MT Patent: Was bedeutet Inanspruchnahme einer Priorität?


Die Unionspriorität

Für eine Patentanmeldung beim Deutschen Patent- und Markenamt kann die Priorität einer früheren Anmeldung derselben Erfindung in einem anderen Verbandsland der Pariser Union in Anspruch genommen werden. Dazu sind innerhalb von 16 Monaten nach dem Prioritätstag Zeit, Land und Aktenzeichen der früheren Anmeldung anzugeben (Prioritätserklärung). Außerdem ist eine Abschrift der früheren Anmeldung einzureichen. Diese frühere Anmeldung darf nicht länger als 12 Monate zurückliegen. Infrage kommen eine nationale Patent-, Gebrauchsmuster- oder Erfinderscheinanmeldung oder eine europäische oder internationale Patentanmeldung. Wird die zwölfmonatige Pflicht nicht eingehalten, so führt das zu einer Verwirkung des Prioritätsrechts. Das gleiche gilt bezüglich der sechsmonatigen Frist, die für die Prioritätserklärung gilt. Wird die Priorität nicht form- oder fristgerecht beansprucht, so wird die Anmeldung mit dem Zeitrang ihrer Einreichung beim Deutschen Patent- und Markenamt weiterbehandelt. Die Beanspruchung als zurückgenommen anzusehen oder sie zurückzuweisen, ist nicht zulässig.

Auf begründeten Antrag hin kann bei Versäumnis beider Fristen eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfolgen. Zwar ist es nicht nötig, dass die prioritätsbegründende Anmeldung im Zeitpunkt der Nachmeldung beim Deutschen Patent- und Markenamt noch anhängig ist. Jedoch ist es ausschließlich möglich, die Priorität auf die erste für ein Verbandsland wirksame Anmeldung der Erfindung zu stützen. Es kann daher im Besonderen nicht die Priorität einer Anmeldung beansprucht werden, für die bereits selbst die Priorität einer früheren Anmeldung beansprucht wurde. In diesem Zusammenhang bleibt eine Anmeldung außer Betracht, die vor Hinterlegung der Nachanmeldung untergegangen ist, also zurückgezogen, fallengelassen oder zurückgewiesen wurde, ohne an die Öffentlichkeit gelangt zu sein oder Grundlage einer Prioritätsbeanspruchung gewesen zu sein und ohne dass Rechte bestehen geblieben sind. Das Prioritätsrecht ist das durch die Erstanmeldung begründete Recht zur prioritätsbegründenden Nachanmeldung in anderen Verbandsländern. Es ensteht für den Erstanmelder.

Unabhängig von der Rechtsstellung, die er im Land der Erstanmeldung durch diese erlangt hat, kann es vom Erstanmelder für bestimmte oder alle Verbandsländer auf einen Rechtsnachfolger übertragen werden. In einem solchen Fall, kommt der Prioritätsvorteil den Rechtsnachfolgern zugute. Da für die Form der Übertragung das Recht des Nachanmeldelandes gilt, kann das Prioritätsrecht in Deutschland durch formlosen Vertrag übertragen werden. Die Geltung des Prioritätsrecht erstreckt sich auf die Nachanmeldung derselben Erfindung. Sind bestimmte Merkmale der Erfindung, für die die Priorität beansprucht wird, nicht in den Patentansprüchen, die in der Patentanmeldung aufgestellt wurden, enthalten, sondern offenbart nur die Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen diese Merkmale deutlich, so kann die Priorität nicht allein deshalb verweigert werden. Dies bedeutet, dass der Vergleich sich zum einen auf den Gegenstand beziehen muss, für den in der Nachanmeldung Schutz begehrt wird und zum anderen auf den gesamten Offenbarungsinhalt der Voranmeldung. Vom BGH wird hier nicht verlangt, dass alle Merkmale der Erfindung wortwörtlich in den Unterlagen der Voranmeldung genannt sind. Er lässt es genügen, dass sich einzelne nicht ausdrücklich erwähnte Merkmale der Erfindung für einen durchschnittlichen Fachmann aus dem Gesamtinhalt der Voranmeldung ergeben.

