würden unabhängige Ersatzteilhersteller lediglich lukrativere Ersatz- und Reparaturteile ohne wirtschaftliches Risiko nachbauen. Die Automobilhersteller hingegen müssten auch unlukrative Ersatz- und Reparaturteile vorhalten. Diese würden aber von den Ersatzteilherstellern eben nicht nachgebaut und verteuerten sich somit.

Zugrundeliegende Fragestellung

Der Problematik rund um Ersatz- und Reparaturteile in der Automobilbranche zugrunde liegt die Frage, ob beziehungsweise inwieweit sich die Monopolwirkung von gewerblichen Schutzrechten auch auf sekundäre Folgemärkte des Ersatz- und Reparaturteilebedarfs erstreckt. Diese Frage lässt sich ebensogut im Patent- und Gebrauchsmusterrecht stellen. Eine pauschale Beantwortung dieser Frage ist jedoch aufgrund der enormen Reichweite ausgeschlossen. Vielmehr müssen bei der Beantwortung auch die konkreten Zwecke der jeweils in Frage stehenden Schutzrechte beachtet werden. Als gemeinsamer Ausgangspunkt kann allerdings festgelegt werden, dass die Wettbewerbs- und damit auch die Nachahmungsfreiheit die Regel und deren Beschränkung grundsätzlich die begründungsbedürftige Ausnahme darstellen. Zudem liegt der wesentliche Zweck des Schutzes nach der sogenannten design approach, die auch der europäischen Gesetzgebung zugrundeliegt, in der Erzielung einer Attraktionswirkung auf potentielle Kunden. Dieser spielt allerdings, anders als auf den Primärmärkten, beim Kauf lediglich eines Ersatzteils keine Rolle mehr. Zudem sei in der Herstellung von bloßen Ersatzteilen keine innovative Leistung zu sehen. Die Ersatzteile müssen nämlich sowohl vom Originalhersteller als auch vom Hersteller der Ersatzteile nach genauen Vorgaben gefertigt werden. Diese Vorgaben wiederum ergeben sich eindeutig aus der Beschaffenheit des jeweiligen Produkts.

Ohne Bedeutung für die Frage des Designschutzes ist in diesem Zusammenhang die an anderer Stelle bedeutende Frage nach der Sicherheit des Ersatz- beziehungsweise Reparaturteils. Dies liegt daran, dass es nicht zum Zweck des Geschmacksmuster zählt, die Sicherheit eines Produkts zu gewährleisten. Dem Sicherheitsaspekt ist vielmehr durch andere gemeinschaftliche und nationale Gesetze Rechnung zu tragen. Dies wird so auch von der Kommission der Europäischen Union hervorgehoben. In diesen Gesetzen müssen dann die nötigen Normen für die Produktsicherheit und den Zugang zu technischen Informationen festgelegt sein. Insofern spricht für den Vorschlag der Kommission der Europäischen Union, dass durch eine Liberalisierung des Handels mit Ersatzteilen der Wettbewerb belebt würde. Darüberhinaus weckt die vorgeschlagene Regelung auch keine Bedenken hinsichtlich des TRIPS-Übereinkommens. Schließlich steht er auch nicht in einem unangemessenen Widerspruch zur normalen Verwertung geschützter gewerblicher Muster oder Modelle und beeinträchtigt die berechtigten Interessen der Inhaber des geschützten Muster oder Modells nicht unangemessen, da er nämlich in Einklang mit dem Zweck des Designschutzes steht.

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