MT Unterscheidung zwischen Diensterfindungen und freien Erfindungen im Arbeitnehmererfindergesetz


Einleitung

Die sich aus der Erfindung eines Arbeitnehmers für den Arbeitgeber ergebenden Rechte hängen mitunter davon ab, ob es sich bei der Erfindung des Arbeitnehmers um eine gebundene oder um eine freie Erfindung handelt. Gebundene Erfindungen werden im Arbeitnehmererfindergesetz als Diensterfindungen bezeichnet. Hierunter sind im Sinne des Gesetzes Erfindungen des Arbeitnehmers zu verstehen, die getätigt werden während das Arbeitsverhältnis andauert und die entweder aus der Tätigkeit entstanden sind, die dem Arbeitnehmer im Betrieb oder in der öffentlichen Verwaltung obliegt (1. Gruppe) oder die maßgeblich auf solchen Erfahrungen beruhen, die aus dem Betrieb oder der öffentlichen Verwaltung herrühren (2. Gruppe). Diese Begriffsbestimmung findet entsprechende Anwendung auf Erfindungen, die von Soldaten oder Beamten getätigt werden. Diensterfindungen der ersten Gruppe werden auch als Obliegenheitserfindungen bezeichnet, die der zweiten Gruppe als Erfahrungserfindungen. Daraus ergibt sich, dass Diensterfindungen nicht etwa automatisch alle Erfindungen sind, die während des Bestehens des Arbeits- oder Dienstverhältnisses getätigt werden. Vielmehr sind nur solche Erfindungen auch Diensterfindungen, an denen dem Betrieb beziehungsweise der öffentlichen Verwaltung ein wesentlicher Anteil zukommt.

Der Begriff des Betriebs im Sinne des Arbeitnehmererfindergesetzes weicht allerdings von der Begriffsbestimmung im sonstigen Arbeitsrecht ab. Der Begriff des Betriebs im allgemeinen Arbeitsrecht kennzeichnet regelmäßig lediglich eine einzelne organisatorisch-technische Einheit. Im Arbeitnehmererfindergesetz hingegen erfasst der Begriff des Betriebs das gesamte Unternehmen des Arbeitgebers. Dieses Unternehmen kann mehrere Betriebe im allgemeinen arbeitsrechtlichen Sinne umfassen. Unter dem Begriff der öffentlichen Verwaltung versteht das Arbeitnehmererfindergesetz jede Dienststelle, an der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, Beamte oder Soldaten beschäftigt werden. Nicht ausschlaggebend hingegen ist, ob es sich im Einzelfall um Betriebe, Institute, Anstalten, Stiftungen oder Verwaltungen handelt. Dienststellen, die von ein und demselben öffentlichen Dienstherren unterhalten werden, bilden regelmäßig eine einheitliche öffentliche Verwaltung. Etwas anderes ergibt sich hinsichtlich von organisatorisch selbständigen Unternehmen, die von Gebietskörperschaften betrieben werden, um die Energieversorgung zu gewährleisten oder das Verkehrswesen aufrecht zu erhalten. Oftmals wird in diesem Zusammenhang von Eigenbetrieben beziehungsweise Regiebetrieben gesprochen. Auch ist - ebenso wie im privatrechtlichen Bereich - das Unternehmen die maßgebliche Einheit.

Freie Erfindungen sind alle Erfindungen des Arbeitnehmers, die nicht vom Begriff der Diensterfindung erfasst werden. Diese Erfindungen können vor dem Beginn oder nach der Beendigung des Arbeitsverhältnis getätigt worden sein. Des Weiteren ist es auch möglich, dass solche Erfindungen nicht aus der dem Arbeitnehmer obliegenden Tätigkeit hervorgegangen sind oder nicht maßgeblich auf betrieblichen Arbeiten beziehungsweise Erfahrungen beruhen. Diensterfindungen zeichnen sich in der Regel dadurch aus, dass das Unternehmen oder die öffentliche Verwaltung zu ihrer Entstehung beigetragen haben. Es ist jedoch kein Erfordernis, dass die Erfindung im Unternehmen oder der öffentlichen Verwaltung des Arbeitgebers verwertbar ist. Eine Bindung einer Erfindung als Diensterfindung ergibt sich auch ohne die Möglichkeit einer betriebsinternen Verwertung, wenn die genannten gesetzlichen Voraussetzungen einer Diensterfindung erfüllt sind. Sind besagte Merkmale nicht in der Erfindung verwirklicht, so handelt es sich entsprechend nicht um eine Diensterfindung, sondern um eine freie Erfindung. Der Einordnung einer Erfindung als freie Erfindung anhand dieser Kriterien wiederum steht es nicht entgegen, wenn die freie Erfindung für den Arbeitgeber verwertbar ist. Das Interesse des Arbeitgebers an einer Verwertung der freien Erfindung wird nämlich durch die diese Erfindungen betreffenden Vorschriften hinreichend berücksichtigt.

