Aufgabenerfindungen im Zusammenhang mit der Patentierbarkeit einer Erfindung


Einleitung

Zu den Patentierungsvoraussetzungen einer Erfindung zählt unter anderem das Beruhen der Erfindung auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dies wird regelmäßig danach beurteilt, ob die technische Handlungsanweisung für den Fachmann anhand des maßgebenden Standes der Technik naheliegend war. Teilweise kann allerdings bereits in der Stellung der Aufgabe, die die Handlungsanweisung zu lösen sucht, eine erfinderische Leistung zu sehen sein. In diesem Zusammenhang eröffnet sich der Problemkreis der sogenannten Aufgabenerfindungen. Aufgrund des wesentlichen Gleichlaufs der Beurteilung des Erfordernisses des Beruhens der Erfindung auf einer erfinderischen Tätigkeit im Patentrecht und demjenigen des Beruhens der Erfindung auf einem erfinderischen Schritt im Gebrauchsmusterrecht gelten die folgenden Ausführungen sowohl für das Patent- als auch das Gebrauchsmusterrecht. Abweichendes gilt nur, sofern dies gesondert ausgeführt wird.

Herleitung der Aufgabenerfindungen

Eine nicht nur teilweise verbreitete Ansicht geht davon aus, eine erfinderische Tätigkeit könne bereits in dem Stellen einer nicht naheliegenden Aufgabe liegen. Voraussetzung soll hierbei allerdings sein, dass der Fachmann in der Lage ist, die Aufgabe bei Kenntnis mit geläufigen Mitteln ohne Weiteres zu lösen. Bei Fehlen dieser Voraussetzungen sei bereits mangels Ausführbarkeit keine patentierbare Erfindung gegeben. Vorwiegend geht es hierbei demnach um Fälle, in denen der Erfinder dem Fachmann nicht mitzuteilen braucht, auf welche Weise die Lösung der Aufgabe zu bewirken ist. Die erfinderische Leistung kann dann einzig in der Aufgabenstellung liegen. Dies wiederum ist ausschließlich bei technischen Aufgabenstellungen möglich. Keine erfinderische Leistung kann hingegen in der bloßen Angabe eines Bedürfnisses oder allgemeinen Ziels, zum Beispiel einer Verbesserung, einer Verbilligung, einer Vereinfachung, einer Platzersparnis, einer Erhöhung der Zuverlässigkeit, der Sicherheit et cetera, zu sehen sein. Zu beachten ist jedoch, dass technische Aufgaben nicht ihrer selbst Willen gestellt werden. Vielmehr soll durch sie die Befriedigung eines Bedürfnisses erreicht werden. Technischen Aufgaben kommt daher gleichzeitig der Charakter einer Lösung zu.

In dem Fall, dass die Aufgabe der Befriedigung eines bestimmten Bedürfnisses durch eine mit geläufigen Mitteln durchführbare Handlungsanweisung erfolgt, kann die Handlungsanweisung zugleich als Aufgabe bezeichnet werden. In diesem Zusammenhang kann von einer Aufgabenerfindung gesprochen werden. Wesentlich ist allerdings lediglich zum einen, dass der erfinderische Charakter nicht bereits durch das Naheliegen der zur Ausführung benutzten Mittel ausgeschlossen ist. Zum anderen muss es möglich sein, den Schutzgegenstand im Wege einer verallgemeinerten Umschreibung darzustellen. Zweifelhaft ist allerdings, dass es allein dafür einer eigenen Kategorie der Aufgabenerfindungen bedürfe. Vielmehr sind die Fälle, in denen von sogenannten Aufgabenerfindungen gesprochen wird, lediglich besondere Erscheinungsformen der neuen, erfinderischen Anwendung oder Abwandlung bereits bekannter Mittel.

