Voraussetzungen zur Erlangung eines Patentes


Damit für eine Erfindung ein Patent erlangt werden kann, muss die Erfindung neu sein. Dies ist der Fall, wenn sie nicht bereits durch den Stand der Technik vorweggenommen ist. Bei der Prüfung hinsichtlich der Neuheit einer Erfindung kann die Neuheit der Erfindung allerdings nicht schon dann bestätigt werden, wenn zwischen dem Stand der Technik und der angemeldeten Erfindung geringe, nur unwesentliche Unterschiede bestehen. Für die diesbezügliche Ausweitung des Standes der Technik gibt es unterschiedliche Ansätze.

Der Begriff der technischen Äquivalenz

Nach dem früheren Recht ist man auch in den Fällen sogenannter technischer Äquivalenz von einer vollständigen Vorwegnahme ausgegangen. In diesen Konstellationen wurde der Gegenstand der Anmeldung dann nicht als neu angesehen, wenn Abweichungen von dem Gegenstand der Offenbarung nur in solchen Mitteln bestanden, die nach den Lehren der Technik allgemein als auswechselbar angesehen werden. Mittel werden dann als auswechselbar angesehen, wenn sie ohne Beschränkung auf den Sonderfall der zu beurteilenden Erfindung ihrer regelmäßigen Funktion nach als gleichwirkend bekannt sind.

Fachnotorisch austauschbare Mittel

Der Begriff der Äquivalenz wird durch die Praxis zum geltenden Recht vermieden. Nach Ansicht des Bundespatentgerichts zählen zum Offenbarungsgehalt eines Dokuments auch die sogenannten fachnotorisch austauschbaren Mittel. Zu diesen Mitteln zählt des Bundespatentgericht sowohl eine dem zuständigen Fachmann ohne weiteres verfügbare funktionsgleiche Ausführungsart eines im einzelnen beschriebenen Mittels als auch eine vorherrschend gebräuchliche und daher für den Fachmann selbstverständliche konkrete Ausführungsart eines durch einen umfassenden technischen Begriff angegebenen Mittels. Entsprechend dieser Ansicht hat das Bundespatentgericht eine ältere Anmeldung als neuheitsschädlich angesehen, obwohl darin im Gegenstastz zu der jüngeren Anmeldung, für die in Frage stehende Röntgenröhre nicht auch angegeben war, dass zur Ablenkung des Elektronenstrahls Ablenkungsspulen vorgesehen sind und die Röhre eine Lochanode mit dahinter angeordnetem Target aufweist. Eine Verneinung der fachnotorischen Austauschbarkeit durch das Bundespatentgericht erfolgte zwischen Spritzguss- und Extrusionsverfahren bei einer der volumenreduzierenden Konditionierung und Fixierung radioaktiv kontaminierter Kunstharze dienender Problemlösung.

Außerdem wurde eine fachnotorische Austauschbarkeit im Verhältnis von auf unterschiedlichen Lösungsprinzipien beruhenden Lösungen eines Problems verneint. Der Bundesgerichtshof hält den Begriff der fachnotorischen Austauschbarkeit für unscharf. Er hält ihn zur Abgrenzung weniger geeignet und spricht daher lieber von Abwandlungen, die nach dem Gesamtzusammenhang einer Schrift für den Fachmann derart naheliegen, dass sie sich ihm bei aufmerksamer, weniger auf die Worte als auf ihren erkennbaren Sinn achtender Lektüre ohne Weiteres erschließen, so dass er sie gewissermaßen in Gedanken gleich mitliest, auch wenn er sich dessen nicht bewusst ist. Der Bundesgerichtshof geht davon aus, dass unter diesen Voraussetzungen auch weitgehend dasjenige als neuheitsschädlich offenbart sein werde, was mit jenem Begriff umschrieben wird. In dem dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegten Fall wurden die beispielhafte Angabe von Doppelflachfederkontakten die vorherrschend gebräuchlichen Stift- und die zugehörigen Buchsenkontaktelemente sowie durch die Angabe, dass auf einen Kontaktaufsatz ein Gehäuse aufgesteckt wird, die Abwandlung, dass ein Kontakteinsatz in ein Gehäuse eingeschoben wird, als mitoffenbart angesehen.

