Sinn und Zweck der Geschmacksmusterverordnung der Europäischen Gemeinschaft


Einleitung

Die Kommission der Europäischen Union wählte bei der Europäisierung und Harmonisierung des rechtlichen Schutzes von Geschmacksmustern ein Konzept, welches in ähnlicher Form bereits in den neunziger Jahren auf dem Gebiet des Markenrechts umgesetzt werden konnte. Die Angleichung der wichtigsten Vorschriften der jeweiligen nationalen Rechte der Mitgliedsstaaten sollte durch den Erlass einer Richtlinie erreicht werden. Da diese Richtlinie ihren Zielen nach in allen Mitgliedsstaaten gleich umgesetzt werden muss, konnten auf diesem Wege Wettbewerbsbehinderungen sowie -verzerrungen vermieden werden. Schließlich sollte aber auch das sich aus dem Prinzip der Territorialität ergebende Erfordernis der separaten Eintragung des Musters in jedem einzelnen Mitgliedsstaat beseitigt werden. Dafür sollte ein neues gemeinschaftsweit einheitliches Schutzrecht geschaffen werden. Wie sich bereits im Markenrecht gezeigt hatte, eignet sich die Rechtsform der Verordnung hierfür am besten.

Zeitliche Abfolge

Im Jahre 1993 wurde von der Kommission der Europäischen Union sowohl ein Vorschlag hinsichtlich einer Richtlinie als auch ein solcher hinsichtlich einer Verordnung bezüglich des Schutzes von Geschmacksmustern vorgelegt. Diese beiden Vorschläge waren der Sache nach eigentlich nicht voneinander zu trennen, wurden im weiteren Verlauf des Verfahrens jedoch voneinander entkoppelt. Dies war erforderlich, da Richtlinien und Verordnungen auf unterschiedliche Rechtsgrundlagen gestützt werden müssen. Während nämlich eine Verordnung Einstimmigkeit im Europäischen Rat erforderte, konnte im Verfahren zum Erlass einer Richtlinie auch die Kommission der Europäischen Union mitentscheiden. Die Geschmacksmusterrechtsrichtlinie wurde letztlich im Jahre 1998 verabschiedet. Jedoch konnte im Gesetzgebungsverfahren die rechtlich und wirtschaftliche brisante Frage, ob Geschmacksmusterschutz auch für Ersatz- und Reparaturteile erlangt werden kann, nicht beantwortet werden. Die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung hingegen wurde erst drei Jahre nach der Geschmackmsusterrechtsrichtlinie als Verordnung angenommen. In Kraft trat sie im Jahre 2002.

Die Ausführung der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung machte zudem den Erlass einer Durchführungsverordnung erforderlich. In der Durchführungsverordnung wurden alle notwendigen rechtlichen und administrativen Voraussetzungen geschaffen, die dem für die Anmeldung zuständigen Amt der Europäischen Union für die Eintragung von Marken und Geschmacksmustern mit Sitz in Alicante die Registrierung der Muster ermöglichen. Dieses Amt wird auch Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt genannt. Das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster machte demgegenüber nicht den Erlass weiterer Verordnungen erforderlich. Im Hinblick auf nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster war die Verordnung bereits von Beginn an anwendbar.

Prinzip der Einheitlichkeit

Die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung ist vom Prinzip der Einheitlichkeit geprägt. Dementsprechend kommt dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster eine einheitliche Wirkung im gesamten Raum der Europäischen Union zu. Eine Eintragung oder Übertragung des Geschmacksmusters ist somit auch lediglich für das gesamte Gebiet der Europäischen Union möglich. Auch ein Verzicht oder eine Entscheidung über die Nichtigkeit eines Geschmacksmusters beziehen sich stets auf das gesamte Gebiet der Europäischen Union. Schließlich kann seine Benutzung gleichfalls nur für das gesamte Gebiet der Europäischen Union untersagt werden.

Verhältnis zu nationalen Schutzrechten

Im Einklang mit dem zugrundeliegenden Schutzkonzept führt das Gemeinschaftsgeschmacksmusterrecht nicht zu einer Beseitigung der nationalen Musterrechte. Vielmehr wird durch die Koexistenz von gemeinschaftlichen und nationalen Schutzrechten den Bedürfnissen des Marktes Rechnung getragen. Größere Unternehmen, die auf dem gesamten Gebiet der Europäischen Union tätig sind, können so nämlich ohne Probleme ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster erlangen. Kleineren und mittleren Unternehmen bleibt derweil die Möglichkeit erhalten, ein Schutzrecht zu erhalten, dessen Wirkung national beschränkt ist. Dies kann insbesondere unter dem Gesichtspunkt der für das Unternehmen entstehenden Kosten von Bedeutung sein.

Neuausrichtung

Auch die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung verfolgt seit der Neuordnung des Geschmacksmusterrechts den in der Geschmacksmusterrechtrichtlinie verfolgten eigenständigen Schutzansatz. Mit Blick auf das deutsche Recht bedeutet dies eine Loslösung von den patent- und urheberrechtlichen Wurzeln des Geschmacksmusterrechts.

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