MT Reichweite des Schutzes von Erzeugniserfindungen


Der Schutz, der auf einem Erzeugnis- oder Verfahrenspatent beruht, ist nicht auf bestimmte Verwendungszwecke des Erzeugnisses beschränkt. Zu diesem Ergebnis kam bereits das Reichgericht in einer Entscheidung, in der es um ein Patent ging, dessen Anspruch auf ein Verfahren zur Darstellung magnetisierbarer Manganlegierungen gerichtet war. In besagter Entscheidung hat das Reichsgericht daher Manganlegierungen des beanspruchten Mischungsverhältnisses als das Patent verletzend angesehen. Das Gericht kam zu diesem Ergebnis allerdings trotz der Tatsache, dass der Beklagte seine Abnehmer vertraglich dazu verpflichtet hatte, die Manganlegierungen nicht zu magnetischen Zwecken zu nutzen. Die Entscheidung war im Ergebnis bereits mit dem Hinweis darauf zu rechtfertigen, dass die Manganlegierungen des Beklagten jedenfalls zumindest einer Nutzung zu magnetischen Zwecken zugänglich waren.

Das Reichsgericht verwies in der Begründung seiner Entscheidung jedoch zusätzlich darauf, dass es in zahlreichen Fällen äußerst schwierig sei, den Verwendungszweck scharf abzugrenzen ohne eine Schmälerung des Erfindungsgedankens herbeizuführen. Außerdem würde der Wert der Patente erheblich dadurch verringert, dass der Inhaber den vom Nachahmer beabsichtigten Verwendungszweck ermitteln müsse. In erster Linie aber sei so der schöpferischen Leistung des Erfinders eine angemessene Entlohnung verwehrt. Die Anwendung einer Erfindung sei nämlich häufig durchaus naheliegend und im Vergleich zur Leistung des Erfinders von nur untergeordneter Bedeutung. Ausdrücklich vom Reichsgericht offengelassen wurde jedoch die Frage, ob die Verwendung eines Erzeugnisses auch dann von der Erlaubnis des Inhabers des Schutzrechts abhängig sei, wenn bereits die Übertragung der Erfindung auf einen weiteren, neuen Zweck den Charakter einer Erfindung hat. Unter Bezugnahme auf die obige Entscheidung des Reichsgerichts stellte der Bundesgerichtshof später fest, dass der Schutz der Erfindung einer Vorrichtung in der Regel auch alle Funktionen, Wirkungen, Zwecke und Brauchbarkeiten der Vorrichtung erfasse. Dies gelte selbst für den Fall, dass sie nicht vom Erfinder selbst erkannt oder offenbart wurden.

Allerdings fügte der Bundesgerichtshof an, dass dieser Grundsatz wiederum keine uneingeschränkte Wirkung habe. Auch in der Verwendung einer schon bekannten Vorrichtung zu einem neuen Zweck könne nämlich bereits die Grundlage für die Erteilung eines Patents zu sehen sein. Allerdings müsse hierfür die Art der Verwendung die Eigenschaften einer Erfindung aufweisen. Außerdem hat der Bundesgerichtshof im sogenannten Textilgarnfall festgestellt, dass bei einem Sachpatent bereits die Angabe mindestens einer Art der Herstellung und eines Verwendungszwecks ausreichen könne, um demjenigen, der die Erfindung zum Patent anmeldet, alle Herstellungsarten, die zu demselben Produkt führen, sowie alle möglichen Arten der Verwendung des Produkts vorzubehalten. Weder Herstellungsverfahren noch die Art der Verwendung seien Gegenstand des patentrechtlichen Schutzes. Aus diesem Grund sei keine diesbezügliche Nennung im Anspruch erforderlich. Vielmehr reiche aus, wenn sie in der Patentschrift offenbart würden. Der zugrundeliegenden Entscheidung ist allerdings keine Angabe über den Umfang der erforderlichen Offenbarung und der Schutzwirkung in Fällen zu entnehmen, in denen eine erfinderische Leistung allein deshalb vorliegt, weil das erfindungsgemäß hergestellte Erzeugnis Eigenschaften aufweist, die überraschend sind.

Im sogenannten Schießbolzenfall wurde vom Bundesgerichtshof ein anerkannter Rechtsgrundsatz besonders betont. Nach diesem Grundsatz umfasse der Sachschutz eines Vorrichtungspatents alle Funktionen, Wirkungen, Zwecke, Brauchbarkeiten und Vorteile der Vorrichtung. Dieser Schutzumfang bestehe unabhängig davon, ob der die Patentfähigkeit der Vorrichtung gegebenenfalls allein begründende Verwendungszweck im jeweiligen Fall auch tatsächlich genutzt werde. Konkret war im Schießbolzenfall das neue Konstruktionselement - ein auf dem Vorderteil des Bolzens sitzendes Reibungselement - im Patentanspruch durch den Zusatz „zum Festhalten des Bolzens an beliebiger Stelle des Laufes“ gekennzeichnet worden. Der Bundesgerichtshof wertete in diesem Fall das auf die Vorrichtung erteilte Patent als Sachpatent und die im Anspruch enthaltene Zweckangabe lediglich als mittelbare Umschreibung der räumlich-körperlichen Ausgestaltung des Reibungselements, jedoch nicht als Einschränkung des Schutzbereichs.