Außerdem lässt er Ergänzungen der ersten Anmeldungsunterlagen in der Nachanmeldung ohne Einbuße der Priorität im gleichen Umfang zu wie auch die beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichten ursprünglichen Unterlagen im Laufe des Erteilungsverfahrens geändert werden dürfen. Durch Tatsachen, die zwischen Vor- und Nachanmeldung eintreten, kann die Nachanmeldung nicht unwirksam werden. Insbesondere kommen hier in Betracht die Veröffentlichung der Erfindung oder deren Ausübung. Dies bedeutet in erster Linie, dass für die Beurteilung der Schutzfähigkeit des Gegenstandes der Nachanmeldung, sofern dieser vom Offenbarungsgehalt der Voranmeldung umfasst ist, nur der vor dem Prioritätszeitpunkt, also nur der vor der früheren Anmeldung angefallene, nicht jedoch auch der im Zeitraum zwischen Vor- und Nachanmeldung hinzugekommene Stand der Technik in Betracht zu ziehen ist.

Außerdem kann durch in diesem Zeitraum eingetretene Tatsachen kein Recht Dritter und kein persönliches Besitzrecht begründet werden. Daher können insbesondere Vorbenutzungsrechte ausschließlich durch vor dem Prioritätszeitpunkt vorgenommene Handlungen begründet werden. Im Erteilungsverfahren wird die materielle Wirksamkeit einer Prioritätsbeanspruchung in der Regel nicht selbständig geprüft. Eine Prüfung erfolgt allenfalls insoweit, als es für die Bestimmung des Standes der Technik, nach dem die Patentierbarkeit der angemeldeten Erfindung zu beurteilen ist, darauf ankommt, dass der Anmeldung ein vor ihrer Einreichung beim Deutschen Patent- und Markenamt liegender Zeitrang zuerkannt wird. Zum Beispiel kann sich heraustellen, dass zwischen Erst- und Nachanmeldung wesentliche Kenntnisse der Öffentlichkeit zugänglich geworden oder zum Gegenstand einer anderen für Deutschland wirkenden und später veröffentlichten Patentanmeldung gemacht worden sind.

Vom Deutschen Patent- und Markenamt ist dann besonders zu untersuchen, inwieweit der Gegenstand der deutschen Nachanmeldung durch den Inhalt einer als prioritätsbegründend genannten Anmeldung gedeckt ist, ob es sich hierbei um die Erstanmeldung in einem Verbandsland handelt und ob eine vom Anmelder behauptete Rechtsnachfolge bezogen auf das Prioritätsrecht wirksam zustande gekommen ist. Hängt die Entscheidung über die Gültigkeit des Patents von der materiellen Wirksamkeit einer Prioritätsbeanspruchung ab, so kann diese auch noch nach Patentanmeldung im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren geprüft werden. Einen selbständigen Widerrufs- oder Nichtigkeitsgrund bildet die materielle Unwirksamkeit einer Prioritätsbeanspruchung hingegen nicht. Auf keinen Fall nach Patenterteilung kann die formelle Ordnungsmäßigkeit einer Patentbeanspruchung geprüft werden.

Die mehrfache Priorität und die Teilpriorität

In einer Anmeldung beim Deutschen Patent- und Markenamt kann der Offenbarungsinhalt mehrerer Voranmeldungen aus einem oder mehreren Verbandsländern zusammengefasst werden. Das Gebot der Einheitlichkeit im Rahmen der Patentanmeldung ist hier allerdings zu beachten und kann einer Zusammenfassung gegebenenfalls entgegenstehen. Die Priorität der einzelnen ausländischen Voranmeldungen bezieht sich in diesen Fällen nur auf den ihr entsprechenden Teil des Gegenstandes der deutschen Nachanmeldung. Die Prioritätserklärung hat dann mehrere Daten und gegenebenfalls mehrere Länder zu nennen. Zu beachten ist, dass die älteste Voranmeldung nicht länger als zwölf Monate zurückliegen darf. In diesem Fall spricht man von mehreren Prioritäten oder mehrfacher Priorität. Ist das Gebot der Einheitlichkeit gewahrt, so darf der Gegenstand der deutschen Nachanmeldung auch über den Offenbarungsinhalt der prioritätsbegründenden Voranmeldungen hinausgehen. In diesem Fall kommt die Unionspriorität nur einem Teil des Anmeldegegenstandes zu. In diesem Zusammenhang spricht man von Teilpriorität oder partieller Priorität. Der Teil der deutschen Nachanmeldung, der von keiner Voranmeldung gedeckt ist, genießt lediglich den Zeitrang der Einreichung beim Deutschen Patent- und Markenamt.