Nach den Richtlinien für die Prüfung durch das Europäische Patentamt wird ein Dokument als neuheitsschädlich angesehen, wenn sich der beanspruchte Gegenstand unmittelbar und eindeutig daraus ergibt. Dabei werden die Merkmale, die für den Fachmann, ohne ausdrücklich erwähnt zu sein, mittelbar offenbart sind, ebenfalls als dazu gehörig angesehen. Allerdings wird es nach den Richtlinien als unzulässig angesehen, bei der Neuheitsprüfung die Lehre eines Dokuments dahin auszulegen, dass sie in diesem selbst nicht offenbarte allgemein bekannte Äquivalente einschließt. Dies soll erst in der Prüfung hinsichtlich erfinderischer Tätigkeit geschehen. Jedoch zeigt ein in der Richtlinie enthaltenes Beispiel, dass gewisse Abwandlungen als unerheblich gelten sollen. Ist zum Beispiel die Verwendung von Gummi in der Weise offenbart, dass erkennbar seine Elastizität von Bedeutung ist, so wird die Neuheit noch nicht dadurch begründet, dass anderes elatisches Material verwendet wird. Durch diesen Ansatz bietet sich die Möglichkeit, Austauschmittel als mitoffenbart anzusehen. Dies entspricht zumindest tendenziell der deutschen Rechtsprechung. Des Weiteren findet sich in der jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Patentamts auch der Hinweis darauf, dass der Begriff des Zugänglichmachens über die schriftliche Beschreibung hinausgehe. Deshalb sei von ihm auch die implizite Offenbarung technischer Informationen erfasst.

Weitergehende Abweichungen

Fraglich ist noch, ob die Neuheit auch im Fall weitergehender Abweichungen fehlen kann. Während dieser Frage im früheren Patentrecht und auch im aktuellen Gebrauchsmusterrecht keine Bedeutung zukommt, ist sie für das aktuelle Patentrecht von großer Bedeutung. Dies ergibt sich daraus, dass der Inhalt nachveröffentlichter älterer Anmeldungen nämlich nur in Bezug auf die Neuheit zum Stand der Technik gehört. Bezüglich der erfinderischen Tätigkeit hingegen bleibt er außer Betracht. Eine klare Abgrenzung der Prüfung der Neuheit von der des Beruhens auf erfinderischer Tätigkeit ist daher notwendig. Ausschlaggebend ist dabei die Regelung des Gesetzes, dass nur das, was zum Stand der Technik gehört - im Gegensatz zu dem, was durch ihn bloß nahegelegt ist - nicht als neu gilt. Nur was durch eine Vorbeschreibung oder -benutzung dem Fachmann mitgeteilt ist, steht auch der Neuheit entgegen.

Außer Betracht bleiben müssen hingegen Überlegungen, zu denen der Fachmann erst durch die Mitteilung veranlasst wird. Diese Überlegungen finden erst im Rahmen des Erfordernisses des Beruhens auf erfinderischer Tätigkeit Berücksichtigung - seien sie noch so naheliegend. Zum Offenbarungsgehalt einer Beschreibung, Benutzung oder sonstigen Entgegenhaltung gehören insbesondere keine Austauschmittel, die außerhalb des Bereichs liegen, der durch den Begriff der technischen Äquivalenz und die ihm entsprechenden Umschreibungen in der neueren Rechtsprechung begrenzt wird. Eine Vorbeschreibung ist deshalb dann nicht neuheitsschädlich, wenn die Erfindung an Stelle eines dort vorgesehenen Mittels ein anderes benennt, das zwar in der Technik als gleichwirkend angesehen wird, aber eine besondere Anpassung an den Erfindungszweck erfahren hat.

Ähnliche Artikel

Durchsuchen Sie Rechtssartikel