MT Patent: Unschädliche Offenbarungen von Erfindungen


Einführung

Sowohl das Patentgesetz als auch das Europäische Patentübereinkommen beinhalten Regelungen, die bestimmen, dass bestimmte Offenbarungen von Erfindungen außer Betracht bleiben, wenn es um die Frage der Neuheit einer Erfindung geht. Dies gilt zum einen für Offenbarungen, die nicht früher als sechs Monate vor der Einreichung der Anmeldung des Patents erfolgt sind und die mittelbar oder unmittelbar auf einen offensichtlichen Missbrauch zum Nachteil des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers zurückgehen. Des Weiteren bleiben außer Betracht Offenbarungen, die innerhalb der oben genannten Frist erfolgen und die zurückgehen auf die Tatsache, dass der Anmelder oder sein Rechtsvorgänger die Erfindung auf einer amtlichen oder zumindest amtlich anerkannten Ausstellung im Sinne des Pariser Übereinkommens von 1928 über internationale Ausstellungen zur Schau gestellt hat. Diese Regelungen haben zur Folge, dass Offenbarungen der genannten Art weder als Wissen gelten, das der Öffentlichkeit zugänglich geworden ist, noch dass sie als Inhalt einer älteren Anmeldung zum relevanten Stand der Technik gezählt werden. Diese Folgen treten sowohl bezüglich Informationen ein, die die später angemeldete Erfindung neuheitsschädlich vorwegnehmen würden als auch bezüglich solchen Informationen, die als relevanter Stand der Technik einen Beitrag dazu leisten könnten, dass die spätere Erfindung als naheliegend aufgefasst wird.

Auf der Münchener Diplomatischen Konferenz von 1973 wurde in Bezug auf missbräuchliche ältere Anmeldungen vertreten, dass ihr Inhalt immer dann nicht zum Stand der Technik gehören solle, wenn die amtliche Veröffentlichung in die Schonfrist fällt. Damit auch der Fall erfasst wird, dass die Veröffentlichung erst nach der Anmeldung der jüngeren Erfindung erfolgt, wurde für die entsprechende Regelung im Patentgesetz empfohlen, dass die Formulierung „innerhalb von sechs Monaten“ ersetzt werden sollte durch „nicht früher als sechs Monate“. Hierbei wurden jedoch Sinn und Zweck der Einbeziehung nachveröffentlichter Anmeldungen in den Stand der Technik verkannt. Auch der geänderte Wortlaut ist interessen- und systemgerecht dahin auszulegen, dass der Inhalt einer missbräuchlichen älteren Anmeldung nur dann nicht in den Stand der Technik einbezogen wird, wenn deren Zeitrang innerhalb der Schonfrist liegt. Eine abweichende Auslegung hätte nämlich zur Folge, dass die im Europäischen Patentübereinkommen vorgeschriebene Rückwirkung bei missbräuchlichen Anmeldungen gänzlich ignoriert würde. Dies wiederum hätte zur Folge, dass die Möglichkeit von Doppelpantentierungen erheblich ausgeweitet würde. Vor einem rechtspolitischen Hintergrund erscheint es somit empfehlenwert, die Neuheitsschädlichkeit älterer Anmeldungen mit Rückwirkung auf ihren Zeitrang von der Schonfrist auszunehmen. Der Berechtigte verfügt nämlich durchaus über genügend andere Möglichkeiten, gegen missbräuchliche Anmeldungen und darauf erteilte Patente vorzugehen.

Fristberechnung

Aus dem Wortlaut der entsprechenden Regelungen im Patentgesetz und im Europäischen Patentübereinkommen ergibt sich, dass für die Berechnung der sechsmonatigen Frist stets die deutsche oder die europäische Anmeldung ausschlaggebend ist. Von keinerlei Bedeutung hingegen ist in diesem Zusammenhang eine etwaig in Anspruch genommene Priorität. Diese Regelung entspricht der herkömmlichen Auffassung in der deutschen Rechtsprechung, die durch den Bundesgerichtshof für das seit 1978 geltende Recht bestätigt wurde. Im gleichen Sinne hat auch die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts entschieden. Die Frage der Unschädlichkeit vor der Anmeldung erfolgter Offenbarungen stellt sich daher erst gar nicht, wenn für die Anmeldung ein Prioritätsdatum gilt, dass mindestens sechs Monate zurückliegt. Zu beachten ist, dass für diese Weise der Handhabung keine zwingenden Gründe bestehen. Dies folgt daraus, dass das Prioritätsrecht und die Ausnahmen zugunsten unschädlicher Offenbarungen aufgrund der Unterschiede betreffend ihre Voraussetzungen und Wirkungen keineswegs austauschbar sind. Der rechtmäßige Erfindungsbesitzer hat auch und gerade dann ein schutzwürdiges Interesse daran, vor der patenthindernden Wirkung bestimmter Offenbarungen verschont zu bleiben, wenn diese seiner ersten, prioritätsbegründenden Anmeldung zuvorkommen.