Die deutsche Anmeldung begründet daher insoweit ein Prioritätsrecht für Nachanmeldungen in anderen Verbandsländern. Durch die Zulassung von mehrfachen Prioritäten und Teilprioritäten soll es eigentlich ermöglicht werden, Weiterentwicklungen in eine spätere Anmeldung einbeziehen zu können, die die Erfindung seit der Erstanmeldung erfahren hat. Eine neue Entscheidung des BGH stellt diese Möglichkeit allerdings weitgehend in Frage. In dieser Entscheidung schließt sich der BGH der auf europäischer Ebene bestehenden Auffassung an, dass das für die Inanspruchnahme einer Priorität genannte Erfordernis „derselben Erfindung“ bedeutet, dass die Priorität einer früheren Anmeldung für einen Nachanmeldeanspruch nur dann anzuerkennen ist, wenn ein Fachmann den Gegenstand des Anspruchs unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig der früheren Anmeldung als ganzer entnehmen kann. Der vom BGH vertretene Ansatz hat für die Praxis den Vorteil, dass er relativ einfach ist. Verglichen werden müssen nur die ganzen Ansprüche der Nachanmeldung mit dem Offenbarungsgehalt der Voranmeldung.

Ergibt sich bei diesem Vergleich eine Abweichung und ist der Inhalt der Voranmedlung vor dem Zeitpunkt der Einreichung der Nachanmeldung der Öffentlichkeit zugänglich geworden, so braucht lediglich geprüft werden, ob sich hieraus unter Berücksichtigung des übrigen vor diesem Zeitpunkt angefallenen Standes der Technik die in der Nachanmeldung vorgenommene Ergänzung für den Fachmann in naheliegender Weise ergeben hat. Je weniger sich der in der Nachanmeldung beanspruchte Gegenstand von dem nach gängigen Regeln ermittelten Offenbarungsgehalt der Voranmeldung unterscheidet, umso größer ist die Gefahr, dass dann die Nachanmeldung scheitert oder das auf sie erteilte Patent widerrufen oder für nichtig erklärt wird. Die Anerkennung von Teilprioritäten bedeutet aber nicht, dass der Anmelder eine Priorität für etwas erhält, was er in der Voranmeldung nicht offenbart hat. Der BGH gelang zu dieser Ansicht deshalb, weil er für einen Anspruch nur eine Priorität zulassen möchte. Ein Anspruch auf eine Weiterentwicklung einer in der Voranmeldung offenbarten Erfindung soll demnach die Priorität dieser Anmeldung entweder überhaupt nicht oder einschliesslich eines vom Offenbarungsgehalt nicht gedeckten Teils seines Gegenstands genießen können.

Im Endeffekt geht es um die Frage, ob man sich auf eine differenzierende Zuordnung unterschiedlicher Prioritäten zu den Informationen einlassen möchte, die einem Anspruch zugrundeliegen, der in der Nachanmeldung gestellt wird. Jedoch muss klar sein, dass zum Beispiel die Offenbarung einer Kombination aus drei Elementen weder ein später hinzugefügtes viertes Element noch dessen Wechselwirkung mit jenen Elementen und jedem von ihnen noch etwaige Rückwirkungen der Verbindung mit dem neuen Element auf das Zusammenwirken der drei voroffenbarten Elemente untereinander umfasst.