Die Entstehung der Erfindung während der Dauer des Arbeitsverhältnisses

Eine Erfindung gilt als während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses getätigt, wenn sie nach dem Beginn und vor dem Ende dieses Verhältnisses fertiggestellt wird. Die Beweislast für den Zeitpunkt der Fertigstellung der Erfindung und das Bestehen des Arbeitsverhältnisses zu diesem Zeitpunkt trägt der Arbeitgeber. Nicht entscheidend für die Einordnung ist, ob die Erfindung während der Arbeitszeit oder in der Freizeit, innerhalb oder außerhalb der Betriebsstätte des Arbeitgebers getätigt wird. Ausschlaggebend ist in dieser Hinsicht allein der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses. Daraus ergibt sich, dass auch eine solche Erfindung eine Diensterfindung sein kann, die der Arbeitnehmer macht, während er überhaupt nicht seiner Arbeit nachgeht - sei es, weil er sich im Urlaub befindet, im Krankenstand ist oder streikt. Ebenfalls als Diensterfindung gilt somit auch eine Erfindung, die zwar nach der Kündigung, jedoch vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fertiggestellt wird. Im Umkehrschluss kann eine Erfindung, die nach der Beendigung der Arbeitsverhältnisses fertiggestellt wird, keine Diensterfindung sein, selbst wenn sie maßgeblich auf Erfahrungen oder Arbeiten des Unternehmens beruht. Wird die Fertigstellung der Erfindung durch den Arbeitnehmer jedoch bis nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinausgezögert, so kann sich aus dieser Verzögerung eine Verletzung des Arbeitsvertrages ergeben. Voraussetzung ist allerdings, dass sich aus dem Arbeitsvertrag die Verpflichtung für den Arbeitgeber ergibt, Überlegungen anzustellen, die zur Lösung des in Frage stehenden technischen Problems beitragen. In solchen Fällen ergibt sich ein Verpflichtung des Arbeitnehmers zum Schadensersatz gegenüber dem Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer hat sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts dann so behandeln zu lassen, als er habe er die Erfindung während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses gemacht.

Sollte der Arbeitnehmer für die in Frage stehende Erfindung ein Schutzrecht erlangt haben, so hat der Arbeitgeber einen Anspruch auf die Übertragung dieses Schutzrechts. Eine Pflicht zum Schadensersatz kann sich für den Arbeitnehmer mitunter auch daraus ergeben, dass er die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch pflichtwidriges Verhalten in der Absicht provoziert, eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch vor der Fertigstellung der Erfindung zu erreichen.

Die Entstehung der Erfindung aus der dem Arbeitnehmer obliegenden Tätigkeit

Hinsichtlich der Frage, ob eine Erfindung aus derjenigen Tätigkeit entstanden ist, die dem Arbeitnehmer im Betrieb oder in der öffentlichen Verwaltung obliegt, kommt es auf den Arbeitsbereich an, den der Arbeitnehmer konkret aufgrund des Arbeisvertrages oder aufgrund der Weisungen des Arbeitgebers wahrnimmt. Zusätzlich ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der vom Arbeitnehmer wahrgenommenen Tätigkeit und der von ihm gemachten Erfindung erforderlich. Diesbezüglich darf bei Arbeitnehmern, die in einem Konstruktionsbüro, einem Forschungslaboratorium, einer Entwicklungs- oder Versuchsabteilung nicht lediglich untergeordnete Aufgaben wahrnehmen, sondern eine geistig geprägte Arbeit ausführen, erwartet werden, dass ihre Tätigkeit auf die Lösung technischer Probleme gerichtet ist. Erfindungen, die von Arbeitnehmern in einer der genannten oder ähnlichen anderen Einrichtungen gemacht werden, gelten als aus der den Arbeitnehmern obliegenden Tätigkeit entstanden. Sie fallen somit unter den Begriff der Diensterfindungen.