Vor diesem Hintergund ist insbesondere nur schwierig zu verstehen, dass er eine der unschädlichen Offenbarung innerhalb von sechs Monaten nachfolgende Anmeldung nicht als prioritätsbegründend für weitere Nachanmeldungen verwenden kann. Er ist deshalb vielmehr gezwungen, bereits innerhalb dieser Frist Anmeldungen jedenfalls für alle Länder vorzunehmen, in denen eine dem deutschen und dem europäischen Recht entsprechende Regelung gilt. Wirksame Abhilfe könnte in solchen Fällen ein konventionsrechtliches Gebot schaffen, die Kumulierung von Prioritäts- und Immunitätsfrist anzuerkennen.

Unschädliche Ausstellungen

Von nahezu keiner praktischen Bedeutung ist die den Fall der Ausstellung betreffende Ausnahme. Dies liegt daran, dass die Verweisung auf das Pariser Übereinkommen dazu führt, dass ausschließlich Weltausstellungen und gleichrangige Fachausstellungen berücksichtigt werden. Bezüglich der gleichrangigen Fachausstellungen besteht die zusätzliche Anforderung, dass diese nur in größeren Zeitabständen zulässig sein dürfen und mindestens eine Dauer von drei Wochen haben müssen. Ganz außer Betracht bleiben in diesem Zusammenhang Ausstellungen, die vorwiegend kommerzieller Art sind. Derjenige Anmelder, der vom Ausstellungsschutz Gebrauch machen möchte, muss bei der Einreichung der Anmeldung angeben, dass die Erfindung tatsächlich zur Schau gestellt wurde. Hierüber hat er innerhalb einer Frist von vier Monaten eine Bescheinigung vorzulegen.

Umfang des Standes der Technik

Zum Stand der Technik gehört jedenfalls dasjenige, was mit dem Willen des Berechtigten der Öffentlichkeit zugänglich oder zum Gegenstand einer später veröffentlichten Patentanmeldung gemacht wird. Abweichendes gilt ausnahmsweise in den seltenen Fällen der unschädlichen Zurschaustellung. Für Erfinder und Unternehmer besteht in diesem Zusammenhang daher die konkrete Gefahr, dass durch Veröffentlichung, durch Mitteilungen oder durch Vorführungen gegenüber Dritten, die nicht zweifelsfrei zur Geheimhaltung verpflichtet wurden, oder durch die für andere wahrnehmbare Benutzung der Erfindung, insbesondere auch durch die Erprobung erfindungsgemäßer Erzeugnisse, ein Stand der Technik entsteht, der einer späteren Patentanmeldung entgegenstehen kann. Unter Umständen kann es sogar passieren, dass, obwohl sich die vorzeitige Offenbarung gar nicht auf die Erfindung selbst bezieht, die Erfindung in Verbindung mit anderem zum Stand der Technik gehörenden Wissen als naheliegend anzusehen ist. Insbesondere durch die Publikation wissenschaftlicher Erkenntnisse kann es auf diese Weise zu Patenthindernissen kommen.

Ein weniger großes Risiko ist dasjenige einer sogenannten Selbstkollision. Dies ist die Kollision einer Patentanmeldung mit einer eigenen älteren Anmeldung. Diese älteren Anmeldungen zählen zwar, wenn es zu einer späteren Veröffentlichung kommt, von ihrem Anmelde- beziehungsweise Prioritätsdatum an zum Stand der Technik. Die Einbeziehung in den Stand der Technik gilt jedoch nicht für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit. Die patenthindernde Wirkung eigener älterer Anmeldungen reicht daher weniger weit als die patenthindernde Wirkung desjenigen Wissens, das der Öffentlichkeit zugänglich ist. Es ist daher möglich, eine Patentierung für Fortentwicklungen eigener älterer Anmeldungen, die von deren Inhalt aus naheliegen, zu erlangen.

Voraussetzung ist hier allerdings, dass die Anmeldung der Fortentwicklung erfolgt, bevor die ältere Anmeldung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Demjenigen, der über Wissen verfügt, das unter Umständen eine patentierbare Erfindung darstellt oder nahelegt, ist in Anbetracht der bestehenden Rechtslage daher zu raten, nach Möglichkeit zu vermeiden, dass dieses Wissen in irgendeiner Form der Öffentlichkeit zugänglich wird, bevor eine entsprechende Anmeldung seinerseits stattgefunden hat. Die Abschaffung der Neuheitsschonfrist für Verlautbarungen, die vom Erfinder selbst oder von seinem Rechtsnachfolger ausgehen, wurde unter rechtspolitischen Gesichtspunkten schnell als verfehlt angesehen. Eine Wiedereinführung dieser Neuheitsschonfrist lediglich auf nationale Ebene vermag jedoch nicht zu verhindern, dass entsprechende Verlautbarungen in anderen Ländern ein Patenthindernis darstellen. Notwendig wäre vielmehr die weltweite Anerkennung einer Immunitätsfrist.

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