Der prioritätsbegründende Offenbarungsgehalt sollte aber, soweit er reicht, der Nachanmeldung weder als Inhalt der gegebenenfalls im Prioritätsintervall der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Voranmeldung noch als Offenbarungsgehalt eines in diesem Zeitraum in den Stand der Technik eingegangenen sonstigen Dokuments oder Sachverhalts entgegengehalten werden können. Da der Auffassung des BGH nicht unerhebliche Praxisrelevanz zukommen wird, hat die Praxis sich darauf einzustellen. Deshalb ist bei der Einbeziehung von Weiterentwicklungen in die Nachanmeldung jedenfalls zu vermeiden, dass die Voranmeldung während des Prioritätsintervalls der Öffentlichkeit zugänglich wird. Gegen einen anderweitig entstehenden Stand der Technik hilft allerdings auch das nicht. Es ist daher ratsam, in die Nachanmeldung auch Ansprüche aufzunehmen, die sich strikt auf den Offenbarungsgehalt der Voranmeldung beschränken. Denn in diesem Fall kann auf die Nachanmeldung mindestens insoweit ein rechtswirksames Patent erteilt werden, als dass der Gegenstand der Voranmeldung im Prioritätszeitpunkt neu und erfinderisch war.

Die innere Priorität

Früher konnte das Prioritätsjahr für eine Anmeldung beim Deutschen Patentamt nur genutzt werden, wenn die Erfindung zunächst in einem anderen Verbandsland der Pariser Union angemeldet wurde. Für die Bundesrepublik Deutschland konnte sie auf der Grundlage einer Erstanmeldung beim Deutschen Patentamt nur mittels einer diese selbst benennenden europäischen Nachanmeldung erreicht werden. Dies benachteiligte diejenigen Anmelder, die diesen Weg aus Kostengründen nicht gehen konnten oder wollten. Die aktuelle diesbezügliche Regelung hingegen soll allen Patentanmeldern gleiche Chancen bieten. Durch sie ist es möglich, für eine beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Anmeldung die Priorität einer früheren, ebenfalls dort eingereichten Anmeldung in Anspruch zu nehmen. Diese „innere Priorität“ kann nur innerhalb von zwei Monaten nach dem Tag der Nachanmeldung in Anspruch genommen werden.

Die Erklärung der Priorität gilt dabei erst dann als abgegeben, wenn das Aktenzeichen der früheren Anmeldung angegeben wurde. Eine Abschrift der früheren Anmeldung ist nicht beizufügen. Eine beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Patent- oder Gebrauchsmusteranmeldung ist prioritätsbegründend, wenn für sie noch keinerlei in- oder ausländische Priorität beansprucht wurde. Sie muss lediglich ein Anmeldedatum begründet haben. Die Priorität kann sogar auf Grund einer Anmeldung beansprucht werden, die zurückgenommen oder zurückgewiesen wurde oder als zurückgenommen anzusehen ist. Gleiches gilt für frühere Anmeldungen, die bereits zur Patenterteilung oder Gebrauchsmustereintragung geführt haben.

Die Nachanmeldung hat innerhalb von zwölf Monaten nach dem Tag der früheren Anmeldung zu erfolgen. Eine Wiedereinsetzung bei Fristversäumnis ist nicht möglich. Die Priorität hat Geltung für die Nachanmeldung derselben Erfindung. Die Merkmale des Gegenstands der Nachanmeldung, für die sie in Anspruch genommen wird, muss aus der Gesamtheit der Unterlagen der Voranmeldung deutlich hervorgehen. Mehrfache und partielle Prioritäten sind wie bei der Unionspriorität zulässig. Es können auch für dieselbe Anmeldung sowohl Unions- als auch innere Prioritäten geltend gemacht werden. Im Gegensatz zur Unionspriorität begehrt die innere Priorität für den gleichen räumlichen Bereich Schutz wie die Voranmeldung. Die frühere Anmeldung gilt, sofern sie noch beim Deutschen Patent- und Markenamt anhängig und ebenfalls auf die Erteilung eines Patents gerichtet ist, mit form- und fristgerechter Abgabe der Prioritätserklärung als zurückgenommen. Ist auf die frühere Anmeldung bereits ein Patent erteilt, so bleibt dieses ungeachtet der Prioritätserklärung bestehen.

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