Ersatzteile als Geschmacksmuster


Einleitung

Im Geschmacksmusterrecht steht eine Frage im wirtschaftlichen und rechtlichen Mittelpunkt, die auf den ersten Blick nicht unbedingt und nicht ohne weiteres mit diesem Rechtsgebiet in Verbindung gebracht werden kann. Namentlich geht es dabei um die Schutzfähigkeit von Reparaturteilen. Hauptsächlich betroffen von dieser Frage ist die Automobilindustrie. Hinsichtlich der Frage nach der Schutzfähigkeit wird eine teils lebhafte Debatte geführt. Zudem verdeutlicht das hinter den Kulissen der interessierten Kreise geführte Tauziehen, welche Bedeutung dem Lobbyismus bei der Entwicklung des gewerblichen Rechtsschutzes zukommt. In wirtschaftlicher Hinsicht steht die bedeutende Frage im Zentrum der Diskussion, ob der Markt für Ersatzteile zugunsten der Automobilhersteller monopolisiert werden darf oder ob der Markt durch eine Liberalisierung für weitere unabhängige Hersteller von Ersatzteilen geöffnet werden soll. Relevanz erlangt diese Frage insbesondere vor dem Hintergrund der schieren Größe des Marktes für Ersatzteile. Der getätigte Umsatz beläuft sich auf über 40 Milliarden Euro. Im Fall der Liberalisierung des Ersatzteilmarktes wird mit einem Marktanteil der unabhängigen Hersteller von circa fünfundzwanzig Prozent gerechnet.

Regelungen in der Europäischen Union

Die europäische Geschmacksmusterrechtsrichtlinie sieht die Schutzfähigkeit von Einzelteilen von komplexen Erzeugnissen, die aus mehreren Bauelementen bestehen und sich auseinander- und wieder zusammenbauen lassen, dann vor, wenn das Einzelteil bei der Verwendung, für die es bestimmt ist, sichtbar bleibt und darüber hinaus selbst die Anforderungen erfüllt, die im Rahmen des Geschmacksmusterrechts an Neuheit und Eigenart gestellt werden. Grundsätzlich ist es nach dieser Regelung demnach möglich, auch Reparaturteile durch ein Geschmacksmuster schützen zu lassen. Zwar wurde die Regelung der europäischen Geschmacksmusterrechtsrichtlinie nunmehr von allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union in einzelstaatlichen Gesetzen umgesetzt. Dennoch kann die Rechtslage noch immer als unübersichtlich bezeichnet werden. In den Umsetzungsgesetzen von 15 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ist ein Muster- und Modellschutz für Ersatzteile vorgesehen. Zu diesen Staaten zählen Österreich, Zypern, die Tschechische Republik, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Litauen, Malta, Polen, Portugal, die Slowakei, Slowenien und Schweden. In Belgien, Ungarn, Irland, Italien, Lettland, Luxemburg, den Niederlanden, Spanien sowie dem Vereinten Königreich enthalten die einzelnen Umsetzungsgesetze Reparaturklauseln, wonach zwar neuen Erzeugnissen Muster- beziehungsweise Modellschutz gewährt wird. Jedoch sind im Anschlussmarkt für Reparatur- und Ersatzteile auch anderweitige Teile zugelassen. In Griechenland ist eine Reparaturklausel vorgesehen, die eine Schutzdauer von fünf Jahren mit einer fairen und angemessenen Vergütung verbindet. Praktisch umgesetzt wurde diese Vergütungsregelung bisher allerdings noch nicht. Nach der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung ist die Gewährung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters für Ersatz- und Reparaturteile schließlich ausgeschlossen.

Freeze-Plus

Zum Zeitpunkt des Erlasses der Geschmacksmusterrechtsrichtlinie ließ sich keine einheitliche Regelung hinsichtlich der Frage der Schutzfähigkeit von Ersatz- beziehungsweise Reparaturteilen durch Geschmacksmuster erzielen. Der europäische Gesetzgeber hat sich aus diesem Grund für die sogenannte „Freeze-Plus“-Lösung entschieden. Diese Lösung besagt, dass die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bis zu einer Änderung der Geschmacksmusterrechtsrichtlinie ihre bestehenden Rechtsvorschriften entweder beibehalten oder aber eine Reparaturklausel vorsehen können, die eine Liberalisierung des Handels mit Ersatz- und Reparaturteilen bewirkt. Der deutsche Gesetzgeber hat sich entschieden, auch nach der Umsetzung der Richtlinie noch einen Schutz für sichtbare Reparaturteile zu ermöglichen. Eine Liberalisierung des Handels mit solchen Teilen wurde vom deutschen Gesetzgeber als nicht angemessen erachtet. Vielmehr sollte die endgültige Klärung der Problematik um die Ersatzteilfrage einer europäischen Lösung vorbehalten bleiben.

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