Patent: Für die Öffentlichkeit zugänglicher Stand der Technik


Einführung

Damit eine Erfindung in den Genuss des Schutzes eines Patents kommen kann, muss sie unter anderem das Erfordernis der Neuheit erfüllen. Dies kann nur dann der Fall sein, wenn der Gegenstand der Erfindung nicht bereits vom Stand der Technik nahegelegt und es einem Fachmann möglich ist, die Erfindung nachzubauen. Vom Stand der Technik ist ausschließlich dasjenige umfasst, was vor dem Stichtag (dem Tag der Anmeldung der Erfindung zum Patent) der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bildet lediglich der Inhalt bestimmter nicht vorveröffentlichter älterer Patentanmeldungen. Das Zugänglichmachen für die Öffentlichkeit bedarf prinzipiell keiner bestimmten Form. Zwar nennen sowohl das Patentgesetz als auch das Europäische Patentübereinkommen ausdrücklich Fälle der schriftlichen oder mündlichen Beschreibung und der Benutzung. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um sogenannte Regelbeispiele. Das Zugänglichwerden in sonstiger Weise ist den zuvor genannten Arten ausdrücklich gleichgestellt. Daraus folgt, dass die im früheren Patentrecht bestehenden Meinungsstreitigkeiten darüber, wann eine Beschreibung als Druckschrift anzusehen ist oder unter welchen Voraussetzungen eine Benutzung im Inland erfolgt ist, obsolet geworden sind.

Der Inhalt deutscher, europäischer oder internationaler Patentanmeldungen, die vor dem Stichtag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, gehört grundsätzlich zum maßgeblichen Stand der Technik. Dabei kommt es keineswegs darauf an, ob die zuständige Behörde Vervielfältigungsstücke bereithält und ausgibt oder nur Einblick gewährt. Der gleiche Grundsatz findet Anwendung bezüglich deutscher oder ausländischer Anmeldungen anderer technischer Schutzrechte. Zu den anderen technischen Schutzrechten zählen zum Beispiel das Gebrauchsmuster und die Erfinderscheine. Als Medium des Zugänglichmachens kommen sowohl Ton- und Bildaufzeichnungen als auch Informationen in Betracht, die in Datenverarbeitungsanlagen gespeichert werden. Außerdem ist ein Zugänglichwerden für die Öffentlichkeit auch durch mündliche Mitteilungen (zum Beispiel in Vorträgen), in Hörfunk- und Fernsehsendungen sowie in Gesprächen, der Zurschaustellung, dem Erproben oder dem Inverkehrbringen von Erzeugnissen und durch die Anwendung von Verfahren möglich.

Es ist erforderlich, dass die Öffentlichkeit die Möglichkeit hat, von dem Wissen, dass sowohl körperlich als auch unkörperlich wiedergegeben werden kann, Kenntnis zu erlangen. Unter dem Begriff der Öffentlichkeit ist in diesem Zusammenhang ein Kreis von Personen zu verstehen, der aufgrund seiner Größe oder aufgrund der Beliebigkeit seiner Zusammensetzung für den Urheber der Informationen nicht mehr zu kontrollieren ist. Der Informationsgehalt eines vom Stand der Technik umfassten Sachverhalts bestimmt sich jeweils nach fachmännischem Verständnis. Daraus folgt, dass es bei der Möglichkeit der Kenntniserlangung auf die Kenntnisnahme durch Sachverständige des jeweils in Betracht kommenden Gebiets ankommt und nicht auf diejenige eines beliebigen Laien.

Reine Möglichkeit der Kenntnisnahme

Für die Zugehörigkeit zum Stand der Technik ist es bereits ausreichend, dass die Öffentlichkeit schlicht die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestimmter Informationen hat. Eine tatsächliche Kenntnisnahme eines größeren Personenkreises hingegen ist nicht erforderlich. Jedoch hat die Rechtsprechung für den Fall nicht schriftlich vorliegender Informationen eingrenzende Kriterien aufgestellt. Hier soll mindestens eine nicht entfernt liegende - also nicht bloß theoretische - Möglichkeit der Kenntnisnahme bestehen müssen. Gleichzeitig fügt die Rechtsprechung allerdings auch hinzu, dass eine solche nicht entfernt liegende Möglichkeit der Kenntnisnahme nicht bereits deshalb ausgeschlossen ist, weil die fragliche Information nur durch eine umfangreiche sowie zeit- und arbeitsaufwendige Untersuchung eines der Öffentlichkeit zugänglich gewordenen Gegenstands gewonnen werden kann.

So hat das Bundespatentgericht beispielsweise die in ausgelieferten Stählen verkörperte Lehre deshalb nicht als offenkundig geworden angesehen, weil die Durchführung der erforderlichen Analyse unter den gegebenen Umständen nur sehr unwahrscheinlich erschien. Auch das Europäische Patentamt hat die öffentliche Zugänglichkeit eines Steuerungsverfahrens verneint, das auf einem in einer offenkundig vorbenutzten Vorrichtung enthaltenen Mikrochip gespeichert war. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass der interessierten fachkundigen Öffentlichkeit keine programmspezifischen Funktions- und Blockschaltpläne zur Verfügung gestanden hätten. Das Prinzip des Steuerungsverfahrens sei somit äußerlich nicht erkennbar gewesen.

Des Weiteren sei die Ermittlung des Programminhalts zwar technisch möglich gewesen. Sie konnte aber unter den konkreten Umständen - insbesondere aus Kosten-/Nutzenerwägungen - nicht erfolgt sein. Als weiterer Grundsatz gilt, dass die Möglichkeit der Kenntnisnahme nicht davon abhängt, dass die Personen, die in den Besitz eines Gegenstandes gelangen, einen konkreten Anlass zu einer näheren Untersuchung haben. Nach Ansicht des Europäischen Patentamtes gehört vielmehr die Zusammensetzung eines Erzeugnisses, das der Öffentlichkeit zugänglich ist und von einem Fachmann analysiert und reproduziert werden kann, unabhängig davon zum Stand der Technik, ob es besondere Gründe für eine Analyse gibt. Solange nur die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht, sind daher auch solche Informationen zum Stand der Technik zu zählen, die tatsächlich gar nicht entdeckt wurden. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem papierenden Stand der Technik.

Prüfung der Neuheit

Im Rahmen der Neuheitsprüfung beim Deutschen Patent- und Markenamt und auch beim Europäischen Patentamt wird fast ausschließlich auf druckschriftlich veröffentlichte Fachliteratur, Patentschriften und -anmeldungen sowie Unterlagen über andere technische Schutzrechte zurückgegriffen. Die Ämter beziehen oft bei weitem nicht den gesamten einschlägigen Stand der Technik in ihre Prüfung hinsichtlich der Neuheit einer Erfindung ein. Dem liegen überwiegend praktische Erwägungen zugrunde. Insoweit übernehmen die Ämter konsequenterweise auch keine Gewähr für die Vollständigkeit der Prüfung.

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