Der Bundesgerichtshof kam zu dieser Beurteilung aufgrund der konstruktiven Anpassung der Vorrichtung an den neuen Zweck, die Eindringtiefe des Bolzens durch Veränderung des Schießkammervolumens zu regulieren. Die in verletzender Weise angegriffene Ausführungsform wurde vom Bundesgerichtshof in der Folge als vom Schutzbereich des Patents umfasst angesehen. Der Bundesgerichtshof wies dabei ausdrücklich darauf hin, dass die Ausführungsform aufgrund ihrer konstruktiven Eigenschaften objektiv geeingnet war, den Bolzen an jeder beliebigen Stelle des Laufs eines Bolzenschießgeräts festzuhalten. Dadurch ermöglichte sie es, durch die Anpassung des Schießkammervolumens die Eindringtiefe des Bolzens zu regulieren. Ob der Beklagte oder dessen Abnehmer diese Möglichkeit der Nutzung bedacht oder gar von ihr Gebrauch gemacht hätten, sei nicht ausschlaggebend. Der dargestellte Grundsatz wurde vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung „Befestigungsvorrichtung II“ bestätigt und konkretisiert.

In diesem Urteil wurde bestätigt, dass der Aufnahme von Zweck, Wirkungs- und Funktionsvorgaben im Rahmen eines Sachpatents regelmäßig auch dann keine schutzbeschränkende Wirkung zukomme, wenn es sich hierbei um einen neuen Verwendungszweck handele und sich die Begründung der Patentfähigkeit allein auf diesen stütze. Dies wurde damit begründet, dass solche Angaben in der Regel ausschließlich dem besseren Verständnis der Erfindung dienen. Ihre Bedeutung sei lediglich die einer indirekten Umschreibung der betreffenden Vorrichtungsteile. Zwar war es in keiner der dargestellten Entscheidungen des Bundesgerichtshof in der Sache ausschlaggebend, ob sich die Schutzwirkung eines Sachpatents auch auf Verwendungen erstreckt, die in der Patentschrift weder offenbart sind noch dem Fachmann durch ihren Inhalt nahegelegt werden. Die erwähnten allgemeinen Erwägungen des Bundesgerichtshofs können jedoch für eine Schutzwirkung herangezogen werden, die alle Verwendungsmöglichkeiten umfasst.

Dies gilt im Besonderen für die Erwägung, dass es bei räumlich-körperlicher Übereinstimmung auch dann nicht auf den vom Benutzer verfolgten Zweck ankomme, wenn es sich um einen neuen Verwendungszweck handelt und allein dieser die Patentfähigkeit begründet. Hiermit können lediglich Fälle gemeint sein, in denen die zum Erreichen des neuen Zwecks erforderlichen Maßnahmen keine technischen Schwierigkeiten bereiten, sobald nur das der neuen Verwendung zugrundeliegende Prinzip erkannt ist. An dieser Stelle liegt ein Vergleich mit chemischen Stofferfindungen nahe. Auch im Rahmen von chemischen Stofferfindungen nämlich ist die Bereitstellung des Stoffes simpel, sobald nur einmal erkannt wurde, dass der Stoff für eine bestimmte vorteilhafte Verwendung geeignet ist. Bei chemischen Stofferfindungen allerdings wird die Begründung der erfinderischen Leistung regelmäßig unter Hinweis auf eine überraschende Verwendbarkeit erfolgen. Diese Begründung ist bei anderen Erfindungen hingegen eher die Ausnahme. Dies gilt insbesondere für solche Erfindungen, die sich auf mechanische Vorrichtungen beziehen. Die Auswirkungen einfacher konstruktiver Änderungen sind nämlich meist unter nicht allzu großen Schwierigkeiten vorauszusagen, weshalb sie nur selten überraschend sind.

Außerdem ist eine scharfe Abgrenzung von konstruktiven Maßnahmen und dem Erkennen ihrer Auswirkungen meist nicht so einfach möglich wie diejenige bezüglich der Bereitstellung eines chemischen Stoffes und das erst durch die Erprobung des Stoffes mögliche Erkennen von neuen Eigenschaften. Schließlich sind die Vorteile, die eine konstruktive Maßnahme mit sich bringt, für einen Fachmann regelmäßig ohne erfinderisches Bemühen durch einen Vergleich dieser Maßnahme mit dem Stand der Technik zu erkennen. Dies wird selbst dann der Fall sein, wenn es sich um erhebliche, auf eine Patentwürdigkeit hinweisende Vorteile handelt. Die Ablehnung einer Begrenzung des Schutzes chemischer Stoffe nach Maßgabe der ihren Erfindungscharakter begründenden Eigenschaften unter Hinweis darauf, dass sich der Erfindungsschutz in allen Bereichen der Technik nach den gleichen Regeln zu richten habe, ist deshalb nicht vollends überzeugend. Stattdessen ist es regelmäßig so, dass sich die Regeln, deren gleichmäßige Anwendung hier gefordert wird, eher auf Äußerlichkeiten beziehen. Es ist fraglich, ob ihre Verallgemeinerung gewährleisten kann, dass allenfalls die Reichweite des Schutzes der erfinderischen Leistung entspricht.

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