Patentschutz für chemische Stoffe als solche


Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

Im Rahmen der Abschaffung des Stoffschutzverbotes schien es nur konsequent, die Grundsätze, die in Anbetracht der Analogieverfahren entwickelt wurden, auf chemische Stoffe als solche zu übertragen. Dabei galt die Maßgabe, dass es nun nicht mehr auf das jeweilige Verfahren der Herstellung des Stoffes ankommen sollte. Nichtsdestotrotz entstand eine recht lebhafte Diskussion betreffend die Eigenschaften des Stoffschutzes. Konkret ging es in dieser Diskussion im Wesentlichen um die Frage, ob der Stoffschutz absolut oder zweckgebunden sein sollte. Diejenigen, die bereits zuvor der großzügigen Behandlung der Analogieverfahren kritisch gegenübergestanden waren, forderten die Berücksichtigung ihrer Bedenken zumindest nach dem Wegfall der durch die Bindung an ein bestimmtes Herstellungsverfahren bedingten Beschränkung der Reichweite des Schutzes. Diese Beschränkung, die ja zuvor gegolten hatte, war praktisch ohnehin fast bedeutungslos. Für die Rechtsprechung gab es jedoch keinen Weg, bezüglich des Stoffschutzes eine Kehrtwende zu vollziehen und noch hinter das für den Verfahrensschutz erreichte Ergebnis zurückzugehen. Dies war nur durch eine Korrektur dieses Ergebnisses möglich. Eine davon abweichende Handhabe hätte nämlich zur Folge gehabt, dass durch die Wahl eines Verfahrenspatentes ein weitergehender Schutz erreicht werden könnte als mit der Entscheidung für ein Stoffpatent. Diese Möglichkeit der Umgehung lief jedoch der Absicht des Gesetzgebers zuwider. Der Gesetzgeber wollte nämlich die Zahl der Verfahrensanmeldungen reduzieren.

Die Entscheidung im Fall Imidazoline

Die oben geschilderte Grundsatzdiskussion wurde vom Bundesgerichtshof durch das Urteil im Imidazolinefall beendet. Angesichts der zuvor genannten Argumente vermochte die Entscheidung jedoch kaum zu überraschen. Der Bundesgerichtshof stellte erstens fest, dass der Patentschutz für auf chemischen Wege hergestellte Stoffe nicht zweckgebunden sei. Zweitens war er der Auffassung, dass der technische oder therapeutische Effekt bei einer Stofferfindung nicht in den ursprünglichen Unterlagen der Anmeldung offenbart werden müsse. Der Bundesgerichtshof begründete die von ihm getroffenen Feststellungen mit dem Hinweis darauf, dass sich in den Gesetzesmaterialien keinerlei Anhaltspunkte dahingehend finden ließen, dass die Abschaffung des Stoffschutzverbotes mit einer Entscheidung über die bereits zuvor bestehende Kontroverse, ob der Stoffschutz für chemische Stoffe zweckgebunden oder absolut sei, zugunsten eines zweckgebundenen Stoffschutzes verknüpft werden solle. Der Abschaffung des Stoffschutzverbotes sei vielmehr der Gedanke zu entnehmen, dass Erfindungen, die auf chemischem Wege hergestellte Stoffe zum Gegenstand haben, von nun an nach den selben Regeln zu behandeln seien wie Erfindungen auf allen übrigen Gebieten der Technik.

Auch in dieser Absicht sei kein Grund dafür ersichtlich, Erfindungen, die einen chemischen Stoff zum Gegenstand haben, einen Patentschutz zu gewähren, der nur zweckgebunden seine Wirkung entfaltet. Eine dementsprechende Regelung gäbe es im Grundsatz in keinem der übrigen Bereiche der Technik. Somit sei es ausgeschlossen, dass eine solche Regelung für Erfindungen, die auf chemischem Wege hergestellte Stoffe zum Gegenstand habe, Geltung beanspruche. Die Reichweite des Schutzes solcher Erfindungen habe sich auch hier nach dem Gegenstand der Erfindung zu richten. Der Gegenstand der Erfindung wird vom Bundesgerichtshof durch die Aufgabe gekennzeichnet, einen neuen chemischen Stoff einer näher umschriebenen Art der Konstitution bereitzustellen. Diese Aufgabe werde dadurch gelöst, dass der neue Stoff beziehungsweise die neue chemische Verbindung geschaffen würden.

Nicht zum Gegenstand der Erfindung gehörten nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs die Angaben über die technische oder therapeutische Wirkung des Stoffes. Bei der Beantwortung der Frage, was bei der Anmeldung einer chemischen Stofferfindung in den ursprünglichen Unterlagen der Anmeldung zu offenbaren sei, gelten die vom Bundesgerichtshof im Appetitzüglerfall aufgestellten Grundsätze entsprechend. Diese Umschreibung des Gegenstands der chemischen Stofferfindung hat zur Folge, dass der Stoffschutz im Ergebnis zu einem uneingeschränkten Ausschließlichkeitsrecht des Inhabers des Patents bezüglich der gewerblichen Verwendung der chemischen Stoffe, die Gegenstand der Erfindung sind, führt. Grundsätzlich ist der Stoffschutz somit als absolut anzusehen.

Ähnliche Artikel

Durchsuchen Sie Rechtssartikel