Die frühe Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof hat im sogenannten Strahlentransformatorfall eine Unterscheidung getroffen zwischen der Ermittlung der optimalen Bedingungen für die Elektronenbeschleunigung und der technischen Lehre des Patents betreffend die technische Realisierung dieser Bedingungen. Der Bundesgerichtshof bezeichnete diese Anweisung hier als erfinderische Aufgabenstellung. Sie sei an den elektrotechnischen Konstrukteur adressiert. Diesem sei es nämlich mit Hilfe des Patents und seines Fachwissen ohne Probleme möglich, die Intensitätsabstufungen des Magnetfeldes, die das Patent beinhaltete, herbeizuführen. Als Gegenstand der Erfindung hingegen sieht der Bundesgerichtshof die Kombination der Bedingungen an, die gleichzeitig erfüllt sein müssen, damit eine Stabilisierung der Elektronen möglich wird. Die Kombination selbst wird vom Bundesgerichtshof als Lösung der Stabilisierungsaufgabe bezeichnet. Zum einen wird also die eigentliche erfinderische Leistung als eine mit bekannten Mitteln unschwer lösbare Aufgabe bezeichnet. Zum anderen wird sie aber auch als Lösung einer allgemeineren, übergeordneten Aufgabe gesehen. Im sogenannten Raureifkerzenfall wird vom Bundesgerichtshof gesondert hervorgehoben, dass der Erfinder bereits bevor er die Aufgabe gelöst hatte, Überlegungen habe anstellen müssen, in welcher Richtung überhaupt eine andersartige Schmuckwirkung bei Stearinkerzen auf einem technisch praktikablen Weg durchführbar sei. Dies wurde letztlich erreicht durch den planmäßigen Einsatz der Kristallisationsfähigkeit des Stearins.

Das Ausnutzen dieser Fähigkeit ist bei der Herstellung von Kerzen regelmäßig unerwünscht. Zwar mochte sich der Erfinder erst in dem Zeitpunkt ein genaues Bild über das Aussehen der Kerze gemacht haben, in dem er den dahinführenden Weg erkannt hat. Jedoch wird die Aufgabe im Patentrecht nicht durch das vom Erfinder angestrebte, sondern durch das objektiv erreichte Ergebnis bestimmt. Daher kann die übergeordnete Aufgabe darin gesehen werden, ein neuartiges Aussehen von Kerzen herbeizuführen. Als Lösung dieser Aufgabe hätte bereits der Gedanke daran, die Kerze mit einer Schicht von Stearinkristallen zu umhüllen, ausgereicht. Voraussetzung wäre dann allerdings gewesen, dass dem Fachmann bewusst ist, mit welchen Mitteln er dies hätte bewirken können. Ausschlaggebend für die erfinderische Tätigkeit wäre dann einzig jener Gedanke gewesen. Der Bundesgerichtshof jedoch ist zu der Annahme einer erfinderischen Tätigkeit auch aufgrund der Besonderheiten des zur Durchführung verwandten Verfahrens gelangt. Nach den Richtlinien des Europäischen Patentamts ist durch die Aufgabe, dem Fahrer eines Kraftfahrzeugs nachts die Mittellinie der Straße unter Ausnutzung des vom Fahrzeug ausgestrahlten Lichts anzugeben, die Lösung nahegelegt, die Straße mit reflektierenden Markierungen zu versehen. Auch hier ist in der Nutzung des Fahrzeuglichtes nicht lediglich die Aufgabe, sondern bereits der Grundgedanke der Lösung zu sehen. Dieser Gedanke kann erfinderisch sein, obwohl dem Fachmann unter Umständen die Mittel bekannt sind, die Straßenmitte im Scheinwerferlicht deutlicher hervortreten zu lassen.

Klärende Entscheidungen des Bundesgerichtshof betreffend die Aufgabenerfindungen

Der Bundesgerichtshof hat sich in zwei späteren Entscheidungen um die Lösung der Problematik der Aufgabenerfindungen bemüht. Im sogenannten Kreiseleggefall wurde der Grundgedanke festgelegt, dass eine Aufgabe keine Erfindung sein könne. Vielmehr könne eine Erfindung nur in der Lösung dieser Aufgabe liegen. Folglich lehnt es der Bundesgerichtshof nunmehr ab, in der Aufgabenstellung einen erfinderischen Schritt zu erkennen. Jedoch wird in der Entscheidung selbst die Erfindungshöhe unter Verweis darauf bejaht, dass die erfindungsgemäße Konstruktion zwar im Stand der Technik in weiten Teilen vorgegeben sei. Der Erfinder habe sie allerdings in einer ihrer Art nach völlig verschiedenen Aufgabe dienstbar gemacht. Im sogenannten Körperstativfall nimmt der Bundesgerichtshof Stellung zu der Frage der einer Erfindung zugrundeliegenden Aufgabe. Hier wird ausgeführt, dass die Erfindung nach den Ausführungen in der Patentschrift das Ziel habe, bei einem Körperstativ für Filmkameras bestimmte Nachteile der bekannten Vorrichtungen weitgehend zu beseitigen. Namentlich ging es hierbei um die Übertragung von Körperbewegungen auf die Kamera.

Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass, soweit die Patentschrift in Verbidung mit der Aufzählung der Nachteile der Körperstative nach dem Stand der Technik hierzu nähere Überlegungen mitteile, die Ausführungen über die Umschreibung der technischen Probleme hinausgingen und bereits selbst Ansätze betreffend dessen Lösung enthielten. Bezüglich der Erfindungshöhe erfolgt eine Ausführung, dass die erfinderische Leistung bereits mit der Erkenntnis einsetze, dass bei den Körperstativen nach dem Stand der Technik die Bewegung der Schulterblätter auf das gesamte Stativ und damit auf die Kamera übertragen werde. Es habe mehrerer Überlegungen bedurft, um von dieser Erkenntnis zur beanspruchten konstruktiven Ausgestaltung eines diese Nachteile vermeidenden Körperstativs zu gelangen. Nicht entscheidend sei, dass im Anschluss an diese neuen, vom Stand der Technik nicht nahegelegten Erkenntnisse und Überlegungen die konstruktive Ausgestaltung im einzelnen dem Durchschnittsfachmann vorgegeben war.

Diese Entscheidungen des Bundesgerichtshofs machen deutlich, dass die Problematik der Aufgabenerfindung sowohl den Erfindungsbegriff als auch die Patentierungsvoraussetzung des Beruhens der Erfindung auf erfinderischer Tätigkeit betrifft. Hinsichtlich des Erfindungsbegriffs geht es um den Grundsatz, wonach als Erfindung nur eine konkrete Handlungsanweisung gelten kann. Wird die reine Aufgabenstellung dementsprechend so definiert, dass sie dem Fachmann ein Ziel vorgibt, ohne ihm jedoch zugleich darzulegen, was zu dessen Erreichung zu tun ist, so ergibt sich hieraus eine klare Abgrenzung von Erfindung und Aufgabenstellung. Erhält der Fachmann jedoch bereits im Rahmen der Aufgabenstellung eine konkrete Handlungsanweisung, weil es für ihn ohne weiteres erkennbar ist, wie die gestellte Aufgabe gelöst werden kann, so handelt es sich nicht mehr um eine bloße Aufgabenstellung. Voraussetzung für die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit ist das Vorliegen einer für den Fachmann ausführbaren Handlungsanweisung. Es ist demnach nicht möglich, dass eine erfinderische Tätigkeit lediglich eine Aufgabenstellung als solche zum Gegenstand hat. Liegt jedoch eine ausführbare Handlungsanweisung vor, so hängt das Bestehen einer erfinderischen Leistung davon ab, ob sich die Handlungsanweisung für den Fachmann in einer naheliegenden Weise aus dem Stand der Technik ergeben hat.

Zu berücksichtigen sind bei der Beantwortung dieser Frage alle Erkenntnisse und Überlegungen des Erfinders, die über den Stand der Technik hinausgehen. Dies gilt auch dann, wenn diese der Bereitstellung der eigentlichen Lösungsmittel vorausgehen. Daher ist es zum Beispiel möglich, dass bereits das Erkennen bisher unbekannter Nachteile zum Stand der Technik gehörender Mittel, der bisher verborgenen Ursachen bekannter Nachteile oder der Möglichkeit, eine bekannte Vorrichtung durch konstruktive Abwandlung vielfältiger als bisher verwendbar zu machen, über das hinausgeht, was von einem durchschnittlichen Fachmann zu erwarten ist. Aus diesen Gründen ist es auch möglich, dass eine Lösung erfinderisch ist, obwohl die Lösungsmittel, die aufgrund nicht naheliegender Erkenntnisse oder Vorüberlegungen ausgewählt oder gestaltet wurden, als solche vom Stand der Technik aus als bereits bekannt oder jedenfalls naheliegend erscheinen. In solchen Fällen besteht die Gefahr, dass die erfinderische Leistung zu gering eingeschätzt wird. Die Aufgabe ist daher so zu formulieren, dass sie nicht bereits auf jener Leistung beruhende Ansätze als Lösung enthält.

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