Patent: Wann gilt eine Erfindung als Neuheit?


Damit eine Erfindung Neuheit aufweist, darf ihr Gegenstand nicht im maßgeblichen Stand der Technik enthalten sein. Dies setzt voraus, dass die in der Erfindung verkörperte Neuerung nicht offenkundig geworden ist. Eine Neuerung ist offenkundig, wenn betreffende Informationen, die ausreichen, um die Erfindung nachzubilden, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Wann eine Information der Öffentlichkeit zugänglich wird, richtet sich danach, in welcher Form die Information verbreitet wird.

Zugänglichwerden von Schriftstücken und anderen Mitteilungsträgern

Damit Schriftstücke oder andere Mitteilungsträger der Öffentlichkeit zugänglich sind, müssen sie derart in den Verkehr gebracht sein, dass es vom Belieben des Empfängers abhängt, ob dieser sie weitergibt und Dritte von ihrem Inhalt Kenntnis nehmen lässt. Dabei ist es keineswegs notwendig, dass eine Mehrzahl von Stücken verbreitet wird. Dissertationen, Diplomarbeiten und andere wissenschaftliche Ausarbeitungen zum Beispiel sind bereits dann der Öffentlichkeit zugänglich, wenn allein deshalb die Möglichkeit besteht, dass sie von beliebigen Nutzern gelesen oder entliehen werden können, weil sie lediglich in einem einzigen Exemplar in einer öffentlich zugänglichen Bibliothek vorhanden sind. Die Abgabe einer solchen wissenschaftlichen Arbeit hingegen macht diese der Öffentlichkeit noch nicht zugänglich. Des Weiteren gilt dasjenige, was beliebige Personen dem Internet entnehmen können, grundsätzlich auch als der Öffentlichkeit zugänglich. In der Praxis ist im Internet allerdings regelmäßig kein geeigneter Informationsdienst zu sehen, um den für eine bestimmte Anmeldung oder für ein bestimmtes Patent relevanten Stand der Technik zu ermitteln. Dies hängt mit der Tatsache zusammen, dass in der Regel nicht festzustellen ist, ob aktuell gefundene Informationen bereits zum relevanten Zeitpunkt verfügbar waren.

Zugänglichwerden von Anmeldungen technischer Schutzrechte

Die Unterlagen der Anmeldung für ein technisches Schutzrecht gelten in dem Zeitpunkt als der Öffentlichkeit zugänglich, in dem die Behörde sie veröffentlicht oder jemandem ohne Weiteres Einsicht in die Unterlagen gewährt. Dies ist bei deutschen Patentanmeldungen regelmäßig der Zeitpunkt der Offenlegung. Europäische und internationale Anmeldungen hingegen werden in der Regel mit ihrer Veröffentlichung der Öffentlichkeit zugänglich. Bei Gebrauchsmusteranmeldungen ist auf den Zeitpunkt der Eintragung abzustellen. Im Zusammenhang mit Werbeprospekten, die für die Kunden eines Unternehmens bestimmt waren, hat das Bundespatentgericht beispielsweise angenommen, dass diese schon vor dem relevanten Stichtag als der Öffentlichkeit zugänglich gelten, wenn sie eine längere Zeit vorher gedruckt wurden. Hingegen hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Vorabdrucke - namentlich Vervielfältigungsstücke eines maschinengeschriebenen Manuskripts - eines wissenschaftlichen Aufsatzes, die der Verfasser an eine kleine Anzahl von Kollegen versandt hatte, zumindest nicht als öffentliche Druckschriften im Sinne der alten Fassung des Patentgesetzes gelten. Dies wurde damit begründet, dass die Versendung der Vervielfältigungen den Zweck hatte, die wissenschaftliche Diskussion innerhalb eines überschaubaren und bestimmten Kreises von Fachleuten zu fördern. Außerdem war eine Weitergabe der Vorveröffentlichungen über den Kreis der Empfänger hinaus nicht festgestellt worden.

Zugänglichwerden mündlicher Mitteilungen

Mündliche Mitteilungen können bereits aufgrund der Größe und Beliebigkeit des Kreises derjenigen Personen, die unmittelbar zuhören, bewirken, dass ihr Inhalt der Öffentlichkeit sofort zugänglich wird. Richtet sich eine mündliche Mitteilung jedoch an einen einzelnen, individualisierten Empfänger, so ist danach zu differenzieren, ob nach den Umständen des Einzelfalls damit gerechnet werden kann, dass die Mitteilung derart weiterverbreitet wird, dass der Mitteilende auf die Weiterverbreitung keinen Einfluss mehr hat. Dies ist zum Beispiel dann zu verneinen, wenn der Empfänger der Mitteilung selbst ebenfalls ein eigenes Interesse daran hat, dass der Kreis der informierten Personen möglichst klein bleibt. In jedem Fall kann aber nur dasjenige weitergegeben und somit auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, was der Empfänger tatsächlich verstanden hat und somit auch weiterzugeben in der Lage ist.

Die Wahrnehmung von Gegenständen

Einen Sonderfall stellt die Wahrnehmung von Gegenständen dar. Hierbei kommt es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an, welche Informationen dem Wahrnehmenden vermittelt werden. Die Information kann sich einerseits auf einen nur flüchtigen äußeren Eindruck beschränken, der fragliche technische Eigenschaften nicht erkennbar macht. Andererseits kann die Wahrnehmung aber auch Einzelheiten der Bauart oder der Zusammensetzung des Gegenstandes umfassen, die normalerweise erst bei der Zerlegung oder Zerstörung des Gegenstandes erkennbar werden. Die Möglichkeit einer umfassenden Erkenntnis von Eigenschaften des wahrgenommenen Gegenstandes kommt vor allem in Fällen in Betracht, in denen der fragliche Gegenstand einer Person vorbehaltlos überlassen wird. Bereits aus diesen Umständen kann die Annahme gerechtfertigt sein, dass beliebige Dritte die Möglichkeit hatten, dass Wesen der Erfindung genauer zu untersuchen. Diese Untersuchung kann dann insbesondere auch durch Sachverständige erfolgt sein.

Der Bundesgerichtshof hat die in einem Gegenstand verkörperte Lehre im sogenannten Anschraubscharnierfall durch dessen Lieferung an einen einzelnen Betrieb jedenfalls dann als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht angesehen, wenn der Gegenstand zur Weiterbearbeitung in der für Dritte bestimmten Produktion jenes Betriebes bestimmt ist. Gleichlautend hat des Bundespatentgericht im Falle der vorbehaltlosen Lieferung eines technischen Geräts an das Labor eines Universitätsinstituts entschieden. Auch nach Ansicht der Europäischen Patentamts ist bereits ein einzelner vorbehaltloser Verkauf des fraglichen Gegenstandes ausreichend, um ihn als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht anzusehen. Jedoch hat das Europäische Patentamt auch angenommen, dass zum Beispiel die Bedruckbarkeit eines Materials sowie die Oberflächeneigenschaften, dies es nach einem Wärmeschrumpfungsprozess aufweist, nicht bereits dann als der Öffentlichkeit zugänglich gelten, wenn das Material an einen Kunden ausgeliefert wird.

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