Ungeachtet dieser Ausführungen kann oft auch von Arbeitnehmern, die in anderen Arbeitsumfeldern tätig sind, erwartet werden, dass sie auf eine neue Lösung eines technischen Problems, welches sich im Rahmen ihrer Tätigkeit stellt, bedacht sind. So kann zum Beispiel dann von einer Diensterfindung ausgegangen werden, wenn ein Ingenieur eine Einrichtung, die im Unternehmen seines Arbeitgebers eingesetzt wird, nicht jedoch dort auch hergestellt wurde, zu überwachen und in Stand zu halten hat, diese Einrichtung durch eine erfinderische Veränderung jedoch auch leistungsfähiger und zuverlässiger macht. Zudem hat die Schiedsstelle die Erfindung eines Diplomvolkswirtes, der sich bei der ihm aufgegebenen Vorbereitung der Aufnahme eines neuen Geschäftszweigs durch den Arbeitgeber intensiv auch in die technischen Entwicklungsarbeiten eingeschaltet hatte, als Diensterfindung bewertet. Zur Begründung führte die Schiedsstelle an, dass die Erfindung im Pflichtenkreis des Arbeitnehmers gelegen habe. Gleichfalls ist die Erfindung eines kaufmännischen Angestellten von der Schiedsstelle als Diensterfindung angesehen worden. Im konkreten Fall hatte der besagte kaufmännische Angestellte die Aufgabe, als Leiter einer Niederlassung des Arbeitgebers in erster Linie den Kontakt zu den Kunden zu pflegen. Bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe hatte der kaufmännische Angestellte zusätzlich an der technischen Entwicklung des Unternehmens Anteil zu nehmen.

Das Beruhen der Erfindung auf betrieblichen Arbeiten beziehungsweise Erfahrungen

Die Erfindung eines Arbeitnehmers beruht auf den Erfahrungen beziehungsweise den Arbeiten des Unternehmens, wenn dieser im Rahmen der Tätigung der Erfindung Kenntnisse verwertet, die er innerhalb des Unternehmens erlangt hat. In diesem Zusammenhang wird auch von dem sogenannten inneren Stand der Technik gesprochen. Dieser ist unabhängig von dem im Patent- oder Gebrauchsmusterrecht neuheitsschädlichen Stand der Technik. Dementsprechend kann der innere Stand der Technik sowohl höher als auch niedriger als jener liegen. Jedoch kann von einem maßgeblichen Beitrag zu einer schutzfähigen Erfindung nur dann gesprochen werden, wenn der innere Stand der Technik höher anzusiedeln ist als der allgemeine Stand der Technik. Zwar ist es durchaus möglich, dass ein Arbeitnehmer Kenntnisse, die zum allgemeinen Stand der Technik gehören, erst im Rahmen seiner Tätigkeit in dem Unternehmen erlangt. Jedoch kann sich aus einer solchen Kenntniserlangung kein Beitrag des Unternehmens ergeben, der es rechtfertigt, die vom Arbeitnehmer gemachte Erfindung dem Zugriff des Arbeitgebers zu unterwerfen.

Zu beachten ist allerdings auch, dass eine Erfindung bereits durch solche betriebliche Arbeiten oder Erfahrungen, die die Möglichkeit der Verknüpfung unterschiedlicher Informationen aus dem Stand der Technik oder der Entdeckung zum Stand der Technik gehörender Mängel bieten, zu einer Diensterfindung werden kann. In welcher Form die Kenntnisse, die vom Erfinder verwertet werden, festgehalten werden, ist dabei ohne Bedeutung. Dies kann etwa schriftlich, in Zeichnungen, verkörpert in einer Betriebseinrichtung oder gänzlich unkörperlich im Rahmen einer betrieblichen Praxis sein. Voraussetzung allerdings ist, dass die betrieblichen Arbeiten oder Erfahrungen dem Arbeitnehmer zum einen zugänglich waren und zum anderen von diesem auch tatsächlich benutzt worden sind. Ist dies nicht der Fall, so kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Erfindung auf den betrieblichen Arbeiten beziehungsweise Erfahrungen beruht.

Zudem müssen die betrieblichen Arbeiten oder Erfahrungen einen maßgeblichen Beitrag zur Erfindung darstellen. Hiervon kann logischerweise regelmäßig nur dann ausgegangen werden, wenn sie überhaupt Eingang in die erfinderische Problemlösung gefunden haben. Nicht ausreichend ist es, dass der Arbeitnehmer durch die betrieblichen Arbeiten und Erfahrungen lediglich angeregt wurde, sich mit einem technischen Problem zu befassen und somit die Erfindung zu tätigen. Dies kann beispielsweise durch die bloße Anschauung von Vorrichtungen oder Fertigungsprozessen geschehen. Hierbei handelt es sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers. Dieser wollte es namentlich verhindern, dass Erfindungen, zu denen der Betrieb nicht mehr beigetragen hat als Anschauungsmaterial, als Diensterfindungen angesehen werden.

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